Umsatzsteuer Newsletter 25/2014
Keine Vorsteuerkorrektur beim letzten Abnehmer
Der letzte Abnehmer in einer Lieferkette muss seinen Vorsteuerabzug nicht mindern, wenn er von einem im Ausland ansässigen Hersteller Rabatte erhält. Dies hat der BFH in seinem Urteil XI R 25/12 vom 05.06.2014 entschieden. Hingegen nicht höchstrichterlich entschieden ist der umgekehrte Fall: Kann der in Deutschland ansässige Hersteller seine Umsatzsteuer mindern, wenn er Rabatte direkt an einen im Ausland ansässigen letzten Abnehmer gewährt und wenn die Lieferung an seinen Abnehmer in Deutschland steuerpflichtig ist?

1. Sachverhalt
Ein in Großbritannien ansässiges Unternehmen A lieferte innergemeinschaftlich Prozessoren an ein in Deutschland ansässiges Unternehmen B. B besteuerte den innergemeinschaftlichen Erwerb in Deutschland und lieferte die Prozessoren steuerpflichtig an die ebenfalls in Deutschland ansässige Klägerin. Die Klägerin machte aus den Eingangsrechnungen von B die Vorsteuer geltend. A gewährte der Klägerin Rückvergütungen. Das Finanzamt betrachtete die Rückvergütungen von A als Minderung des Entgelts, die zu einer Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG bei der Klägerin führen.

2. Entscheidung des BFH
Der BFH hat entschieden, dass der letzte Abnehmer in der Lieferkette die Vorsteuern nicht korrigieren muss.

Voraussetzung für eine Vorsteuerkorrektur ist, dass sich die Bemessungsgrundlage geändert hat. Allerdings hat sich die Bemessungsgrundlage für die Lieferung von B an die Klägerin nicht geändert, da der Rabatt nicht von B gewährt wurde, sondern von A. Gewährt der erste Unternehmer in einer Lieferkette dem letzten Abnehmer – hier A an die Klägerin – einen Preisnachlass, mindert sich dadurch grundsätzlich die Bemessungsgrundlage für den Umsatz des ersten Unternehmers – im Streitfall der Umsatz von A. A hat jedoch eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung aus Großbritannien ausgeführt.

Damit mag sich zwar die Bemessungsgrundlage für eine steuerfreie Lieferung geändert haben. Voraussetzung für eine Vorsteuerkorrektur nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG sei aber zudem, dass sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz geändert hat. § 17 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 UStG regeln lediglich, welcher Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen hat: derjenige, an den der Umsatz ausgeführt wurde (§ 17 Abs. 1 Satz 2 UStG) oder derjenige, der durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt ist (§ 17 Abs. 1 Satz 4 UStG).

3. Hinweise für die Praxis
Der Entscheidung des BFH, dass im Streitfall die Klägerin nicht verpflichtet ist, ihren Vorsteuerabzug zu kürzen, ist zuzustimmen. Anderenfalls würde es zu einem Umsatzsteuerüberhang zugunsten des Fiskus kommen und damit zu einer Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes.

3.1 Letzter Abnehmer im Inland erhält Rabatt direkt vom Hersteller im Ausland
Aufgrund der Rechtsprechung des BFH können Unterneh-men bereits vorgenommene Vorsteuerkorrekturen berichtigen, wenn sie direkt von einem ausländischen Hersteller Rückvergütungen erhalten haben. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn der ausländische Hersteller eine steuerfreie Lieferung an den Zwischenhändler tätigt, von dem der letzte Abnehmer die Waren steuerpflichtig im Inland erwirbt. Die betroffenen Unternehmen können entsprechende berichtigte Umsatzsteuer-Erklärungen abgeben und unter Berufung auf das BFH-Urteil ihren Vorsteuerabzug wieder erhöhen.

3.2 Letzter Abnehmer im Ausland erhält Rabatt direkt vom Hersteller im Inland
Fraglich ist, ob im umgekehrten Fall ‒ wenn der den Rabatt gewährende Hersteller in Deutschland ansässig ist und der letzte Abnehmer im Ausland ‒ der deutsche Hersteller seine Umsatzsteuer mindern kann.

• Änderung der Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz
Gemäß dem BFH-Urteil könnte der Hersteller die Umsatzsteuer, die er für seine an den Zwischenhändler ausgeführte Lieferung schuldet, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG mindern, soweit die Umsätze im Inland steuerbar und steuerpflichtig sind. Dies könnte der Fall sein, wenn die Lieferung vom deutschen Hersteller an den Zwischenhändler die in Deutschland steuerpflichtige ruhende Lieferung ist. Einschränkungen dahingehend, dass die Lieferung an den letzten Abnehmer nicht steuerfrei sein darf, enthält § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG nicht. Die Minderung der Umsatzsteuer würde zu einem Vorsteuerüberhang zulasten des Fiskus führen, da weder der Zwischenhändler noch der im Ausland ansässige Abnehmer eine Vorsteuerkorrektur vornehmen müssen.

• Fall ist noch nicht höchstrichterlich entschieden
Es ist nach wie vor streitig, ob bei steuerfreien Lieferungen ein Mitgliedstaat dem ersten Unternehmen in der Lieferkette die Minderung der Umsatzsteuer versagen kann oder zusätzliche Bedingungen zur Versagung der Minderung schaffen muss. In der Rs. Ibero Tours C-300/12 hatte der BFH dem EuGH diese Frage vorgelegt. Der EuGH hatte diese Frage aber nicht (mehr) zu beantworten. Im Falle von Ibero Tours hat der EuGH entschieden, dass ein Vermittler, der dem Endverbraucher zulasten seiner Provision Preisnachlässe gewährt, keine Entgeltminderung geltend machen kann, unabhängig davon, ob der vermittelte Umsatz steuerpflichtig oder steuerfrei ist.

• Empfehlung für Vorgehen des deutschen Herstellers
Der deutsche Hersteller kann unter Berufung auf den Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG und das BFH-Urteil XI R 25/12 vom 05.06.2014 seine Umsatzsteuer kürzen. Demnach ist Voraussetzung für die Berichtigung der Umsatzsteuer lediglich, dass sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz gemindert hat. Aufgrund der unklaren Rechtslage sollte der deutsche Hersteller den Sachverhalt und die von ihm vertretene Rechtsauffassung gegenüber dem zuständigen Finanzamt offenlegen.

 

Ansprechpartner:

Eveline Beer
Rechtsanwältin, Steuerberaterin
Tel.: 089 / 217 50 12 - 35
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Stand: 24.11.2014