Umsatzsteuer Newsletter 27/2014
Vorsteuerabzug: Wirkt Rechnungsberichtigung zurück?
Das FG Niedersachsen hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob und inwiefern die Berichtigung einer fehlerhaften Rechnung zurückwirkt. Wird der Vorsteuerabzug aus der fehlerhaften Rechnung versagt und aus der berichtigten Rechnung wieder gewährt, wäre dies ein „Nullsummenspiel“, wäre da nicht die 6 %ige Verzinsung. Diese entfiele allerdings, wenn eine rückwirkende Berichtigung der Rechnung zulässig wäre.

Das FG Niedersachsen hat mit Beschluss vom 3.7.2014, Az. 5 K 40/14, dem EuGH die Frage vorgelegt, ob und inwiefern eine Rechnungsberichtigung zurückwirkt. Die Frage der Rechnungsberichtigung hat Bedeutung für den Vorsteuerabzug. Liegt keine ordnungsgemäße Rechnung vor, wird der Vorsteuerabzug versagt. Damit verbunden sind in der Regel 6 % Nachzahlungszinsen nach § 233a AO. Die Verzinsung entfiele, wenn eine rückwirkende Berichtigung der Rechnung zulässig wäre.

1. Sachverhalt
Die Betriebsprüfung bei einem Textilgroßhändler beanstandete, dass bei etlichen Gutschriften, die als Rechnungen  gelten, die USt-IdNr. oder die Steuernummer des Leistenden fehlten. Der Textilgroßhändler berichtigte die Gutschriften noch während der Betriebsprüfung dergestalt, dass die jeweilige USt-IdNr. oder Steuernummer des Leistenden ergänzt wurden. Ungeachtet dessen kürzte das Finanzamt die Vorsteuern mit der Begründung, dass die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nicht in den Streitjahren 2009 bis 2011, sondern erst im Zeitpunkt der durchgeführten Rechnungsberichtigung, also im Jahr 2013, vorlagen. Erst im Einspruchsverfahren wurde festgestellt, dass für 2008 noch keine Rechnungsberichtigungen erteilt worden waren. Dies wurde dann noch während des Einspruchsverfahrens im Jahr 2014 nachgeholt.

2. EuGH-Vorlage des FG Niedersachsen
Das FG Niedersachsen bittet den EuGH zunächst um Klarstellung, ob die von ihm in der Rechtssache „Terra Baubedarf-Handel“ (Urteil vom 29.4.2004 ‒ Rs C-152/02) getroffene Feststellung, dass der Vorsteuerabzug erst im Zeitpunkt der Erstellung einer ordnungsgemäßen Rechnung vorzunehmen ist, auch für den Fall der Ergänzung einer unvollständigen Rechnung gelten soll, oder ob in einem solchen Fall eine Rückwirkung zulässig ist (vgl. hierzu die EuGH-Entscheidungen „Pannon Gép“ und „Petroma Transports“, Urteile vom 15.7.2010 ‒ Rs. C-368/09, und vom 8.5.2013 ‒ Rs. C-271/12).

Sofern eine rückwirkende Rechnungsberichtigung möglich ist, wäre vom EuGH weiter zu klären, ob und ggf. welche Mindestanforderungen an eine rückwirkungsfähige Rechnung zu stellen sind, insbesondere ob die (ursprüngliche) Rechnung bereits eine Steuernummer oder Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Rechnungsausstellers enthalten muss.

Zuletzt stellt sich die Frage, ob die Rechnungsberichtigung noch rechtzeitig ist, wenn sie erst im Rahmen eines Einspruchsverfahrens erfolgt.

3. Empfehlungen für die Praxis
Eingangsrechnungen sollten genauestens auf die in § 14 Abs. 4 UStG aufgeführten Rechnungsmerkmale überprüft werden.

• Checklisten erleichtern die Prüfung.
• Werden in den Eingangsrechnungen Rechnungsmängel festgestellt, sollte der Rechnungsempfänger den Rechnungsaussteller umgehend um eine berichtigte Rechnung bitten.
• Ggf. ist die Überweisung des Rechnungsbetrags so lange zurückzustellen, bis die berichtigte Rechnung vorliegt.

Wird durch die Betriebsprüfung eine Eingangsrechnung als fehlerhaft beanstandet, sollte der Rechnungsempfänger die berichtigte Rechnung schnellstmöglich einholen.

• Die berichtigte Rechnung muss bis spätestens Ende der Betriebsprüfung der Veranlagungsstelle (und ggf. auch dem Betriebsprüfer) vorliegen.
• Lehnt das Finanzamt die Rückwirkung der Rechnungsberichtigung ab, sollte gegen den Umsatzsteuerbescheid mit dem der Vorsteuerabzug versagt wird, Einspruch eingelegt werden. Ggf. ist auch Aussetzung der Vollzie-hung zu beantragen; im Fall des Unterliegens im Hauptsacherechtsbehelf sind dann jedoch Aussetzungszinsen nach § 237 AO fällig.
• Im Hinblick auf das nun beim EuGH anhängige Vorabentscheidungsverfahren sollte unter Hinweis auf § 363 Abs. 2 Satz 1 AO das Ruhen des Einspruchsverfahrens beantragt werden.
• Gleichzeitig sollte beantragt werden, den Vorsteuerabzug im Billigkeitswege nach § 163 AO zu gewähren.

Der Veranlagungszeitraum, in dem die berichtigte Rechnung eingegangen ist, sollte mittels Änderungsantrag oder Einspruch offengehalten werden für den Fall, dass der EuGH eine Rückwirkung der Rechnungsberichtigung nicht anerkennt.

 

Ansprechpartner:

Dr. Oliver Zugmaier
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: 089 / 217 50 12 - 60
oliver.zugmaier@kmlz.de

Stand: 02.12.2014