1 Sachverhalt
Im Streitfall (Urt. v. 10.09.2020 – Rs. C-509/19 – BMW) führte die Klägerin aus mehreren Drittländern Steuergeräte für Fahrzeuge ein. Diese Geräte steuern mittels Software verschiedene Funktionen in den Fahrzeugen. Die benötigte Software entwickelte die Klägerin selbst oder ließ sie von Dienstleistern innerhalb der EU entwickeln. Den Herstellern der Steuergeräte stellte die Klägerin die Software kostenlos zum Download über ein Portal zur Verfügung. Die Hersteller installierten die Software vor der Auslieferung auf den Geräten und führten Funktionstests durch. Bei der Einfuhr der Steuergeräte in die EU hat die Klägerin im Rahmen der Zollwertanmeldung die Entwicklungskosten der Software unberücksichtigt gelassen.
2 Hintergrund
Zu den Waren, die im Außenhandel der EU erfasst werden, gehören nur bewegliche Güter und elektrischer Strom (vgl. Art. 2 lit. a) VO (EG) 471/2009 – ExtraStatVO). Software ist als immaterielles Gut grundsätzlich keine Ware i.S.d. Zollrechts (vgl. EuGH, Urt. v. 14.07.1977 – Rs. C-1/77 – Bosch). Software besitzt nur dann einen eigenen Zollwert, wenn sie verkörpert auf einem Datenträger in die EU gelangt. Prominentes Beispiel in Deutschland für die zollrechtliche Problematik von auf einem Datenträger eingeführten Daten waren die sogenannten „Steuersünder-CDs“ aus der Schweiz. Deutsche Landes-Finanzbehörden hatten die Datenträger für Millionenbeträge gekauft. Dabei ist nicht bekannt, ob sie die CDs bei ihren Zollkollegen zur Einfuhr anmeldeten.
Ein Problem, das mit der fehlenden Qualifikation als Ware einhergeht, ist, dass für Software keine Zollverfahren zur Verfügung stehen. Im geschilderten Fall hätte der Klägerin das Verfahren der passiven Veredelung geholfen.
Immaterielle Güter sind somit grundsätzlich zollrechtlich irrelevant, können aber den Zollwert einer körperlichen Ware beeinflussen. So sieht Art. 71 Abs. 1 lit. b) sublit. iv) UZK vor, dass für die Herstellung einer Ware notwendige Techniken und Entwicklung dem Transaktionswert der Ware hinzuzurechnen sind. Das gilt jedoch nur dann, wenn Techniken und Entwicklung außerhalb der Union erarbeitet wurden. Diese Einschränkung enthält der Hinzurechnungstatbestand des Art. 71 Abs. 1 lit. b) sublit. i) UZK jedoch nicht. Demnach ist dem Transaktionswert in jedem Fall der Wert „der in den eingeführten Waren enthaltenen Materialien, Bestandteile, Teile und dergleichen“ hinzuzurechnen, unabhängig davon, woher solche Güter stammen. Aus diesem Wortlaut ist nicht eindeutig erkennbar, ob ausschließlich materielle Güter gemeint sind oder auch immaterielle Güter in Frage kommen. Lässt die Software sich nicht unter einen der in Art. 71 Abs. 1 UZK genannten Punkte einordnen, muss ihr Wert bei der Ermittlung des Zollwerts außer Acht bleiben (Art. 71 Abs. 3 UZK).
3 Urteil des EuGH
Nach der Auffassung des EuGH kann der Wert von Software grundsätzlich nach Art. 71 Abs. 1 lit. b) sublit. i) UZK dem Transaktionswert hinzuzurechnen sein. Die Einleitung des Art. 71 Abs. 1 lit. b) UZK nennt ausdrücklich „Gegenstände und Leistungen“. Mit „Leistung“ seien nicht nur solche des sublit. iv) gemeint, auch sublit. i) ermögliche die Hinzurechnung von immateriellen Gütern. Voraussetzung ist, dass diese die Funktionsfähigkeit der Ware ermöglichen oder verbessern. Laut EuGH muss der Zollwert den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der eingeführten Ware widerspiegeln. Es sind daher alle Elemente zu berücksichtigen, die der Ware ihren Wert verleihen. Insofern kommt es darauf an, ob die bei der Einfuhr auf den Steuergeräten aufgespielte Software ihnen einen tatsächlichen Wert verleiht, der den Transaktionswert übersteigt. Ob dies im konkreten Fall so ist, entscheidet der EuGH nicht ausdrücklich. Vorliegend führen die Hersteller mithilfe der Software bereits im Drittland Tests an den Steuergeräten durch. Diese liefern der Klägerin relevante Erkenntnisse. Dies spricht dafür, dass Steuergeräte mit Software, für den Käufer einen Mehrwert gegenüber Geräten ohne Software haben.
4 Auswirkungen für die Praxis
Software wird durch dieses Urteil schlechter gestellt als die in Art. 71 UZK ausdrücklich genannten immateriellen Güter (Techniken, Entwicklungen, Entwürfe, Pläne und Skizzen). Man kann daher durchaus Kritik an dem Urteil üben. Die Entscheidung des höchsten europäischen Gerichts ist es jedoch unbedingt zu beachten. Dabei ist die Wirkung des Urteils aber nicht auf Software beschränkt. Alle immateriellen Güter, die nicht die Voraussetzungen des Art. 71 Abs. 1 lit. b) sublit. iv) UZK erfüllen, könnten nun durch sublit. i) dennoch zollwertrelevant sein. Fraglich bleibt, ob den besonderen Voraussetzungen, die Art. 71 Abs. 1 lit. b) sublit. iv) UZK aufstellt, um den Wert von immateriellen Gütern zu berücksichtigen, noch eine Bedeutung zukommt. Unternehmen, die Herstellern in Drittländern immaterielle Güter zur Verfügung stellen, sollten daher prüfen, ob der Wert dieser Beistellungen bei einer späteren Einfuhr der Waren ggf. nach sublit. i) hinzuzurechnen ist. In der Praxis können Unternehmen die Hinzurechnung des Werts beigestellter Software allenfalls dadurch vermeiden, die Software nach Durchführung der Tests im Drittland zu löschen und in der EU erneut aufzuspielen.
Möglicherweise hat die Entscheidung auch Auswirkungen in Hinblick auf den präferentiellen Ursprung einer Ware. Betrachtet man Software als in der Ware enthaltenes Material, Bestandteil oder dergleichen, ist sie möglicherweise bei der Ermittlung dieses Ursprungs relevant. Es kann bspw. zulässig sein, Ware ohne präferentiellen Ursprung bis zu einem bestimmten Prozentsatz zu verwenden. Bei Software als Vormaterial ist der Ursprung aber nicht bestimmbar. Die Voraussetzungen, die eine Ware zu erfüllen hat, um als präferentielle Ursprungsware zu gelten, richten sich nach der Zolltarifnummer der Ware. Software besitzt jedoch keine Zolltarifnummer, da es sich zollrechtlich nicht um eine Ware handelt.
Ansprechpartner:
Dr. Christian Salder
Rechtsanwalt, Steuerberater,
Fachanwalt für Steuerrecht
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Stand: 28.09.2020