1 Hintergrund
Unternehmen, die Waren aus dem Drittland beziehen, müssen sich immer wieder mit den Auswirkungen einer nachträglichen Verrechnungspreisanpassung auf den Zollwert eingeführter Waren befassen. Nach einem Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH (Urteil vom 20.12.2017, C-529/16 – Hamamatsu) lehnte das Finanzgericht München in seinem Urteil vom 15.11.2018 (14 K 2028/18) die Erstattung von Einfuhrabgaben bei nachträglich geminderten Verrechnungspreisen ab (s. KMLZ Zoll Newsletter 01 I 2019). Das Finanzgericht München ließ dennoch die Revision zum Bundesfinanzhof zu, da der EuGH sich nicht zu allen Fragen im Detail geäußert hatte. Die Zulassung der Revision öffnete die Tür für den BFH, ggf. ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu stellen. Nun hat der BFH endlich über die Revision entschieden (VII R 2/19 v. 17.05.2022, veröffentlicht am 29.09.2022). Der BFH hielt allerdings eine erneute Vorlage an den EuGH für nicht geboten.
2 Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Kl.) überführte Waren von einer japanischen Konzerngesellschaft unter Zahlung von Einfuhrabgaben in den zollrechtlich freien Verkehr. Als Zollwert meldete die Kl. die ihr in Rechnung gestellten Preise an. Auf Grund einer Verrechnungspreisvereinbarung mit der liefernden Konzerngesellschaft erhielt die Kl. nach Abschluss des Geschäftsjahres eine Gutschrift und beantragte beim Zoll eine anteilige Erstattung der entrichteten Einfuhrabgaben. Um den zu erstattenden Zoll zu berechnen, verminderte die Kl. zunächst die Summe aller ursprünglichen Zollwerte um den Gutschriftsbetrag. Anschließend wandte die Kl. jeweils auf den ursprünglichen bzw. den angepassten Zollwert einen durchschnittlichen Zollsatz von aufgerundet 1,02 % an. Aus der Differenz der beiden so ermittelten Werte ergab sich der begehrte Erstattungsbetrag. Die Kl. teilte den Anpassungsbetrag nicht auf die einzelnen eingeführten Waren auf.
3 Urteil des Bundesfinanzhofs
Der BFH hat die Entscheidung des Finanzgerichts München bestätigt und die Revision zurückgewiesen. Die unionsrechtliche Zollwertregelung soll die Anwendung willkürlicher oder fiktiver Zollwerte ausschließen. Der Zollwert muss den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der eingeführten Ware widerspiegeln. Diese allgemeinen Grundsätze gelten – mit einer angemessenen Flexibilität – auch bei der Anwendung der sog. Schlussmethode zur Ermittlung des Zollwerts. Die Schlussmethode kommt allerdings erst dann in Betracht, wenn die vorrangigen Methoden (insbesondere die sog. Transaktionswertmethode) nicht einschlägig sind. Die Zollwertermittlung ist eine waren- und stichtagsbezogene Wertermittlung. Maßgeblich für die Zollwertermittlung ist der Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung. Eine nachträgliche Berichtigung des Zollwerts ist nur in Sonderfällen zulässig, um willkürliche oder fiktive Zollwerte zu verhindern. Setzt sich der vereinbarte Transaktionswert – wie im Streitfall – teilweise aus einem zunächst in Rechnung gestellten und angemeldeten Betrag und teilweise aus einer pauschalen Berichtigung nach Ablauf des Abrechnungszeitraums zusammen, ohne dass sich sagen lässt, ob am Ende des Abrechnungszeitraums überhaupt eine Berichtigung erforderlich ist und ob diese mögliche Berichtigung nach oben oder nach unten erfolgt, ist eine nachträgliche Berichtigung des Zollwerts nach den Zollrechtsvorschriften ausdrücklich ausgeschlossen. Das gilt auch bei Anwendung der Schlussmethode.
Der BFH begründet sein Ergebnis auch mit einer entsprechenden Anwendung des Art. 8 Abs. 3 des Übereinkommens zur Durchführung des Art. VII des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens von 1994. Danach sind Zuschläge zum tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis nur zulässig auf Grundlage von Angaben, die sich im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung objektivieren und quantifizieren lassen. Daher dürfen nur solche Angaben zu Zuschlägen auf den tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis führen. Diese Regelung ist auf Abschläge vom tatsächlich gezahlten Preis entsprechend anzuwenden. Die Nachweispflicht für diese Voraussetzungen obliegt dem Wirtschaftsbeteiligten, der die Erstattung der Einfuhrabgaben begehrt. Entsprechend müsste dies auch für die Zollbehörden gelten, die Einfuhrabgaben nacherheben möchten. Der BFH sah diesen Nachweis im Streitfall als nicht erbracht an. Die nachträgliche Anpassung der Verrechnungspreise auf Grund der Verrechnungspreisvereinbarung war im konkreten Fall nicht geeignet, einen niedrigeren Zollwert der Waren nachzuweisen. Eine solche Verrechnungspreisanpassung, die als ertragsteuerliches Instrument der Streitvermeidung und der Verminderung von Verrechnungspreisrisiken dient, bleibt jedenfalls im Rahmen sämtlicher Zollwertermittlungsmethoden – wegen der Waren- und Stichtagsbezogenheit der Zollwertermittlung – ohne Einfluss auf den maßgeblichen Zollwert.
4 Auswirkungen auf die Praxis
Pauschale Verrechnungspreisanpassungen dürfen einen einmal angemeldeten Zollwert nicht mehr beeinflussen. Dabei ist unerheblich, ob es sich um eine Nachbelastung oder eine Gutschrift handelt. Die Hauptzollämter müssten daher ihre Nacherhebungspraxis bei Nachbelastungen ändern. Gegen Nacherhebungsbescheide sollten betroffene Unternehmen Einspruch einlegen und ggf. Aussetzung der Vollziehung beantragen. Ruhende Einspruchsverfahren gegen Nacherhebungsbescheide können wieder aufgenommen werden. Auf der anderen Seite sind aber auch Erstattungen von Einfuhrabgaben auf Grund von nachträglichen Verrechnungspreisvereinbarungen praktisch ausgeschlossen, da sich im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung Zu- oder Abschläge zu den tatsächlich gezahlten Preisen ohnehin nur möglicherweise ergeben und somit nicht quantifizierbar sind. Unklar bleibt allerdings, ob diese Rechtsfolgen bei jeder Verrechnungspreisanpassung, oder nur bei pauschalen Anpassungen gelten würden. Ist eine Zollwertberichtigung doch möglich, wenn die Anpassung über die einzelnen Warengruppen und -werte erfolgt? Wie wirken sich umsatzabhängige Boni und Rabatte aus, die bereits im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung der Höhe nach feststehen? Abgeschlossen ist das Thema noch lange nicht.
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Dobrinka Atanasova
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht
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Stand: 13.10.2022