1 Hintergrund
Am 17.05.2023 hat die EU-Kommission ihre Pläne zu einer weitreichenden Reform des Zollrechts der Union veröffentlicht (COM (2023) 259 final). Gegenstand der geplanten Reform sind im Wesentlichen vier verschiedene Aspekte. Der Regelungsvorschlag der Kommission beinhaltet hierbei die Einrichtung eines einheitlichen EU-Datenhubs, Erleichterungen bei der Einfuhrabfertigung, eine Importfiktion für Betreiber von E-Commerce-Plattformen sowie die Vorstellung eines vereinfachten Ad-Valorem-Zollsystems für Waren von geringem Wert. Letzteres geht mit der Abschaffung der bisher geltenden Zollfreigrenze von EUR 150 einher. Deren Aufhebung wird von korrespondierenden Anpassungen der One-Stop-Shop-Regelungen im Umsatzsteuerrecht flankiert (siehe hierzu KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 52 I 2022). Die Änderungen sollen ab dem 01.01.2028 stufenweise umgesetzt werden.
2 EU-Datenhub und Einrichtung einer EU-Zollbehörde
Die Kommission plant, sämtliche für das Zollverfahren relevanten Daten in einem einheitlichen EU-Datenhub zusammenzuführen. Ziel der Zusammenführung ist einerseits eine Vereinfachung für die Unternehmen, die momentan mit einer Vielzahl von nationalen Systemen und Schnittstellen kämpfen. Als weiteren Vorteil für Unternehmen sieht die Kommission das Trust & Check-Konzept vor. Es baut auf dem Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten auf und soll für Unternehmen, die den EU-Datenhub nutzen und ihre Lieferketten vollständig offenlegen, besondere Erleichterungen bieten. Qualifizierte Unternehmen sollen zukünftig Waren in den freien Verkehr überführen können, ohne dass die Zollverwaltung eingebunden ist.
Andererseits ermöglichen Zusammenführung und Vereinheitlichung der Datensätze es den Behörden, Risikoanalysen auf EU-Ebene durchzuführen. Die Daten sollen mit anderen Behörden geteilt werden, so dass die Mitgliedstaaten Risikobereiche identifizieren und Zollbetrug effizienter bekämpfen können. Hierbei soll selbstverständlich auch Künstliche Intelligenz genutzt werden. Nach den Vorstellungen der Kommission soll eine neu geschaffene EU-Zollbehörde die Verwaltung des Hubs und die Durchführung der Analysen übernehmen. Die vollständige und verpflichtende Implementierung des Datenhubs ist für den E-Commerce für das Jahr 2032, für die übrigen Bereiche zum Jahr 2038 vorgesehen.
3 Abschaffung der Zollfreigrenze und Einführung eines vereinfachten Ad-Valorem-Tarifs
Eine wesentliche Veränderung ist die Abschaffung der EUR-150-Freigrenze. Die generelle Zollbefreiung für Waren von geringem Wert soll zum 01.01.2028 entfallen. Bereits zum 30.06.2021 wurde die Freigrenze von EUR 22 für die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer abgeschafft. Anstelle der Freigrenze schlägt die Kommission jedoch die Einführung eines vereinfachten Ad-Valorem-Zolltarifs „Bucket Tariff“ vor. Hiervon ausgenommen sind verbrauchsteuerpflichtige Waren. Im Gegensatz zur Tarifierung nach dem EU-Zolltarif erfolgt die Einteilung der zu importierenden Waren in fünf Gruppen (Bucket A – E). Während auf die in Bucket A genannten Waren kein Zoll erhoben wird, fallen auf Waren in Bucket E 17% Zoll an. Unternehmen sollen aber zur Verzollung nach dem allgemeinen Zolltarif optieren können.
4 Importfiktion für Betreiber von E-Commerce-Plattformen
Ebenfalls korrespondierend zur Regelung in der Umsatzsteuer wird eine Import-Fiktion für die E-Commerce-Plattformbetreiber eingeführt (Art. 14a – COM (2023) 262 final v. 17.5.2023, S. 14). Hierdurch werden die Plattformbetreiber bei Fernverkäufen in die Pflicht genommen, die auf die Fernverkäufe anfallenden Einfuhrzölle zu entrichten. Der vereinfachte Bucket Tariff soll es den Plattformbetreibern ermöglichen, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Informationen die korrekte Tarifierung der Waren vorzunehmen, da die Betreiber hierfür auch einstehen müssen.
5 Weitere Änderungen
Neben diesen umfassenden Reformvorschlägen erscheint es fast wie eine Randnotiz, dass die Kommission auch die bestehenden Regeln zur vorübergehenden Verwahrung ändern möchte. Die derzeit gültige Verwahrfrist von 90 Tagen soll auf nur 3 Tage verkürzt werden. Bisherige Verwahrlager müssten dann als Zolllager betrieben werden.
6 Fazit
Noch sind die Reformvorschläge Zukunftsmusik. Die Änderungspläne der Kommission müssen zunächst vom Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union genehmigt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht klar, ob alle Änderungsvorschläge angenommen und umgesetzt werden. Die Auswirkungen dieser Reform auf die Unternehmen sind daher nur bedingt abschätzbar. Die Vorschläge zeigen jedoch, dass die Kommission bereit ist, die identifizierten Schwachstellen anzugehen.
Selbstverständlich würde z. B. der Wegfall der Zollfreigrenze von EUR 150 eine ganz erhebliche Veränderung für den E Commerce bedeuten. Insbesondere Plattformbetreiber würden durch die Zurechnung der Einfuhr, wie auch schon bei der Marktplatzhaftung, in der Umsatzsteuer in Anspruch genommen. Auch die Einführung des EU-Datenhubs würde für Unternehmen im ersten Schritt zunächst erheblichen Implementierungsaufwand mit sich bringen. Gerade in diesem Bereich hat die Vergangenheit aber gelehrt, dass die von der Kommission und dem Rat der Europäischen Union gesteckten Ziele in zeitlicher Hinsicht allzu ambitioniert und daher nicht erreichbar waren. Dies gilt umso mehr, als die Schaffung einer neuen EU Behörde sicherlich auf einigen Widerstand der Mitgliedstaaten treffen dürfte.
Ansprechpartner:
Dr. Christian Salder
Rechtsanwalt, Steuerberater,
Fachanwalt für Steuerrecht
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Stand: 05.06.2023