1 Überblick
Am 01.01.2022 trat das Gesetz zur Modernisierung des Tabaksteuergesetzes in Kraft. Die Reform führt zu einer Erhöhung der Tabaksteuer für Zigaretten, Zigarren, Zigarillos und Feinschnitt sowie zu einer signifikant höheren Besteuerung von erhitztem Tabak und Wasserpfeifentabak (siehe KMLZ Zoll Newsletter 02│2021). Eine wichtige Neuerung ist auch die Besteuerung von Substanzen für E-Zigaretten. Diese sind ab dem 01.07.2022 ebenfalls tabaksteuerpflichtig. Durch die neue Tabaksteuer auf sog. „Liquids“ müssen sich viele Unternehmen erstmals mit der Tabaksteuer und den damit verbundenen Pflichten auseinandersetzen. Zu den Einzelheiten der Besteuerung hat die Finanzverwaltung bereits ein Informationsschreiben veröffentlicht und im Juni 2022 auch die Verwaltungsvorschrift „Tabaksteuer / Steuerrechtlich freier Verkehr“ aktualisiert.
2 Steuerpflicht für Tabaksubstitute (Liquids)
Der Besteuerung unterliegen sowohl nikotinhaltige als auch nikotinfreie Liquids für E-Zigaretten. Als Substitute für Tabakwaren gelten alle Fertigprodukte, reine Nikotinlösungen oder nikotinhaltige Mischkomponenten sowie Mischkomponenten in Gebinden mit „Leerraum“, denen auf einfache Weise weitere Mischkomponenten beigefügt werden können (sog. „Shortfill“- oder „Longfill“-Produkte). Die nikotinfreien Mischkomponenten (Glyzerin und Propylenglykol) sowie Aromen finden breite Verwendung, weit über den Einsatz in E-Zigaretten hinaus. Sie sind nur dann „Substitute für Tabakwaren“, wenn sie für den Einsatz in E-Zigaretten bestimmt sind. Die Zweckbestimmung erfolgt anhand der Marktplatzierung des Produkts, der Aufmachung bzw. Gestaltung der Kleinverkaufspackung, der getroffenen Bestimmung des Produktes und einer damit einhergehenden Konsumentenerwartung. Die Zweckbestimmung muss daher nach außen erkennbar und belegbar sein.
Die Besteuerung erfolgt durch einen rein spezifischen Steuersatz auf Grundlage des Volumens (Milliliter der Substanz). Der Steuertarif wird in den Jahren 2022 (ab 07/2022) und 2023 zunächst 16 Cent je Milliliter betragen und dann stufenweise bis auf 32 Cent je Milliliter ab dem Jahr 2026 erhöht. Die Steuer wird – wie bei den anderen Tabakwaren – durch die Verwendung von Steuerzeichen entrichtet. Die Steuerzeichen müssen verwendet sein, d. h. entwertet und angebracht, wenn die Ware in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt wird. Die Tabaksteuer entsteht für Tabaksubstitute allerdings erst, wenn sie ab dem 01.07.2022 in den steuerrechtlich freien Verkehr gelangen. Eine Nachbesteuerung der sog. Altwaren ist nicht vorgesehen und führt dazu, dass z. B. die aktuell im Handel befindlichen Produkte auch über diesen Zeitpunkt hinaus abverkauft werden können. Ab dem 13.02.2023 soll die Steuerentstehung jedoch auch an den Besitz von Steuergegenständen anknüpfen, für die noch keine Steuer im Steuergebiet erhoben wurde. Dies führt zwangsweise zu einer Nachversteuerung von in diesem Moment noch nicht abverkauften Altwaren. Der gewerbliche Bezug sowie der Versandhandel aus anderen Mitgliedstaaten mit Waren des steuerrechtlich freien Verkehrs ist ab dem 01.07.2022 ohne deutsche Steuerzeichen nicht mehr möglich.
3 Sonstige Pflichten im Zusammenhang mit der Besteuerung von Substituten
Zur Herstellung und Beförderung von Substituten unter Steueraussetzung ist grundsätzlich eine verbrauchsteuerliche Erlaubnis notwendig. Darüber hinaus sind bei der Beförderung von Substituten für Tabakwaren bestimmte Beförderungsdokumente erforderlich und/oder Anzeige- bzw. Nachweispflichten zu erfüllen. Diese richten sich nach den Vorschriften des Kaffeesteuergesetzes. Das liegt daran, dass die Besteuerung der Substitute für Tabakwaren unionsrechtlich nicht harmonisiert ist. Es handelt sich um eine rein nationale Verbrauchsteuer. Aus diesem Grund kann die Beförderung unter Steueraussetzung nicht wie bei den harmonisierten verbrauchsteuerpflichtigen Waren über das europäische IT-Verfahren (EMCS) erfolgen. Stattdessen ist z. B. bei der Beförderung unter Steueraussetzung in einen anderen Mitgliedstaat ein Buchnachweis wie beim Transport von Kaffee vorgesehen. Bei der Beförderung unter Steueraussetzung aus anderen Mitgliedstaaten ist kein förmliches Verfahren festgelegt. Das Steueraussetzungsverfahren endet mit der Aufnahme der Waren in das Steuerlager im Steuergebiet.
Substitute für Tabakwaren dürfen nur in geschlossenen, verkaufsfertigen Kleinverkaufspackungen in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt werden. Weiterhin gilt auch das für Tabakwaren bereits etablierte Kopplungs- und Beipackverbot. War es bisher möglich, E-Zigaretten und Liquids gemeinsam als „Starter-Kits“ zu verpacken, so ist dies nach der gesetzlichen Neuregelung ausgeschlossen. Den Kleinverkaufspackungen, die in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt werden, dürfen keine anderen Gegenstände als die Substitute für Tabakwaren beigepackt werden. Der Händler darf bei der Abgabe an Verbraucher auch keine Gegenstände zugeben und die Abgabe nicht mit dem Verkauf anderer Gegenstände koppeln.
4 Auswirkungen
Im Besteuerungsverfahren ergeben sich erhebliche Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten. Die Einhaltung dieser neuen Anforderungen wird für Unternehmen, die bislang nicht mit Verbrauchsteuern in Berührung kamen, einen erheblichen Aufwand bedeuten. Die Neuerungen betreffen viele Bereiche wie die Produktvermarktung, Verpackungsgestaltung sowie Preisbildung. Die Aufstellung neuer Prozesse ist zwingend erforderlich. Verstöße gegen die tabaksteuerlichen Vorschriften können straf- und bußgeldrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Die schon lange angekündigte Novelle der Richtlinie (EU) 2011/64 des Rates v. 21.06.2011 (TabakStRL), die europaweit eine einheitliche Besteuerung auch solcher neuartigen Produkte sicherstellen soll, lässt noch auf sich warten. Der Vorschlag der EU-Kommission ist für das Jahresende angekündigt und bringt möglicherweise neuen Handlungsbedarf für die Mitgliedstaaten.
Ansprechpartner:
Dobrinka Atanasova
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht
+49 (0) 89 217501255
Stand: 04.07.2022