1 Hintergrund
Das Coronavirus SARS-CoV-2 hat auch auf den Warenverkehr gravierende Auswirkungen. Hierüber und über getroffene Maßnahmen zur Versorgung mit wichtigen Gütern haben wir bereits im KMLZ Newsletter 01/2020 informiert. Auch die Zollbehörden sind durch den Ausbruch des Virus in ihrer Arbeit beeinträchtigt. Die Europäische Kommission hat daher Ausnahmen für verschiedene Bereiche der Zollabfertigung definiert.
2 Pandemiebedingte Änderungen bei der Zollabfertigung
Präferenzbehandlung
In einer Reihe von EU-Mitgliedstaaten und bei etlichen Vertragspartnern von Handelsabkommen wurden die Kontakte zwischen Zollbeamten und Wirtschaftsbeteiligten aufgrund der Coronakrise ausgesetzt. Deshalb ist es in einigen Ländern derzeit nicht möglich, ordnungsgemäße Ursprungszeugnisse (d.h. unterzeichnet, gestempelt und im richtigen Papierformat) auszustellen. Die Kommission hat daher in enger Abstimmung mit den Handelspartnern Sondermaßnahmen zur Gewährleistung des Präferenzhandels für die Dauer der Pandemie initiiert. Hierfür hat sie bei Mitgliedstaaten und Handelspartnern angefragt, in welcher Form die dortigen Behörden derzeit Präferenzdokumente ausstellen und in welcher Form sie die Nachweise momentan bereit sind zu akzeptieren. Auch hier gestattet die Kommission – abweichend von den Grundsätzen der Zollunion – den einzelnen Mitgliedstaaten eine individuelle Handhabung. Als Vereinfachungsmöglichkeit ist insbesondere vorgesehen, dass die Behörden Kopien der Präferenznachweise stempeln und unterschreiben. Auch digitale Signaturen und unvollständige Präferenznachweise sind als Alternative möglich. Die deutsche Zollverwaltung akzeptiert derzeit (Stand 14.04.2020) als einzige Vereinfachung unterzeichnete und gestempelte Kopien von Ursprungsnachweisen. Der deutsche Zoll fertigt selbst jedoch nur Originale aus. Informationen zu den Präferenznachweisen in einzelnen Ländern sind in folgenden (ständig aktualisierten) Tabellen einsehbar (nur auf Englisch verfügbar):
- Mitgliedstaaten der EU
- Teilnehmer des Pan-Euro-Med-Übereinkommens
- Sonstige Vertragspartner von Handelsabkommen
Ablauf der 90-Tage-Frist für vorübergehende Verwahrung von Nichtunionswaren
Die Höchstdauer von 90 Tagen für die vorübergehende Verwahrung ist in Art. 149 UZK klar geregelt. Eine Ausnahme ist gesetzlich nicht vorgesehen und daher auch in dieser besonderen Situation nicht möglich. Eine Zollschuld entsteht deshalb für alle Waren, die innerhalb dieser 90-Tage-Frist nicht in ein Zollverfahren übergeführt oder wieder ausgeführt werden. Die Kommission sieht jedoch einige Optionen, den Beteiligten in der momentanen Krise entgegenzukommen.
Wenn die Waren aufgrund von Umständen im Zusammenhang mit der Ausbreitung von COVID-19 nicht in ein Zollverfahren übergeführt oder wieder ausgeführt werden, können die Zollbehörden im Einzelfall Billigkeitsmaßnahmen nach Art. 120 UZK erwägen. Falls die Waren nach dem Entstehen der Zollschuld wegen Zeitablaufs in den freien Verkehr übergeführt oder wieder ausgeführt werden, erlöschen die zuvor entstandenen Zollschulden unter den übrigen Voraussetzungen der Art. 124 Abs. 1 lit. h) bzw. k) UZK. Inhabern der Bewilligung für die vorübergehende Verwahrung empfiehlt die Kommission, eine Bewilligung für ein Zolllager für die gleichen Einrichtungen zu beantragen. Damit können die Beteiligten die Waren für das Zolllagerverfahren anmelden, ohne die Waren vom Ort der vorübergehenden Verwahrung zu entfernen. Die Zollbehörden der Mitgliedstaaten sollten solche Anträge vorrangig bearbeiten. Wie die deutschen Zollbehörden in der Praxis mit diesen Empfehlungen (auch wegen der zu erwartenden Bearbeitungsdauer) umgehen, ist bislang nicht bekannt.
Verstärkte Nutzung von vereinfachten Zollanmeldungen
Die regelmäßige Nutzung von vereinfachten Zollanmeldungen setzt grundsätzlich eine Bewilligung voraus (Art. 166 Abs. 2 UZK). Der Begriff „regelmäßig“ ist jedoch nicht legal definiert. Daher können die Zollbehörden bei der Anwendung großzügig sein und vereinfachte Anmeldungen in einer unbestimmten Zahl von Fällen auch ohne Bewilligung akzeptieren. Ebenso ist es möglich, die Frist zur Einreichung ergänzender Informationen zu verlängern (Art. 146 Abs. 4 UZK-DA). Die Beteiligten müssen hierzu jedoch begründet darlegen, wieso sie zur rechtzeitigen Übermittlung nicht in der Lage sind.
Fristen im Versandverfahren
Die Abgangszollstellen sollen bei der Festlegung der Frist zur Gestellung bei der Bestimmungszollstelle verlängerte Transportzeiten aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung des COVID-19-Ausbruchs berücksichtigen. Sollten die Waren aus Gründen, die auf die Coronakrise zurückzuführen sind, erst nach Ablauf der Frist bei der Bestimmungszollstelle eintreffen, können die Zollstellen davon ausgehen, dass die Verzögerung nicht dem Beförderer zuzuschreiben ist. Die Bestimmungszollstelle übermittelt die Kontrollergebnisse aufgrund der Ausnahmesituation innerhalb von sechs Tagen (anstatt üblicherweise innerhalb von drei Tagen) an die Abgangszollstelle (Art. 309 Abs. 1 S. 2 UZK-IA).
Weitere Informationen der Kommission zu den genannten und weiteren Themen finden Sie hier (nur auf Englisch verfügbar). Die Situation unterliegt ständigem Wandel. Die Behörden prüfen bestehende Maßnahmen laufend und passen diese gegebenenfalls an. Die weitere Entwicklung ist daher genau zu prüfen und zu verfolgen.
Ansprechpartner:
Dr. Christian Salder
Rechtsanwalt, Steuerberater,
Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: +49 89 217501285
christian.salder@kmlz.de
Stand: 14.04.2020