1 Hintergrund
Seit einigen Monaten breitet sich das Coronavirus SARS-CoV-2 über die ganze Welt aus. Dadurch sind einige Produkte derzeit besonders stark nachgefragt. In Supermärkten bleiben die Regale leer. Ärzte, Krankenhäuser und Apotheken benötigen dringend große Mengen an medizinischer Schutzausrüstung wie Mundschutzmasken, aber auch an Desinfektionsmittel und Beatmungsgeräten fehlt es. Zudem steigt der Preis für die noch verfügbare Ausrüstung. Ein Grund ist die Streichung zahlreicher Passagierflüge. Üblicherweise wird etwa die Hälfte der Luftfracht im Frachtraum von Passagierflugzeugen befördert. Aufgrund der aktuellen Kapazitätsengpässe kommt es zu steigenden Frachtraten. Die EU hat einige Maßnahmen beschlossen, damit die dringend erforderlichen Waren dennoch schnell und zu möglichst geringen Kosten dort ankommen, wo sie gebraucht werden.
2 Befreiung von Zöllen und Einfuhrumsatzsteuer
Mit dem Beschluss (EU) 2020/491 hat die Kommission für Gegenstände, die zur Bekämpfung der Auswirkungen des COVID-19-Ausbruchs benötigt werden, eine Befreiung von Zollgebühren und Einfuhrumsatzsteuer angeordnet. Welche Gegenstände dies sind und in welchen Mengen sie abgabenfrei eingeführt werden können, legen die Mitgliedstaaten fest. Somit hat die Kommission die Ausnahme zu den Grundprinzipien der Zollunion, die in Art. 76 VO (EG) 1186/2009 (Zollbefreiungsverordnung) geregelt ist, sehr weit zugunsten der Mitgliedstaaten ausgelegt. Damit sollten in dieser besonderen Situation die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, alle Dinge von den Abgaben zu befreien, die sie benötigen. Nach Information der Kommission gehören dazu persönliche Schutzausrüstung (PSA; z. B. Gesichtsschutz, Schutzkleidung und Handschuhe), Testkits und medizinische Apparate wie Beatmungsgeräte. Für die Befreiung müssen jedoch u. a. die folgenden Voraussetzungen vorliegen:
- Die Gegenstände werden von oder im Auftrag von staatlichen Organisationen bzw. staatlich anerkannten Organisationen eingeführt.
- Die Gegenstände sind ausschließlich für einen begünstigten Verwendungszweck bestimmt: die kostenlose Verteilung an Personen, die an COVID-19 erkrankt, von Erkrankung bedroht oder an der Bekämpfung des Ausbruchs beteiligt sind. Dabei ist gleichgültig, ob die Gegenstände an diese Personen übereignet werden oder die Organisationen die Gegenstände zwar zur Verfügung stellen, aber im Eigentum behalten.
- Die Beschränkungen der Zollbefreiungen zugunsten von Katastrophenopfern (Art. 75, 78, 79, 80 VO (EU) 1186/2009 (Zollbefreiungs-VO)) sind einzuhalten.
Die Befreiung gilt rückwirkend für alle Einfuhren ab 30.01.2020, die die o. g. Voraussetzungen erfüllen. Sie ist (vorerst) bis 31.07.2020 in Kraft. Für bereits bezahlte Abgaben können die betroffenen Organisationen innerhalb von drei Jahren die Erstattung beantragen.
3 Maßnahmen in Bezug auf den grenzüberschreitenden Warenverkehr
Exportbeschränkungen für persönliche Schutzausrüstung
Ebenfalls um dem Mangel an PSA zu begegnen, ist für die Ausfuhr bestimmter PSA eine Genehmigung erforderlich (Verordnung (EU) 2020/402). In Deutschland erteilt diese das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).
Vereinfachungen im Luftfrachtverkehr
Jegliche nationalen Luftverkehrsbeschränkungen, wie beispielsweise Nachtflugverbote, sind für Frachtflugzeuge auszusetzen. Alle zuständigen Luftfahrtbehörden sollen zusätzliche Verkehrsrechte für den Frachtverkehr erteilen, auch wenn dieser mit Passagierflugzeugen erfolgt. Weitere Informationen sind hier zu finden.
Maßnahmen im Landverkehr
Für den Landverkehr sind an den Grenzen des Transeuropäischen Verkehrsnetzes sogenannte „Green Lanes“, auch „Sonderfahrspuren“ genannt, einzurichten. Das Passieren von Binnengrenzübergängen mit „Green Lanes“ soll für Güterfahrzeuge nicht mehr als 15 Minuten dauern. Außerdem sollen die Mitgliedstaaten jegliche Straßenzugangsbeschränkungen wie Nacht- und Sonntagsfahrverbote vorübergehend aussetzen. Auch darf es keine obligatorischen Quarantänemaßnahmen, welche an die Grenzüberschreitung anknüpfen, für das im Frachtverkehr eingesetzte Personal geben. In Bezug auf Gesundheitskontrollen sollen die Mitgliedstaaten sich absprechen, so dass derartige Kontrollen nur auf einer Seite der Grenze stattfinden. Näheres dazu hier.
Stärkung des Exports
Wegen des grundsätzlichen Verbots staatlicher Beihilfen ist staatlichen Versicherern die Vergabe kurzfristiger Exportkreditversicherungen normalerweise nicht gestattet. Dies gilt, wenn das Land, in welches exportiert wird, zu den Ländern mit marktfähigen Risiken zählt. Die Kommission hat nun alle Länder, in welchen die wirtschaftlichen und politischen Risiken bislang als marktfähig betrachtet wurden, bis Ende 2020 zu Ländern mit nicht marktfähigen Risiken erklärt (Mitteilung der Kommission 2020/C 101 I/01). Als Folge ist es nun staatlichen Versicherern erlaubt, für jegliche Exporte kurzfristige Kreditversicherungen zu gewähren.
Es ist damit zu rechnen, dass sowohl deutsche als auch europäische Gesetzgeber die Regelungen an die sich ändernde Situation anpassen. Die aktuelle Entwicklung ist daher weiterhin zu beobachten, um schnell und flexibel zu reagieren.
Ansprechpartner:
Dr. Christian Salder
Rechtsanwalt, Steuerberater,
Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: +49 89 217501285
christian.salder@kmlz.de
Stand: 07.04.2020