Umsatzsteuer Newsletter 59/2022
JStG 2022: Erleichterungen für innergemeinschaftliche Lieferungen / Einschränkungen im Vorsteuer-Vergütungsverfahren
Am 16.12.2022 wurde das Jahressteuergesetz 2022 mit einigen umsatzsteuerlichen Änderungen beschlossen. Im KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 58│2022 hatten wir Ihnen einen ersten Überblick über die Neuerungen gegeben. Nun werfen wir einen genaueren Blick auf die Änderungen in § 4 Nr. 1 Buchstabe b) UStG. Darin geht es um die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferungen. Die Gesetzesbegründung enthält hierzu interessante Details. Und wir beschäftigen uns in diesem Zusammenhang auch mit der Änderung in § 18 Abs. 9 UStG, mit der das Vorsteuervergütungsverfahren eingeschränkt wird.
1 Innergemeinschaftliche Lieferungen (IGL)
IGL sind nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG steuerfrei, wenn sie korrekt in der Zusammenfassenden Meldung (ZM) deklariert werden. § 4 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 UStG enthielt bislang einen Verweis auf § 18a Abs. 10 UStG, der vorschreibt, dass eine unrichtige ZM innerhalb eines Monats nach Feststellung des Fehlers zu berichtigen ist. Durch diesen Verweis waren IGL nicht steuerfrei, wenn die betreffende ZM unrichtig war und nicht innerhalb der Monatsfrist berichtigt wurde. Allerdings gab es hierfür keine unionsrechtliche Grundlage. Art. 138 Abs. 1a MwStSystRL, der eine korrekte ZM seit 01.01.2020 zur Voraussetzung für die Steuerbefreiung der IGL macht, enthält keine solche Fristsetzung.
 
§ 4 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 UStG wird nun durch das JStG 2022 mit Wirkung ab 01.01.2023 gestrichen. Damit bleibt die Abgabe einer richtigen und vollständigen ZM zwar Voraussetzung für die Steuerbefreiung der IGL. Aber die Monatsfrist des § 18a Abs. 10 UStG muss nur noch beachtet werden, um ein Bußgeld nach § 26a Abs. 1 Nr. 5 UStG zu vermeiden. Relevant für die Steuerbefreiung ist lediglich noch die allgemeine Festsetzungsfrist nach AO, innerhalb derer die ZM abgegeben oder berichtigt werden kann.
 
Die Gesetzesänderung ist aus praktischer Sicht keine echte Neuerung. Das BMF hatte bereits mit Schreiben vom 20.05.2022 die Verwaltungsauffassung mit Rückwirkung auf den 01.01.2020 angepasst und den Abschn. 4.1.2 UStAE dahingehend geändert, dass die Monatsfrist nicht mehr relevant ist (siehe KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 22│2022). Sehr interessant klingt aber folgender Teil der Gesetzesbegründung: „Durch die Abgabe einer zutreffenden ZM für den betreffenden Meldezeitraum gelten die vorangegangenen Versäumnisse des Unternehmers als hinreichend entschuldigt. Dies steht im Einklang mit Artikel 138 Absatz 1a der Richtlinie 2006/112/EG [...].“
 
Hier wird erstmals die Auffangklausel des Art. 138 Abs. 1a MwStSystRL erwähnt, die leider nicht in das UStG übernommen wurde. Eine nicht abgegebene ZM oder eine falsche ZM kann demnach unschädlich für die Steuerbefreiung sein, wenn das Versäumnis zur Zufriedenheit der zuständigen Behörde ordnungsgemäß begründet wird. Es wäre zu begrüßen, wenn das BMF hierzu auch etwas in den UStAE aufnehmen würde. Dabei sollte möglichst der volle Rahmen ausgeschöpft werden. Laut Gesetzesbegründung ist das Versäumnis nur dann entschuldbar, wenn letztlich eine zutreffende ZM abgegeben wird. Es gibt aber in der Praxis Fälle, bei denen das technisch unmöglich ist. Nicht selten wird z. B. ein innergemeinschaftliches Verbringen (IGV) erst nachträglich erkannt und eine rückwirkende Registrierung im Bestimmungsland beantragt, die USt-IdNr. aber nicht rückwirkend im MIAS hinterlegt. Am Ende kann das IGV dann nicht in der ZM gemeldet werden, und somit ergibt sich eine finale Steuerpflicht. Ein klassisches Beispiel hierfür ist das Überschreiten der 12-Monats-Frist für Konsignationslager. Anders als im Beispiel in Abschn. 6b.1 Abs. 17 UStAE dargestellt, würde das IGV dann nach deutschem Recht zwangsläufig steuerpflichtig werden.
 
2 Vorsteuer-Vergütungsverfahren
Der das Vergütungsverfahren für ausländische Unternehmer betreffende § 18 Abs. 9 UStG wird um folgenden Satz 3 ergänzt: „Von der Vergütung ausgeschlossen sind in Rechnung gestellte Steuerbeträge für Ausfuhrlieferungen, bei denen die Gegenstände vom Abnehmer oder von einem von ihm beauftragten Dritten befördert oder versendet wurden, die nach § 4 Nr. 1 Buchst. a i. V. m. § 6 steuerfrei sind, oder für innergemeinschaftliche Lieferungen, die nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i. V. m.  § 6a steuerfrei sind oder in Bezug auf § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 steuerfrei sein können.“
 
Dieses Thema ist nicht völlig neu. Das BMF hatte bereits mit Schreiben vom 16.02.2016 in Abschn. 18.11 Abs. 1a UStAE eine ähnliche Regelung aufgenommen (siehe KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 09│2016). Hintergrund hierfür waren Steuerausfälle. Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) hatte zunächst Vorsteuern aus Rechnungen über IGL und Ausfuhren erstattet. Später machten die Lieferer die Berechnung der Umsatzsteuer rückgängig und ließen sich diese vom Finanzamt erstatten. Die ausländischen Abnehmer zahlten jedoch die Vorsteuer nicht an das BZSt zurück. Dieser Praxis wollte das BMF entgegenwirken. Es stellte daher fest, dass in den genannten Fällen ein unrichtiger Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG vorliegt, für den der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist. Die unionsrechtliche Grundlage hierfür findet sich für Drittlandsunternehmer in Art. 171(3)(a) MwStSystRL und für EU-Unternehmer in Art. 4(a) der RL 2008/9/EG. 
 
Die Gesetzesänderung soll offenbar die bereits im UStAE vorhandene und nicht ganz unkritische Verwaltungsregelung flankieren. Hierzu wird der unionsrechtliche Spielraum der Art. 171(3)(b) MwStSystRL und Art. 4(b) der RL 2008/9/EG genutzt. Die Vorsteuer-Vergütung wird somit gesetzlich versagt, wenn Steuer berechnet wurde für eine
 
  • steuerfreie Ausfuhr, bei der eine Abholung durch einen ausländischen Abnehmer erfolgte (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a UStG / Art. 146(1)(b) MwStSystRL),
  • steuerfreie IGL (§ 6a i. V. m. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG / Art. 138 MwStSystRL), 
  • IGL, die steuerfrei sein kann, für die der Abnehmer aber (noch) nicht die ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte USt-IdNr. angegeben hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG), während die übrigen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung objektiv vorliegen. 
Insbesondere die letzte Gruppe ist für den Fiskus problematisch. Die nachträgliche Verwendung einer im Zeitpunkt der Lieferung gültigen USt-IdNr. entfaltet für Zwecke der Steuerbefreiung Rückwirkung (Abschn. 6a.1 Abs. 19 Satz 3 UStAE). Dadurch wird eine zunächst steuerpflichtige Lieferung später rückwirkend steuerfrei, so dass sich ohne die Einschränkungen im Vergütungsverfahren die oben beschriebenen Steuerausfälle ergeben könnten. 
 
Ansprechpartner:
 
 
Ronny Langer
Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater
Tel.: +49 89 217501250
 
Stand: 22.12.2022