Umsatzsteuer Newsletter 58/2022
Umsatzsteuerrechtliche Änderungen zum Jahreswechsel
Der Gesetzgeber hat zum Jahreswechsel zahlreiche Änderungen im Umsatzsteuerrecht auf den Weg gebracht. Wir geben Ihnen einen stichpunktartigen Überblick über die wesentlichen Neuerungen.
Unternehmereigenschaft: 
  • „Klammheimlich“ wurde der Unternehmerbegriff in letzter Sekunde modifiziert: Jetzt besteht die Unternehmereigenschaft unabhängig davon, ob der Unternehmer nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Damit wird der Versuch unternommen, die Rechtsprechung des V. Senats des BFH zur Nichtunternehmereigenschaft von Bruchteilsgemeinschaften auszuhebeln (vgl. KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 9│2019). 
  • Die Übergangsregelung zur erstmaligen Anwendung des § 2b UStG (Neuregelung der Besteuerung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, kurz jPdöR) wird um zwei weitere Jahre verlängert. Die öffentliche Hand hat damit ganze neun Jahre Zeit, sich auf die Gesetzesänderung einzustellen – ein einmaliger Vorgang in der deutschen Steuergesetzgebung. JPdöR sollen zudem die Möglichkeit haben, auf Antrag die sog. Ist-Besteuerung (Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 20 UStG) anzuwenden.
 
Steuerbefreiung: 
  • Die Steuerbefreiung für Chöre und Orchester (§ 4 Nr. 20 Buchst. a UStG) wird erweitert auf alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts (bisher nur Bund, Länder, Gemeinden).
 
Grenzüberschreitender Warenverkehr:
  • Die Monatsfrist für die Berichtigung der Zusammenfassenden Meldungen (§ 18a Abs. 10 UStG) ist nicht mehr maßgeblich für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchstabe b UStG).
  • Die Vorsteuervergütung an im Ausland ansässige Unternehmer ist ausgeschlossen, wenn für eine steuerfreie Abhol-Ausfuhrlieferung oder für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung Umsatzsteuer berechnet wurde. 
 
Steuersatz: 
  • Deutschland führt den sog. Nullsteuersatz bei vollem Vorsteuerabzug für Lieferungen von Solarmodulen an den Betreiber einer Photovoltaikanlage ein. Der Nullsteuersatz gilt auch für die wesentlichen Komponenten einer Photovoltaikanlage und für die Speicher, die dazu dienen, den erzeugten Strom zu speichern. Voraussetzung ist, dass die Photovoltaikanlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen oder öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird. Diese Voraussetzung gilt als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage laut Marktstammdatenregister nicht mehr als 30 kW (peak) beträgt oder betragen wird (vgl. KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 39│2022). 
  • Bis 31.12.2023 bleibt es beim reduzierten Umsatzsteuersatz von 7 % auf Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen. Ausgenommen sind weiterhin Getränke. Eigentlich hätte die in der Corona-Pandemie eingeführte Stützungsmaßnahme für die Gastronomie Ende 2022 auslaufen sollen. 
  • Der Pauschalsteuersatz für land- und forstwirtschaftliche Betriebe wird ab 01.01.2023 von 9,5 % auf 9,0 % gesenkt.
  • Bereits in Kraft getreten ist die zeitlich befristete Absenkung des Steuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz und Wärmelieferungen über ein Wärmenetz. Die Absenkung von 19 % auf 7 % gilt für Lieferungen vom 01.10.2022 bis 31.03.2024. 
 
Umkehr der Steuerschuldnerschaft: 
  • § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG wird erweitert auf die Übertragung von Emissionszertifikaten nach § 3 Nr. 2 des Brennstoffemissionenhandelsgesetzes (BEHG, BGBl. I, 2728) an einen anderen Unternehmer.
 
Vorsteuerabzug: 
  • Die Vorsteuerpauschalierung nach allgemeinen Durchschnittsätzen (§ 23 UStG) ist ab 01.01.2023 gestrichen. Damit entfallen auch die §§ 69–70 UStDV und die Anlagen hierzu. 
  • Bei der Vorsteuerpauschalierung für bestimmte Umsätze von gemeinnützigen Körperschaften (§ 23a UStG) erhöht sich die Grenze von EUR 35.000 auf EUR 45.000.
 
Aufzeichnungspflichten: 
  • Die Richtlinie 2020/284 zur Einführung bestimmter Anforderungen für Zahlungsdienstleister wird durch einen neu ergänzten § 22g UStG ab 01.01.2024 umgesetzt.
 
Welche Änderungen stehen noch aus?
Der Koalitionsvertrag ist zwischenzeitlich schon über ein Jahr alt. Folgende umsatzsteuerliche Versprechungen daraus sind noch (immer) nicht verwirklicht: 
  • Europarechtskonforme Beibehaltung der Umsatzsteuerbefreiung für gemeinwohlorientierte Bildungsdienstleistungen;
  • Weiterentwicklung der Einfuhrumsatzsteuer, um im europäischen Wettbewerb gleiche Bedingungen zu erreichen;
  • Schaffung eines endgültigen Mehrwertsteuersystems auf EU-Ebene und 
  • schnellstmögliche bundesweite Einführung eines elektronischen Meldesystems, das für die Erstellung, Prüfung und Weiterleitung von Rechnungen verwendet wird.

     
Ansprechpartner:
 
 
Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht,
Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: +49 89 217501230
 
Stand: 21.12.2022