Umsatzsteuer Newsletter 56/2020
Brexit: Versandhändler bereit?
Zum 01.01.2020 ist das Vereinigte Königreich aus der EU ausgetreten. Umsatzsteuer- und zollrechtlich gelten während der Übergangsfrist noch die EU-Regelungen. Nach aktuellem Stand endet die Übergangsfrist zum 31.12.2020. Versandhändler, die ab 01.01.2021 dorthin B2C-Lieferungen tätigen wollen, müssen sich eigentlich vorbereiten. Es ist aber noch lange nicht alles klar. Unabhängig davon, ob das Vereinigte Königreich die EU mit oder ohne Deal verlässt, lassen sich jedoch bereits einige Informationen konkretisieren. Was bereits getan werden kann, stellen wir Ihnen im neuen KMLZ Umsatzsteuer Newsletter vor.
1 Nordirland vs. Großbritannien
Auch wenn das Vereinigte Königreich (UK) insgesamt aus der EU ausgetreten ist, soll zwischen der EU und Nordirland zum 01.01.2021 noch keine Zollgrenze entstehen. Die EU-Regelungen zum Versandhandel gelten ab 2021 daher in Nordirland weiter, im restlichen UK (d.h. England, Schottland, Wales, im Folgenden „Großbritannien“) nicht. B2C-Lieferungen nach Nordirland sind weiter wie innergemeinschaftliche Versandhandelslieferungen zu behandeln. Die EU-Kommission plant, für Nordirland spezifische USt-ID-Nummern einzuführen (voraussichtlich statt Länderkennzeichen „GB“ ein „XI“). Hiergegen gibt es aber Widerstand der britischen Regierung, ohne dass bislang eine Alternative für die Abwicklung bekannt wäre.
 
2 Umsatzsteuerliche Registrierung, EORI-Nummer und Zollagent erforderlich
Ab 2021 entfällt für Großbritannien die Versandhandelsschwelle. B2C-Lieferungen unterliegen dann ab dem ersten Penny der britischen Umsatzsteuer. Versandhändler müssen daher im UK umsatzsteuerlich registriert sein. Vorhandene Registrierungen und USt-ID-Nummern bleiben aber gültig. Ob bei Nordirland noch Handlungsbedarf besteht, bleibt offen.
 
Für Zollformalitäten benötigen Versandhändler künftig eine eigene britische EORI-Nummer, die mit der britischen USt-ID-Nummer verknüpft wird. Sie kann unter diesem Link beantragt werden. Für die Erteilung beraumt der britische Fiskus HMRC ca. eine Woche an. Eine bereits vorhandene EORI-Nummer des EU-Sitzstaates gilt nur für die EU.
 
Versandhändler ohne Niederlassung im UK brauchen einen zuverlässigen Zollagenten, Spediteur oder Paketdienst, der sie bei der Einfuhrabwicklung nach Großbritannien als indirekter Vertreter unterstützt. Dieser muss im britischen Zoll-IT-System CHIEF (entspricht dem deutschen ATLAS-System) Zollerklärungen abgeben dürfen. HMRC hat hierzu eine Liste mit Zolldienstleistern veröffentlicht. Es sollten zeitnah Vereinbarungen getroffen werden, um am 01.01.2021 bereit zu sein.
 
3 Einfuhr-, Zollanmeldung und Umsatzbesteuerung
Für Versandhändler ohne britische Niederlassung ist der 01.01.2021 der Stichtag, ab dem für jede Lieferung nach Großbritannien reguläre Einfuhrabfertigungen erforderlich werden. Erleichterungen gelten nur für ansässige Unternehmen. Voraussichtlich wird die Einfuhranmeldung nicht auf die B2C-Kunden ausgelagert werden können. Die Steuer- und Zollbefreiung von Lieferungen im Wert von unter GBP 15 entfällt zum 01.01.2021. Maßgeblich wird die Grenze von GBP 135 Warensendungswert und ob Waren direkt oder über einen Online-Marktplatz vertrieben werden. 
 
a. Wertgrenze 135 GBP
Lieferungen ≤ 135 GBP sind vom britischen Zoll und der britischen Einfuhrumsatzsteuer befreit. Sie müssen dennoch bei Grenzübertritt durch den Zollagenten abgefertigt werden. Die Lieferung unterliegt dann der regulären britischen Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Lieferung mit dem geltenden britischen Steuersatz. Dem Kunden ist eine Rechnung mit britischer Umsatzsteuer unter Angabe der britischen USt-ID-Nummer auszustellen. Diese Umsätze sind wie bisher in der britischen Umsatzsteuererklärung zu erklären.
 
Lieferungen > 135 GBP müssen mit Unterstützung eines indirekten Stellvertreters zur Einfuhr angemeldet werden. Sie unterliegen den dann geltenden britischen Zollsätzen und britischer Einfuhrumsatzsteuer. Da ein Aufschubkonto für Unternehmer ohne Sitz im UK nicht verfügbar ist, sind Zollbeträge sofort fällig. Die Einfuhrumsatzsteuer wird dagegen nachgelagert im Wege des sogenannten „deferred accounting“ erhoben. Das heißt, sie ist erst in der britischen Umsatzsteuererklärung als Ausgangssteuerschuld zu melden. Es ist anzunehmen, dass der Vorsteuerabzug aus der Einfuhrumsatzsteuer gewährt wird und die Lieferung an den Kunden nach Einfuhr zusätzlich der britischen Umsatzsteuer unterliegt. Die Rechnungstellung dürfte daher wie bei den Lieferungen bis 135 GBP erfolgen müssen. 
 
Die 135-GBP-Grenze bemisst sich nicht nach Zollwerten, sondern nach dem Verkaufspreis ohne Steuer und ohne Transport- oder Versicherungskosten, sofern nicht im Verkaufspreis enthalten. Zudem ist der Wert der Warensendung maßgeblich und nicht die Einzelwarenwerte bei einer aus mehreren Gegenständen bestehenden Warensendung. Hier bleibt noch Gestaltungsspielraum. Die Grenze gilt nicht für verbrauchsteuerpflichtige Waren (Alkohol, Kaffee etc.). 
 
b. Versandhandelsumsätze über Online-Marktplätze
Beim Versandhandel über Online-Marktplätze (OMP), einschließlich der OMP, die außerhalb des UK ansässig sind, fingiert das britische Umsatzsteuerrecht ab 01.01.2021, dass der OMP in Großbritannien den B2C-Verkauf an den britischen Kunden selbst tätigt. Daher muss der OMP die Zollabfertigung der Einfuhr übernehmen, die ordnungsgemäße Rechnung an den Kunden ausstellen und die Umsatzsteuer bzw. Einfuhrumsatzsteuer in seiner eigenen britischen Umsatzsteuererklärung erklären und abführen. Er muss auch den umsatzsteuerlichen Aufzeichnungs- und Archivierungspflichten nachkommen. 
Auch für OMP gelten die Unterscheidungen nach dem Warensendungswert ≤ 135 GBP oder > 135 GBP. Zum umsatzsteuerlichen Verhältnis zwischen Versandhändler und OMP liegt noch keine explizite Aussage vor. Bei der Abwicklung solcher Verkäufe sollte mit dem jeweiligen OMP das Vorgehen geklärt werden. Viele OMP haben in diesem Zusammenhang auch schon Informationen an ihre Nutzer versendet.
 
Ansprechpartner:
 

Fresa Amthor
Rechtsanwältin, Steuerberaterin
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Stand: 23.11.2020