1 Neue Regelungen zum Kleinunternehmer wurden im JStG 2024 final beschlossen
Bislang ist die Kleinunternehmer-Regelung gem. § 19 UStG auf das Inland beschränkt. Daher müssen sich auch vergleichsweise kleine Unternehmen, sofern sie international tätig sind, mit komplexeren umsatzsteuerlichen Problemen und Fragestellungen im Ausland beschäftigen. Um den internationalen Wettbewerb zu fördern, wurde deshalb auf EU-Ebene der Art. 282 ff. MwStSystRL im Jahr 2020 neu gefasst – die Änderungen sind durch die EU-Mitgliedstaaten bis zum 01.01.2025 umzusetzen. In Deutschland regelt dies der neugefasste § 19 UStG. Zudem wird durch den neu eingefügten § 19a UStG eine Meldepflicht für angewendete Kleinunternehmerregelungen im EU-Ausland eingeführt.
2 Bisherige Regelung
Zurzeit wird die Umsatzsteuer für innerdeutsche Umsätze von im Inland ansässigen Unternehmern nicht erhoben, soweit deren Vorjahresumsatz EUR 22.000 nicht überschritten hat und der Gesamtumsatz des laufenden Jahres den Betrag von EUR 50.000 voraussichtlich nicht übersteigt. Hierbei handelt es sich um Brutto-Grenzen. Korrespondierend kann kein Recht auf Vorsteuerabzug in Anspruch genommen werden.
3 Kleinunternehmer bei Leistungsort in Deutschland – Neuregelung
Zum 01.01.2025 erhöhen sich die Schwellenwerte des Vorjahresumsatzes auf EUR 25.000 und des Gesamtumsatzes im laufenden Jahr auf EUR 100.000. Hierbei handelt es sich um Netto-Grenzen. Zudem wird auf das Erheben der Umsatzsteuer nun nicht mehr verzichtet, sondern die Umsätze sind umsatzsteuerbefreit (ohne das Recht auf Vorsteuerabzug). Es ist Vorsicht geboten: Denn während bis zum 31.12.2024 noch auf einen voraussichtlichen Jahresumsatz geschaut wird und bei dessen Überschreiten erst im Folgejahr Konsequenzen drohen, fällt der Unternehmer ab Überschreiten der Umsatzgrenze ab dem 01.01.2025 sofort aus der Kleinunternehmerregelung. Die weiteren Umsätze unterliegen dann im laufenden Jahr der Steuerpflicht.
Als weitere Neuerung können in der EU ansässige Unternehmen die Kleinunternehmerregelung in Deutschland nun auch in Anspruch nehmen, soweit im Gemeinschaftsgebiet der Vorjahresumsatz EUR 100.000 nicht überschritten hat und der Gesamtumsatz des laufenden Jahres den Betrag von EUR 100.000 nicht übersteigt. Ebenso muss eine Kleinunternehmer-Identifikationsnummer (KU-IdNr., mit Annex „EX“) des Mitgliedstaates mitgeteilt werden, welche im Zuge der EU-Kleinunternehmerregelung neu eingeführt wird.
4 Kleinunternehmer bei Leistungsort im EU-Ausland – Umsatzschwellen und Meldepflichten
Nimmt ein deutscher Unternehmer in einem anderen EU-Mitgliedstaat eine Kleinunternehmerregelung in Anspruch, muss er am Meldeverfahren nach § 19a UStG teilnehmen und erhält vom BZSt eine KU-IdNr. Hierzu
- ist die Teilnahme am Meldeverfahren über das BOP-Portal beim BZSt zu beantragen,
- darf die (doppelte) EUR-100.000-Umsatzgrenze im Gemeinschaftsgebiet nicht überschritten werden,
- müssen die Voraussetzungen des jeweiligen Mitgliedstaates zur Kleinunternehmerregelung erfüllt sein und
- darf der Unternehmer in keinem anderen Mitgliedstaat für die Kleinunternehmerregelung registriert sein.
Die Umsatzdaten sind quartalsweise an das BZSt zu melden. Wurde die EUR-100.000-Grenze im laufenden Kalenderjahr überschritten, ist das BZSt innerhalb von 15 Werktagen zu informieren und die EU-Kleinunternehmerregelung kann nicht mehr angewendet werden. Die beiden Kleinunternehmerregelungen existieren parallel. Sofern die innerdeutschen Umsätze den Betrag von EUR 100.000 nicht überschreiten, kann die inländische Kleinunternehmerregelung trotzdem weiterhin angewandt werden. Der Kleinunternehmer muss seine EU-Umsätze dann im Regelsteuerverfahren oder im OSS-Verfahren melden.
Die nationalen Schwellen variieren zwischen den EU-Mitgliedstaaten und sind nicht einheitlich festgelegt. Darüber hinaus geben vereinzelte EU-Mitgliedstaaten unterschiedliche Schwellenwerte für verschiedene Branchen vor oder setzen die EU-Kleinunternehmerregel dem Vernehmen nach nicht in nationales Recht um. Sollten die nationalen Schwellen überschritten werden, ist die Kleinunternehmerregel zwar innerhalb der EU grundsätzlich noch anwendbar, nicht jedoch im Staat der überschrittenen Umsatzschwelle.
5 Rechnungen von Kleinunternehmern
Ab dem 01.01.2025 müssen Kleinunternehmer ihre KU-IdNr. sowie einen Hinweis auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer nach § 19 UStG mit in die Rechnung aufnehmen. Ebenso sind Kleinunternehmer nicht dazu verpflichtet, E-Rechnungen auszustellen. Jedoch müssen sie E-Rechnungen empfangen können.
Problematisch ist, dass keine Möglichkeit besteht, die KU-IdNr. zu prüfen, wie es derzeit bspw. über das BZSt oder das MIAS für „normale“ Umsatzsteuer-Identifikationsnummern der Fall ist. So können etwa Empfänger von sonstigen Leistungen aus dem EU-Ausland nicht feststellen, ob das Reverse-Charge-Verfahren angewendet werden muss oder die Kleinunternehmerregel greift.
6 Fazit
Kleinunternehmer sollten vor dem Hintergrund der EU-weiten Neuregelung prüfen, ob die Anwendung der neuen EU-Kleinunternehmerregelung für sie sinnvoll ist. Einerseits lassen sich so umsatzsteuerliche Registrierungen und der korrespondierende administrative Aufwand reduzieren. Doch gleichzeitig steigt durch die nicht einheitlichen Regelungen und Schwellenwerte innerhalb der EU die Komplexität. Neue Überwachungsprozesse sind zu implementieren, um neben den internationalen Schwellenwerten auch die nationalen Schwellenwerte stetig zu überprüfen. Bei Überschreiten einzelner Schwellenwerte wird für die betroffenen Unternehmer ein steuerlicher Flickenteppich entstehen – in einigen Ländern wird das Regelbesteuerungsverfahren oder das OSS-Verfahren angewendet, in anderen die Kleinunternehmerregelung. Ob die ständige Kontrolle der Schwellenwerte und der korrekten umsatzsteuerlichen Beurteilung je Land, die technische Anpassung der Systeme sowie der administrative Aufwand in angemessenem Verhältnis zu ggf. geringfügigen Umsätzen im EU-Ausland bzw. reduzierten Registrierungen im EU-Ausland stehen, muss die Zeit zeigen.
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Stand: 28.11.2024