Umsatzsteuer Newsletter 50/2020
BMF ändert Definition für Werklieferungen – kein Steuerschuldübergang mehr für Montagelieferungen
Umsätze, bei denen der Lieferer Gegenstände zum Abnehmer transportiert und diese anschließend dort installiert, fallen nicht unter § 3 Abs. 4 UStG. Oder mit anderen Worten: Montagelieferungen sind keine Werklieferungen. Der BFH entschied bereits in 2013: Eine Werklieferung liegt nur dann vor, wenn ein fremder Gegenstand be- oder verarbeitet wird. Das BMF nimmt diese Rechtsprechung nun in den UStAE auf und sorgt damit für die lange fällige Klarstellung. Der Steuerschuldübergang nach § 13b UStG wird dadurch eingeschränkt. Ausländische Unternehmer mit Projekten in Deutschland müssen deshalb künftig prüfen, ob sie Werklieferungen oder Montagelieferungen erbringen. Letztere führen dann mangels Steuerschuldübergang spätestens ab 2021 zu einer Registrierungspflicht in Deutschland.
1 Werklieferung erfordert Be- oder Verarbeitung eines fremden Gegenstandes
Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 22.8.2013, V R 37/10) ist eine Werklieferung eine einheitliche, aus Liefer- und Dienstleistungselementen bestehende Leistung in Form der Be- und Verarbeitung eines nicht dem Leistenden gehörenden Gegenstandes. Die Be- oder Verarbeitung ausschließlich eigener Gegenstände des Leistenden kann demnach keine Werklieferung sein. Es handelt sich in diesem Fall vielmehr um eine Montagelieferung. Aus § 3 Abs. 4 UStG, der den Begriff der Werklieferung definiert, lässt sich das nicht eindeutig herauslesen. Deshalb wird in der Praxis bislang z. B. die Lieferung einer Maschine, die beim Kunden aus Einzelteilen errichtet wird, ohne dass der Kunde hierzu selbst Gegenstände beistellt, oft als Werklieferung eingeordnet, obwohl tatsächlich eine Montagelieferung vorliegt.
 
2 BMF ändert Definition für Werklieferung im UStAE
Diese Unklarheit beseitigt das BMF nun mit seinem Schreiben vom 01.10.2020. Abschn. 3.8 Abs. 1 Satz 1 UStAE wird mit Verweis auf das BFH-Urteil dahingehend ergänzt, dass eine Werklieferung nur dann vorliegt, wenn der Werkhersteller für das Werk einen fremden Gegenstand be- oder verarbeitet und dafür selbstbeschaffte (Haupt-)Stoffe verwendet. Das BMF hatte das oben genannte Urteil zwar bereits im Bundessteuerblatt II 2014 auf S. 128 veröffentlicht und damit zum Ausdruck gebracht, dass die im Urteil genannten Grundsätze über den Einzelfall hinaus allgemein angewendet werden sollen. Da aber der UStAE nicht geändert wurde, ist diese Rechtsprechung in der Praxis oft nicht berücksichtigt worden. 
 
3 Feste Verbindung mit fremdem Gegenstand gilt als Be- oder Verarbeitung
Leider fällt die Anpassung im UStAE recht kurz aus. Es fehlt eine Definition, wann ein fremder Gegenstand als be- oder verarbeitet gilt. Dies ist zum einen dann der Fall, wenn der fremde Gegenstand im Werk untergeht. Ausreichend ist jedoch auch eine feste Verbindung der vom Lieferanten beschafften Gegenstände mit dem fremden Gegenstand. Das wäre z. B. der Fall, wenn ein Gebäude auf einem Grundstück des Kunden errichtet wird oder wenn Einbauten in einem Gebäude des Kunden erfolgen. Dabei muss die Verbindung derart fest sein, dass sie nicht wieder leicht gelöst werden kann, der Gegenstand also beim Lösen zerstört, beschädigt oder verändert wird. Die Tatsache, dass der Liefergegenstand aufgrund seiner Größe und seines Gewichts nicht bewegt werden kann, führt aber nicht bereits zu einer festen Verbindung. 
 
4 Bedeutung der Unterscheidung zwischen Werk- und Montagelieferung
Für die Bestimmung des Leistungsorts ist die Unterscheidung zwischen Werklieferung und Montagelieferung unerheblich. Sowohl Werk- als auch Montagelieferungen gelten nach § 3 Abs. 7 UStG als dort erbracht, wo die Installation erfolgt. 
 
Allerdings kann der Steuerschuldübergang nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 S. 1 UStG nur für Werklieferungen zur Anwendung kommen. Weil es zu § 13b UStG keine gesonderte Definition für den Begriff der Werklieferung gibt, muss auf § 3 Abs. 4 UStG zurückgegriffen werden, vgl. Abschn. 13b.1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 3 UStAE. Hier zeigt sich die eigentliche Auswirkung der Klarstellung des BMF: Im Ausland ansässige Unternehmer, die in Deutschland Montagelieferungen ausführen, müssen sich damit hier registrieren und deutsche Umsatzsteuer berechnen. 
 
Für Zwecke eines innergemeinschaftlichen Verbringens ist dagegen keine Unterscheidung zwischen Werk- und Montagelieferungen erforderlich. Ein mit der Lieferung einhergehendes Verbringen der zu montierenden Gegenstände in das Inland muss in beiden Fällen nicht als innergemeinschaftlicher Erwerb deklariert werden, da insoweit nur eine vorübergehende Verwendung vorliegt. Abschn. 1a.2 Abs. 10 Nr. 1 UStAE limitiert die vorübergehende Verwendung dem Wortlaut nach zwar auf Werklieferungen. Art. 17 Abs. 2 Buchst. b MwStSystRL ist allerdings weiter gefasst und bezieht sich auf Art. 36 MwStSystRL, welcher neben Werklieferungen auch Montagelieferungen umfasst. Da die vorübergehende Verwendung i. S. d. § 1a Abs. 2 UStG unionsrechtskonform auszulegen ist, umfasst sie folglich auch Montagelieferungen. Eine Anpassung des UStAE auch an dieser Stelle wäre sicher hilfreich gewesen.
 
5 Hinweise für die Praxis
Das BMF-Schreiben legt eine Übergangsfrist bis 31.12.2020 fest. Demnach wird nicht beanstandet, wenn bis Ende des Jahres noch eine Werklieferung angenommen wird, auch wenn keine fremden Gegenstände be- oder verarbeitet werden. Das bedeutet, dass keine Korrekturen für die Vergangenheit erforderlich sind und auch erst ab 2021 eine andere Handhabung erfolgen muss. Dass es sich bei der Anpassung des UStAE nur um eine Klarstellung handelt und nicht um eine Rechtsänderung, wird also vom BMF großzügig ausgeklammert, um administrativen Aufwand zu vermeiden. 
 
Von der Regelung betroffen sind ausländische Unternehmer mit Projekten in Deutschland und ihre Kunden, die künftig unterscheiden müssen. Deutsche Unternehmer mit Projekten im Ausland sind hingegen nicht betroffen, da es im Ausland andere Regelungen gibt, sowohl in Bezug auf die Definition der Werklieferung als auch zur Frage, für welche Umsätze die Steuerschuld übergeht.
 
Von der Regelung profitieren können unternehmerische Kunden, die nicht voll vorsteuerabzugsberechtigt sind. Interessant wären Konstellationen, in denen beim Lieferanten bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist, beim Kunden jedoch nicht. Der Kunde könnte seine Steuerschuld nach § 13b UStG (ohne Vorsteuerabzug) mit Verweis auf die Rechtsprechung und das BMF-Schreiben rückgängig machen, während der Lieferant aufgrund der Verjährung nicht mehr Steuerschuldner werden kann.
 
 
Ansprechpartner:
 
 
Ronny Langer
Dipl.-FW (FH), Steuerberater
Tel.: +49 89 217501250
 
Stand: 05.10.2020