Umsatzsteuer Newsletter 49/2025
Tauschähnlicher Umsatz mit Nutzerdaten? Neues Arbeitspapier des Mehrwertsteuerausschusses
Digitale Geschäftsmodelle stellen das Umsatzsteuerrecht vor neue Herausforderungen: Sind scheinbar kostenlose IT-Dienstleistungen wirklich umsonst – oder zahlen wir mit unseren Daten? Dann könnte ein der Umsatzsteuer unterliegender Leistungsaustausch vorliegen. Ein aktuelles Arbeitspapier des EU-Mehrwertsteuerausschusses bringt weitere Klarstellungen zu den bestehenden Leitlinien und zeigt auf, wann ein direkter Zusammenhang zwischen IT-Dienstleistung und der Preisgabe persönlicher Daten bestehen kann. In unserem Newsletter stellen wir Ihnen die wichtigsten Neuerungen und Hintergründe übersichtlich vor.
1 Hintergrund
Die Evolution digitaler Geschäftsmodelle stellt das Umsatzsteuerrecht laufend vor neue Herausforderungen. Vor allem die Bereitstellung von „kostenlosen“ IT-Dienstleistungen rückt immer wieder in den Fokus der Diskussion. Nutzer müssen oftmals der Verwertung und Weiterverarbeitung ihrer persönlichen Daten zustimmen, wenn sie digitale Inhalte von z. B. sozialen Netzwerken, anderen Internetdiensten oder Spieleapps nutzen wollen. Es kommt die Frage auf, ob es sich hier um einen steuerbaren tauschähnlichen Umsatz „IT-Dienstleistung gegen Nutzerdaten (bzw. das Verwertungsrecht daran)“ handelt. Die MwStSystRL gibt keinen eindeutigen Rechtsrahmen für solche Geschäftsmodelle vor. 
 
Aktuell ist ein Verfahren der italienischen Steuerbehörden gegen die Plattformbetreiber Meta, LinkedIn und X anhängig. Die Finanzbehörden haben ca. 1 Mrd. EUR Umsatzsteuer festgesetzt und die „kostenlosen Internetdienste“ der Unternehmen der Umsatzsteuer unterworfen (siehe dazu auch KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 15 | 2023).
 
Italien hat den Mehrwertsteuerausschuss um Stellungnahme gebeten. Dieser hatte in einem Arbeitspapier aus dem Jahr 2018 (Nr. 958) schon einmal einem steuerbaren Leistungsaustausch im Rahmen von IT-Dienstleistungen, die allen Nutzern unter denselben Bedingungen angeboten werden – unabhängig von Menge und Qualität der Daten, eine Absage erteilt. Ein direkter Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung soll in diesen Konstellationen nicht bestehen. Nur wenn eine Plattform die Nutzung ihrer Dienste explizit von der Freigabe bestimmter Nutzerdaten abhängig macht (z. B. je mehr freigegebene Daten, desto mehr verfügbare Funktionen), könne ein direkter Zusammenhang bestehen und eine Steuerbarkeit in Betracht kommen. Darauf aufbauend hat der Mehrwertsteuerausschuss nun in seinem Arbeitspapier aus November 2025 (Nr. 1118) weitere Kriterien zur Bewertung dieser Geschäftsmodelle entwickelt.
 
2 Arbeitspapier Nr. 1118 des Mehrwertsteuerausschuss
Es werden drei Modelle von IT-Dienstleistungen im Austausch gegen Datenverwertungsrechte kategorisiert:
 

a) Identischer Leistungsumfang unabhängig vom Umfang der Freigabe durch die Nutzer
Eine IT-Dienstleistung, die allen Nutzern den gleichen Leistungsumfang bietet, unabhängig davon, welche oder wie viele Daten preisgegeben werden, stellt keinen steuerbaren tauschähnlichen Umsatz dar. Es fehlt an einem direkten Zusammenhang. Im Rahmen dieses Anwendungsfalles erhält der Nutzer immer die gleiche Leistung, unabhängig von seiner individuellen Datenfreigabe, der Intensität der Nutzung oder anderen Faktoren.

b) Variabler Leistungsumfang abhängig vom Umfang der Freigabe durch die Nutzer
Eine Einzelfallprüfung des direkten Zusammenhangs zwischen IT-Dienstleistung und der Zustimmung zur Verwertung und Weiterverarbeitung persönlicher Daten muss immer dann vorgenommen werden, wenn die nutzbaren Funktionen der Dienstleistung variieren, d. h. abhängig sind von der Freigabe der verwertbaren persönlichen Daten des Nutzers oder von bestimmten Datenschutzeinstellungen. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn eine Plattform die Nutzung einzelner Funktionen explizit an die Freigabe persönlicher Daten knüpft. Davon abzugrenzen sind rein technische Einschränkungen des Leistungsumfangs bzw. des Nutzererlebnisses, die sich ergeben, soweit bestimmte persönliche Daten nicht beigebracht werden. Das Arbeitspapier gibt hier keinen Hinweis, wie diese Einzelfallprüfung abzulaufen hat oder – falls ein steuerbarer Leistungsaustausch festgestellt wird – das Entgelt zu bemessen ist.

c) Abschluss eines Abonnements zur werbefreien Nutzung
Zahlt ein Nutzer ein Entgelt für eine (Plattform-)Leistung, liegt ein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch vor. Fraglich ist, ob eine Nutzung derselben Plattform ohne monetäre Zahlung, aber mit Zustimmung des Nutzers zur Weiterverarbeitung persönlicher Daten (IT-Dienstleistung gegen Daten), ebenfalls einen umsatzsteuerbaren Leistungsaustausch darstellt. Die Abonnementgebühr könnte als Referenzindikator für das zu besteuernde Entgelt verwendet werden. Hier weist der Mehrwertsteuerausschuss aber explizit darauf hin, dass geprüft werden muss, für welche Leistung der Abopreis bezahlt wird. Zahlt der Nutzer das Entgelt dafür, dass ihm keine personalisierte Werbung angezeigt wird, dann soll bei fehlendem monetären Entgelt wohl kein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch vorliegen. Hängt der Funktionsumfang der „kostenlosen Version“ der IT-Dienstleistung aber von den bereitgestellten Daten bzw. der Intensität ab, mit der ein Nutzer die Plattform gebraucht, ist es schwierig, den Wert der Daten jeder Person pro Monat unabhängig vom Umfang der bereitgestellten Daten zu bewerten. Dazu wird dann wiederum eine Einzelfallbeurteilung (siehe oben unter 2.) erforderlich. Dieselben Überlegungen sind im Rahmen von Freemium-Modellen anzustellen, in denen in der kostenlosen Basisversion nur eingeschränkte Leistungen verfügbar sind. Bei Abschluss eines kostenpflichtigen Abonnements werden dann erweiterte Funktionen freigeschaltet, was einer Vergleichbarkeit zur Basisversion entgegenstehen dürfte.

 
3 Folgen für die Praxis und offene Fragen
Auch nach den – nicht bindenden – Vorgaben des Mehrwertsteuerausschuss ist keine umsatzsteuerliche Schwarz-Weiß-Kategorisierung des Geschäftsmodells „IT-Dienstleistung gegen Daten“ möglich. Vielmehr müssen Unternehmer ihr eigenes Geschäftsmodell auf verschiedene Grauschattierungen hin prüfen. Hilfestellung geben dabei die drei Kategorien aus dem Arbeitspapier, auf deren Basis durchaus Anpassungen des eigenen Angebots vorgenommen werden können. Die Kategorisierung beantwortet aber nicht alle offenen Fragen, wird in Zweifelsfällen doch konsistent auf eine Einzelfallprüfung Bezug genommen. Zudem fehlt es weiterhin an einer Hilfestellung, wie das Entgelt bei einem vorhandenen steuerbaren tauschähnlichen Umsatz bestimmt werden kann.
 
Ansprechpartnerin:
 
 
Steuerberaterin, Master of Science (M.Sc.)
(Wirtschaftswissenschaften)
Telefon: +49 89 217501278
 
Stand: 10.12.2025