Umsatzsteuer Newsletter 49/2020
BMF-Schreiben zur Rückwirkung der Rechnungsberichtigung und zum Vorsteuerabzug ohne ordnungsgemäße Rechnung
Das lang erwartete BMF-Schreiben zur Rückwirkung der Rechnungsberichtigung und zum Vorsteuerabzug ohne ordnungsgemäße Rechnung ist da. Das BMF setzt darin die Rechtsprechung des EuGH in den Rs. Senatex und Barlis 06 v. 15.09.2016 und weitere nachfolgende Urteile um. Eine fehlerhafte Rechnung, die die fünf Kernmerkmale beinhaltet, kann demnach rückwirkend berichtigt werden. In vermeintlichen § 13b UStG-Fällen ist auch ein rückwirkender Steuerausweis möglich. Einer Rechnungsberichtigung durch Stornierung und Neuerteilung kommt ebenfalls Rückwirkung zu. Auch ohne Rechnungsberichtigung ist der Vorsteuerabzug aus einer fehlerhaften Rechnung möglich, wenn der Unternehmer anderweitig objektive Nachweise erbringt. Der Steuerausweis in der Rechnung ist für das BMF jedoch so elementar, dass er nicht durch anderweitigen Nachweis ersetzt werden kann. Ein Vorsteuerabzug ohne Rechnung bleibt hingegen ausgeschlossen.
1 Hintergrund
Seit den Entscheidungen des EuGH vom 15.09.2016 in den Rs. Senatex (C-518/14) und Barlis 06 (C-514/16) gab es mehrere Entwürfe eines entsprechenden BMF-Schreibens. Aufgrund der stetigen Weiterentwicklung der Rechtsprechung mussten diese Entwürfe mehrfach überarbeitet werden. Am 18.09.2020 hat das BMF schließlich sein Schreiben veröffentlicht.
    
2 Inhalt des BMF-Schreibens
Die wesentlichen Inhalte des BMF-Schreibens sind wie folgt: 
 
  • Unterscheidung zwischen formellen und materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs
Zunächst unterteilt das BMF die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs in formelle und materielle. Materielle Voraussetzungen sind, dass ein Unternehmer von einem anderen Unternehmer eine Leistung für Zwecke seiner besteuerten Umsätze bezieht. Formelle Voraussetzung ist hingegen der Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung. Doch bereits hier macht das BMF eine Ausnahme: Der Besitz einer Rechnung, die eine Steuerbelastung offen ausweist, sei zugleich materielle Voraussetzung. Grund: Die Angabe der Steuerbelastung sei essentiell für den Gleichlauf der Steuerbelastung beim Leistenden und des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger. Ein Vorsteuerabzug ganz ohne Rechnung kommt für das BMF nicht in Betracht.
 
  • Vorsteuerabzug ohne ordnungsgemäße Rechnung / Objektivnachweis
Der Rechnung kommt Kontrollfunktion zu. Erfüllt eine Rechnung nicht alle formellen Voraussetzungen und ist sie auch nicht berichtigt, kommt der Vorsteuerabzug dennoch in Betracht. Der Leistungsempfänger kann objektive Nachweise erbringen. Die Nachweise sollen der Verwaltung eine leichte und zweifelsfreie Feststellung der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs ermöglichen. Zweifel gehen zu Lasten des Leistungsempfängers. Das BMF sieht es jedoch beim Steuerausweis strenger: Der Nachweis der Steuerbelastung des Leistenden kann nur durch Vorlage einer Rechnung oder deren Kopie erfolgen, die die Steuerbelastung offen ausweist. Andernfalls verbleiben Zweifel, ob in dem Betrag, den der Leistungsempfänger zu zahlen hat, Umsatzsteuer enthalten ist. 
 
  • Rückwirkende Rechnungsberichtigung – auch durch Stornierung und Neuausstellung
Soweit bei einer fehlerhaften Rechnung ein Objektivnachweis nicht gelingt, kann der Leistungsempfänger eine berichtigte Rechnung nach § 31 Abs. 5 UStDV vorlegen. Möglich ist auch, dass der Rechnungsaussteller die ursprüngliche Rechnung storniert und eine neue Rechnung ausstellt. Rückwirkend berichtigungsfähig ist eine Rechnung nur, wenn sie die folgenden fünf Kernmerkmale beinhaltet: Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer. Es genügt, wenn diese Angaben in der fehlerhaften Rechnung enthalten und nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sind, dass sie fehlenden Angaben gleichstehen. Die Rückwirkung gilt sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil des Leistungsempfängers (vgl. KMLZ Umsatzsteuer-Newsletter 22/2020).
 
  • Nachträglicher Steuerausweis – Rückwirkung auch in Fällen des § 13b UStG
Enthielt eine Rechnung bisher keinen oder einen zu geringen Steuerausweis, so wirkt der spätere Steuerausweis nicht zurück. Ausnahme: Weist die Rechnung in einem vermeintlichen § 13b-UStG-Fall auf den Übergang der Steuerschuld hin, so kommt dem nachträglichen Ausweis von Umsatzsteuer doch Rückwirkung zu. Das BMF lässt also den Verweis auf § 13b UStG in der fehlerhaften Erstrechnung als Angabe der Steuerbelastung genügen. 
 
  • Vereinfachungen innerhalb eines Kalenderjahres 
Wirkt eine Rechnungsberichtigung zurück, kann auf die Korrektur von Voranmeldungen innerhalb eines Besteuerungszeitraums verzichtet werden. Die Vereinfachung gilt jedoch nicht jahresübergreifend. 
 
  • Rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO
Das BMF sieht in der Rechnungsberichtigung kein rückwirkendes Ereignis i.S.d. AO. Damit liegt das BMF auf einer Linie mit dem Entwurf des Jahressteuergesetzes (vgl. KMLZ Umsatzsteuer-Newsletter 44/2020).
 
  • Zeitlicher Anwendungsbereich 
Das BMF-Schreiben ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Bei Rechnungsberichtigungen, die bis zum 31.12.2020 übermittelt werden, sieht das BMF jedoch eine Nichtbeanstandungsregelung vor. 
 
3 Fazit 
Es ist positiv, dass nunmehr ein BMF-Schreiben die Rechtsprechung Senatex und Barlis 06 sowie weitere Entscheidungen umsetzt und damit Orientierung gibt. Zu Einzelfragen, insbesondere zur Bedeutung des Steuerausweises in der Rechnung und dem Vorsteuerabzug ohne Rechnung, bleiben jedoch unionsrechtliche Zweifel bestehen.  
 
 
Ansprechpartner:
 

Dr. Thomas Streit, LL.M. Eur.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Telefon: +49 89 217501275
thomas.streit@kmlz.de

Stand: 25.09.2020