1 Hintergrund
Das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft nach § 25b UStG (Art. 42, 197 MwStSystRL) ist eine Vereinfachungsregelung für bestimmte Reihengeschäfte. In einem Reihengeschäft muss sich der Abnehmer der warenbewegten Lieferung grundsätzlich im Bestimmungsland für Umsatzsteuerzwecke registrieren. Nutzt er eine USt IdNr., die weder aus dem Abgangs- noch aus dem Bestimmungsmitgliedstaat stammt, kann er die Registrierungspflicht im EU-Ausland vermeiden. Die Steuerschuld aus dem nachfolgenden Ausgangsumsatz im Bestimmungsland geht auf seinen Abnehmer über, und der innergemeinschaftliche Erwerb im Bestimmungsland gilt als besteuert.
So weit, so einfach. In der Praxis wird die Vereinfachungsregelung jedoch restriktiv angewandt. Die Mitgliedstaaten legen die Voraussetzungen unterschiedlich aus. Uneinheitlich ist insbesondere die Behandlung bei bestehenden Registrierungen, der Anzahl und Position der Beteiligten im Reihengeschäft sowie der Ansässigkeit in der EU. Diese Unterschiede sind für Unternehmen, die die Vereinfachungsregelung nutzen wollen, ein erhebliches Risiko. Wird die Vereinfachung versagt, greift die Erwerbsbesteuerung nach § 3d Satz 2 UStG (Art. 41 MwStSystRL) im Mitgliedstaat der verwendeten USt-IdNr.
2 Sachverhalt
Im Urteilsfall ging es um ein Reihengeschäft mit mehr als drei Parteien. Die Lieferkette umfasste – anders als beim „klassischen“ Dreiecksgeschäft mit drei Beteiligten – vier Unternehmer. Ein Unternehmer mit deutscher USt-IdNr. (A) lieferte Gegenstände an einen Unternehmer mit slowenischer USt-IdNr. (B). B lieferte die Gegenstände an einen Unternehmer mit dänischer USt-IdNr. (C). C wiederum lieferte an einen weiteren Unternehmer mit dänischer USt-IdNr. (D). Der Transport der Waren erfolgte unmittelbar aus Deutschland nach Dänemark und wurde von B organisiert und bezahlt.

Fraglich war, ob C die Gegenstände physisch empfangen musste. Das Gericht hatte auch zu prüfen, ob die Vereinfachung angewendet werden darf, wenn B an einem Steuerbetrug beteiligt ist. Denn C war ein Missing Trader.
3 Urteil
Das EuG kommt in seinem Urteil v. 03.12.2025 (T-646/24) zu dem klaren Ergebnis, dass die Vereinfachungsregelung für Dreiecksgeschäfte auch bei Reihengeschäften mit mehr als drei Parteien Anwendung finden kann, wenn die eigentlichen Voraussetzungen des Art. 141 MwStSystRL erfüllt sind. Der letzte Abnehmer im Dreiecksgeschäft braucht nicht identisch mit dem letzten Abnehmer im Reihengeschäft zu sein. Entscheidend für die Anwendung der Vereinfachungsregelung ist die Verschaffung der Verfügungsmacht in der Kette. Es kommt nicht darauf an, dass der Unternehmer die Gegenstände physisch in Besitz nimmt, sondern dass er rechtlich in der Lage ist, über die Waren zu verfügen und sie beispielsweise weiterzuverkaufen. Die Anwendung der Vereinfachungsregelung scheidet nur aus, wenn der Erwerber (B) wusste oder hätte wissen müssen, dass er mit seinem Umsatz an einem Missbrauch des Mehrwertsteuersystems mitgewirkt hat.
4 Folgen für die Praxis
Es gibt noch nicht allzu viele Urteile des EuG seit dem Zuständigkeitswechsel der Gerichte auf EU-Ebene. Dieses Urteil hat es aber gleich insbesondere für die deutsche Finanzverwaltung in sich: Es spricht eindeutig der im Abschn. 25b Abs. 2 UStAE vertretenen Ansicht die rechtliche Grundlage ab. Aktuell versagt die deutsche Finanzverwaltung die Anwendung eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts, wenn dieses nicht unter den letzten drei Beteiligten abgewickelt wird. Dies hat zur Folge, dass Abnehmer der bewegten Lieferung, die sich an einer anderen Stelle in einem Reihengeschäft befinden und unter ihrer deutschen USt-IdNr. auftreten, in Deutschland mit Straferwerbsteuer belastet werden. Die Straferwerbsteuer wird nur dann zurückgenommen, wenn der Unternehmer nachweist, dass er den Erwerb im Bestimmungsland besteuert hat. Dies führt regelmäßig mindestens zu einem Zinsschaden und einigem Verwaltungsaufwand. Für den Unternehmer kann diese Vorgehensweise aber auch eine endgültige Belastung bedeuten, nämlich wenn der Bestimmungsmitgliedstaat das Dreiecksgeschäft anerkennt und keine Registrierungsmöglichkeit für B vorsieht. In diesem Fall kann B den befreienden Nachweis der Besteuerung mangels Registrierung nicht führen. Betroffene Unternehmen sollten gegen nicht bestandsfähige Steuer- und Zinsfestsetzungen vorgehen.
Das EuG führt aus, dass die Anwendung der Vereinfachungsregelung dennoch ausscheidet, wenn der begehrende Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass er an einer Steuerhinterziehung beteiligt ist. Da hierdurch der Neutralitätsgrundsatz verletzt wird, fällt Straferwerbsteuer an. Neben der Notwendigkeit einer Überprüfung der Geschäftspartner (etwa im Rahmen eines TCMS) wird die Bedeutung der Abgabe von richtigen ZM aufgezeigt. Unternehmen sollten daher unbedingt ihre Prozesse überprüfen.
Ansprechpartner:

Dipl.-Wirtschaftsjurist (Univ.), Steuerberater
Tel.: +49 89 217501253
Stand: 08.12.2025