Umsatzsteuer Newsletter 47/2019
Gesetzliche Neuregelung der Umsatzsteuerbefreiung für Privatkliniken
Der Bundesrat hat letzten Freitag dem Jahressteuergesetz 2019 (unter anderem Namen) zugestimmt. Damit hat er die Umsatzsteuerbefreiung für Behandlungen in Privatkliniken in das deutsche Umsatzsteuergesetz übernommen. Die Regelung ist ab 01.01.2020 anwendbar. Privatkliniken sollten daher rasch prüfen, ob sie die im Gesetz genannten Voraussetzungen erfüllen.
1 Hintergrund
 
Bisher sah das deutsche Umsatzsteuergesetz für Heilbehandlungsleistungen von Privatkliniken die Umsatzsteuerpflicht vor. Anders lautete seit jeher die Regelung im europäischen Recht. Daher hatte der BFH als höchstes deutsches Finanzgericht im Jahr 2015 entschieden, dass Privatkliniken sich unmittelbar auf das europäische Recht berufen können (vgl. KMLZ-Newsletter 09/2015). Wenn die dort geregelten Voraussetzungen vorliegen, können Privatkliniken ihre Leistungen als umsatzsteuerfrei behandeln. Folge dieser Rechtsprechung waren viele Streitigkeiten zwischen Privatkliniken, der Steuerverwaltung und zum Teil den privaten Krankenversicherungen, ob denn die Voraussetzungen der Steuerbefreiung jeweils erfüllt sind oder nicht. Dazu hat zuletzt der BFH entschieden, dass für die Umsatzsteuerbefreiung vor allem die Voraussetzungen der Zulassung als Plankrankenhaus mit Ausnahme des Bedarfs vorliegen müssen (§ 109 Abs. 3 SGB V). 
 
2 Gesetzliche Neuregelung
 
Am 29.11.2019 hat der Bundesrat jetzt einer gesetzlichen Neuregelung zugestimmt. Der Gesetzgeber übernimmt die Umsatzsteuerbefreiung für Privatkliniken in das deutsche Recht. Nach dem neu gefassten § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG sind Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen eines Krankenhauses, das keine Einrichtung des öffentlichen Rechts oder nach § 108 SGB V zugelassen ist (= Privatklinik), steuerfrei, wenn:
 
  •  das Leistungsangebot der Privatklinik demjenigen zuvor genannter Krankenhäuser entspricht und
  • die Kosten in voraussichtlich mindestens 40 % der jährlichen Belegungs- oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz oder der Bundespflegesatzverordnung berechnet wurde.
 
Diese zum 01.01.2020 in Kraft tretende gesetzliche Neuregelung entspricht dem Inhalt nach einer aktuellen Regelung der Finanzverwaltung, anhand derer das Finanzamt (nicht aber die Finanzgerichte) bisher die Steuerbefreiung nach europäischem Recht prüft. Der Gesetzgeber übernimmt damit die vom BMF zuletzt geforderten Voraussetzungen. 
 
3 Praxisfolgen
 
Künftig werden bei einer Privatklinik, neben der medizinischen Indikation der Behandlung, die beiden oben in den Spiegelstrichen genannten Voraussetzungen zu prüfen sein, um zu klären, ob die betreffende Klinik steuerfreie Leistungen erbringt. Dabei ist zu beachten, dass die Privatklinik gegenüber dem Finanzamt das Vorliegen der genannten Voraussetzungen nachweisen muss. Die erste Voraussetzung – Leistungen, die denen eines Plankrankenhauses entsprechen (personelle, räumliche und medizinisch-technische Ausstattung) – dürfte bei Heilbehandlungsleistungen zumeist vorliegen und unproblematisch zu belegen sein. 
 
Schwieriger dürfte es mit der Prüfung und Erfüllung der 40%-Quote werden. Hier geht es um die Frage, in welchen Fällen ein Entgelt höher ist als dasjenige für allgemeine Krankenhausleistungen. Grundsätzlich rechnen Plankrankenhäuser DRG-Fallpauschalen auf Grundlage eines landeseinheitlichen Basisfallwerts ab. Daneben erhalten sie leistungsunabhängig Investitionskosten im Wege öffentlicher Förderung. Da Privatkliniken diese leistungsunabhängige Investitionsförderung nicht erhalten, ist der von ihnen abgerechnete Betrag allein deshalb oftmals höher (durch einen höheren Basisfallwert). Sie müssen die Investitionen mit erwirtschaften. Diese unterschiedliche Fördersituation darf den Privatkliniken bei der Ermittlung der Quote nicht zum Nachteil gereichen. Soweit Privatkliniken in einer den DRG-Fallpauschalen entsprechenden Art und Weise abrechnen, ist dieser Gesichtspunkt beim Vergleich der Entgelthöhe zu berücksichtigen. 
 
Weiterhin sind Entgelte für Wahlleistungen bei der Quotenbildung einzubeziehen. Nach der erwähnten Regelung der Finanzverwaltung kommt es insoweit darauf an, ob das Entgelt für Wahlleistungen in einem angemessenen Verhältnis zu den erbrachten Leistungen steht. Es spricht viel dafür, dass die Finanzverwaltung diesen Ansatz auf die gesetzliche Neufassung überträgt. Geklärt werden muss dann natürlich, was „angemessen“ ist. In der Praxis wird es hier sicher oftmals auf einen Vergleich mit den Preisen von Plankrankenhäusern für entsprechende Wahlleistungen hinauslaufen.
 
Eine genaue Prüfung der Steuerbefreiung bietet sich für Privatkliniken aus unterschiedlichen Gründen an. Zunächst ist die Steuerbefreiung für die Preiskalkulation wichtig: Sind die Behandlungen steuerfrei, muss die Privatklinik die Umsatzsteuer nicht in ihr Entgelt einkalkulieren. Sind sie hingegen steuerpflichtig, besteht immerhin das Recht auf Vorsteuerabzug. Andererseits kam es in der Vergangenheit vor, dass private Krankenversicherungen die Erstattung von Umsatzsteuer, die Privatkliniken in der Rechnung ausgewiesen hatten, verweigerten (sehr zum Ärger der Patienten). Dies droht durch die Neuregelung umso mehr in der Zukunft. Ein Umsatzsteuerausweis in der Rechnung sollte daher nur dann erfolgen, wenn die Privatklinik sich diesbezüglich ganz sicher ist. Im Zweifel sollte sie den Umsatzsteuerausweis besser unterlassen.
 
Ansprechpartner:
 

Dr. Michael Rust
Rechtsanwalt
Tel.: +49 89 217501274
michael.rust@kmlz.de


Stand: 03.12.2019