Umsatzsteuer Newsletter 46/2020
BFH verfestigt seine restriktive Auffassung zu Fragen der rückwirkenden Rechnungsberichtigung
Der BFH verfestigt seine restriktive Auffassung zu Fragen der rückwirkenden Rechnungsberichtigung. In Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung geht er davon aus, dass eine Rechnung zwingende Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist. Überdies bleibt er bei seiner Auffassung, dass eine mit Rückwirkung berichtigungsfähige Rechnung weiterhin fünf Mindestangaben voraussetzt. Zu diesen zählt auch die Leistungsbeschreibung, mit der die über das Dokument abgerechnete Leistung identifizierbar sein muss.
1 Sachverhalt
Zu folgendem Sachverhalt hat der BFH (Urt. v. 12.03.2020 – V R 48/17) entschieden: Die Klägerin (Kl.) hat aus einem als Credit Note (Gutschrift) bezeichneten Abrechnungsdokument vom 07.12.2005 Vorsteuer gezogen. Der Gegenstand der Abrechnung war mit „Transfer Sum November 2005“ beschrieben. Als Anlage übermittelte die Kl. einen „Accounting Report“, in dem die Nettoumsätze aus den verkauften Softwareprodukten unter „Sales Products“ (Produktverkäufe) in einer Summe zusammengefasst waren. Nach einer betriebsinternen Prüfung übermittelte die Kl. die Credit Note am 26.04.2011 erneut. Diesmal legte sie eine Auflistung der erworbenen Software bei (Berichtigungsversuch). Anschließend gab die Kl. eine berichtigte Umsatzsteuererklärung ab, in der sie keine Vorsteuern mehr beanspruchte, und legte gegen diese berichtigte Erklärung Einspruch ein. Stattdessen machte die Kl. eine auf das Streitjahr (2005) rückwirkende Berichtigung der Credit Note geltend. Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Das FG hingegen vertrat die Ansicht, die Kl. habe die ungenaue Leistungsbeschreibung mit Rückwirkung auf das Streitjahr berichtigen können. Der BFH hob das Urteil des FG jedoch auf und wies die erstinstanzliche Klage ab. Das FG habe zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen für eine rückwirkende Rechnungsberichtigung und damit den Abzug der Vorsteuer aus der Credit Note vom 07.12.2005 für das Streitjahr bejaht.
 
2 Rechtliche Würdigung des BFH
Nach Auffassung des BFH handelt es sich bei der ursprünglichen Credit Note nicht um eine Rechnung nach § 14 UStG. Die solchen Rechnungen vorbehaltene rückwirkende Berichtigungsfähigkeit scheide daher aus. Es fehle an der nach § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 UStG erforderlichen Leistungsbeschreibung. Diese sei aber eine Mindestanforderung für die Annahme einer Rechnung. Damit sei die Credit Note als bloßes Abrechnungsdokument nicht rückwirkend berichtigungsfähig (vgl. hierzu im Allgemeinen KMLZ Newsletter 01 | 2017). Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG muss sich aus der Leistungsbeschreibung die Art und Menge der gelieferten Gegenstände oder der Umfang und die Art der sonstigen Leistung ergeben. Der BFH folgert hieraus, dass eine Rechnung Angaben tatsächlicher Art zur Identifizierung der abgerechneten Leistung enthalten muss. Die abgerechnete Leistung müsse anhand der Leistungsbeschreibung eindeutig und leicht nachprüfbar festzustellen sein. Die konkreten Anforderungen an die Leistungsbeschreibung seien hierbei einzelfallabhängig. In Abgrenzung dazu liege dann keine Leistungsbeschreibung vor, wenn die Angaben in hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sind. Dies sei der Fall, wenn sie keinerlei Anhaltspunkte für die Art der Leistung enthalten. Die gegenständliche Wortfolge „Transfer Sum November 2005“ sei derart unbestimmt, dass sie einer fehlenden Angabe gleichstehe. Sie liefere keinerlei Anhaltspunkte für Art – körperliche Gegenstände, nicht verkörperte Werke oder Dienstleistungen – oder Menge der verkauften Produkte. 
 
Über diese Unbestimmtheit vermöchten in dem zugrunde liegenden Sachverhalt auch die Angaben im beigefügten, vom Steuerpflichtigen beigebrachten Accounting Report („Produktverkäufe“) sowie die der Finanzverwaltung sonst bekannten Umstände nicht hinwegzuhelfen – auch wenn diese nach Auffassung des BFH aufgrund der Entscheidung des EuGH, Urt. v. 15.09.2016 – C-516/14, Barlis 06 ausdrücklich zu berücksichtigen sind (vgl. hierzu KMLZ Newsletter 27 | 2016 sowie 24 | 2018). Daneben führt der BFH aus, dass das EuGH-Urteil vom 21.11.2018 – C-664/16, Vădan – entgegen vieler Stimmen in der Literatur (vgl. KMLZ Newsletter 50 | 2018) keine Aussagen zu der Entbehrlichkeit einer Rechnung oder bestimmter Rechnungsinhalte treffe. Vielmehr bestätige die Entscheidung die Bedeutung einer Rechnung oder anderer Abrechnungsunterlagen für das Recht auf Vorsteuerabzug.
 
3 Folgen für die Praxis
Die Entscheidung hat eine zentrale Bedeutung für die Praxis. Der BFH geht in Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung – und entgegen zahlreichen anderslautenden Meinungen, die in der Literatur im Hinblick auf die EuGH-Entscheidung Vădan vertreten werden – davon aus, dass eine Rechnung zwingende Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist. Überdies bleibt er bei dem restriktiven Verständnis, dass nicht jedes Abrechnungspapier eine Rechnung darstellt. Eine berichtigungsfähige Rechnung liege nur dann vor, wenn ein Dokument Angaben zu Rechnungsaussteller, Leistungsempfänger, Leistungsbeschreibung, Entgelt und gesondertem Umsatzsteuerausweis enthält. Dabei muss anhand der Leistungsbeschreibung die Leistung, über die das Dokument abrechnet, identifizierbar sein. Enthält die Leistungsbeschreibung jedoch nur eine völlig unbestimmte Wortfolge, aus der sich keine bestimmte Leistung ableiten lässt, kommt dies einem Fehlen der Leistungsbeschreibung gleich. Eine rückwirkende Berichtigung ist dann nicht möglich. Dabei bleiben die konkreten Kriterien für die Abgrenzung zwischen hinreichend konkretisierter – und damit „berichtigungsfähiger“ – Leistungsbeschreibung einerseits und einer zu abstrakten – und damit „berichtigungsunfähigen“ – Leistungsbeschreibung andererseits weiter offen. Ebendiese Frage wird wohl zukünftig in den Betriebsprüfungen oftmals Streitpunkt sein. Daher ist im Rahmen der Rechnungsstellung weiter ein besonderes Augenmerk auf die Leistungsbeschreibung zu richten. 
 
Für den Fall, dass die Finanzverwaltung bei einer zumindest hinreichenden – jedoch nicht ausreichenden – Leistungsbeschreibung den Vorsteuerabzug versagt, sind die notwendigen Informationen beizubringen. Denn vor diesem Hintergrund ist zumindest positiv zu bewerten, dass der BFH es im Sinne von Barlis 06 weiterhin genügen lässt, wenn die Steuerbehörde über alle notwendigen Informationen verfügt, um zu prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts zum Vorsteuerabzug vorliegen. Zudem ist in diesem Fall der Weg der rückwirkenden Rechnungsberichtigung gangbar.
 
Ansprechpartner:
 

Dr. Jochen Tillmanns
Rechtsanwalt, Dipl.-Finanzwirt (FH)
Tel: +49 211 54 095 381
E-Mail: jochen.tillmanns@kmlz.de
 

Stand: 28.08.2020