Umsatzsteuer Newsletter 42/2022
Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Grundstücken
Das BMF setzt mit Schreiben vom 20.10.2022 zur Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG bei gemischt genutzten Gebäuden die seit 2013 immer weiter entwickelte Rechtsprechung des BFH um und bindet damit die Finanzverwaltung an die richtlinienkonforme Auslegung des BFH. Ein für die Praxis wichtiger Schritt. Die Vorsteueraufteilung richtet sich nach einem wirtschaftlich sachgerechten Aufteilungsschlüssel, welcher durch den Steuerpflichtigen bestimmt und gewählt werden kann. Der Finanzverwaltung wird dabei nur ein eingeschränkter Überprüfungsmaßstab zugestanden.
1 Hintergrund
Bei der Errichtung von Gebäuden ist eine direkte Zuordnung der Kosten – im Gegensatz zu bloßen Erhaltungsaufwendungen – zu den für steuerpflichtige oder steuerfreie Ausgangsleistungen verwendeten Flächen in der Praxis nahezu unmöglich. Bei Anschaffungs- und Herstellungskosten eines gemischt genutzten Gebäudes ermittelt sich die abziehbare Vorsteuer deshalb anhand der prozentualen Verwendungsverhältnisse des Gesamtgebäudes. Die Wahl des geeigneten Aufteilungsmaßstabs war dabei immer wieder streitig. Während der BFH – in Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung – seit 2013 im Wege der richtlinienkonformen Auslegung nach und nach klare Vorgaben zur Ermittlung der Vorsteueraufteilung gemäß § 15 Abs. 4 UStG entwickelt hat (vgl. KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 35│2013 und 06│2021), reagierte die Finanzverwaltung nicht und vertrat eine in vielen Fällen ungünstigere Methode der Vorsteueraufteilung. Nun setzt das BMF mit dem Schreiben vom 20.10.2022 die langjährige BFH-Rechtsprechung um.
 
2 Inhalt des BMF-Schreibens
Zunächst erläutert das BMF den Stand der Rechtsprechung im Detail und leitet daraus dann die möglichen Aufteilungsschlüssel für die auf die Anschaffung oder Herstellung entfallenden Vorsteuerbeträge ab. Diese sind weiterhin einheitlich in einen abziehbaren und nicht abziehbaren Teil aufzuteilen (sog. Eintopf-Theorie). Die (neuen) Grundsätze der Finanzverwaltung aus dem BMF-Schreiben werden insbesondere in Abschn. 15.17 Abs. 7 UStAE eingefügt.
 
Die Vorsteueraufteilung muss anhand eines sachgerechten Aufteilungsschlüssels erfolgen. Kommt neben dem Gesamtumsatzschlüssel noch ein anderer Aufteilungsschlüssel in Betracht, ist dieser anzuwenden, wenn er ein präziseres Ergebnis liefert. In Betracht kommen insbesondere: ein (objektbezogener) Flächenschlüssel, ein objektbezogener Umsatzschlüssel, ein Schlüssel nach dem umbauten Raum oder weitere sachgerechte Aufteilungsschlüssel im Einzelfall (z. B. Nutzungszeiten).
 
Kommen neben dem Gesamtumsatzschlüssel mehrere andere wirtschaftlich präzisere Aufteilungsschlüssel in Frage, ist nicht zwingend die präziseste Methode anzuwenden. Die Auswahl der anzuwendenden Methode obliegt in diesen Fällen dem Steuerpflichtigen. Das Finanzamt kann lediglich prüfen, ob die Methode sachgerecht ist.
 
  • Flächenschlüssel
Grundsätzlich erfolgt die Vorsteueraufteilung nach einem objektbezogenen Flächenschlüssel, da dieser im Vergleich zum Gesamtumsatzschlüssel regelmäßig die wirtschaftlich präzisere Aufteilungsmethode darstellt. Dabei ist die Flächenberechnung nach den Gebäudeinnenflächen vorzunehmen, ohne dabei z. B. Außenstellplätze miteinzubeziehen. Daneben zeigt das BMF-Schreiben Details zur Ermittlung des Flächenschlüssels auf und schließt weitere anerkannte Methoden zur Flächenberechnung nicht aus. Letztlich muss die Berechnung sachgerecht sein.
 
  • Objektbezogener Umsatzschlüssel
Ein objektbezogener Umsatzschlüssel kommt nicht per se in Betracht, sondern nur unter den vom BFH in seiner bisherigen Rechtsprechung (BFH, Urt. v. 07.05.2014 – V R 1/10; BFH, Urt. v. 03.07.2014 – V R 2/10) aufgestellten Voraussetzungen. Der objektbezogene Umsatzschlüssel ist grundsätzlich dann sachgerechter und wirtschaftlich präziser als der Flächenschlüssel, wenn die Ausstattungen der unterschiedlich genutzten Räume erheblich voneinander abweichen. Nur ausnahmsweise kann in solchen Fällen nach dem Gesamtumsatzschlüssel aufgeteilt werden, z. B. bei Verwaltungsgebäuden, wenn diese den Umsätzen des gesamten Unternehmens dienen. Erfreulicherweise nennt das BMF dem Steuerpflichtigen Indizien, wann erhebliche Unterschiede in der Ausstattung (nicht) gegeben sind. 
 
  • Umbauter Raum
Die Vorsteueraufteilung nach dem umbauten Raum wird als weitere sachgerechte und gegenüber dem Gesamtumsatzschlüssel wirtschaftlich präzisere Methode für die Fälle angeführt, in denen erhebliche Abweichungen in der Geschosshöhe bestehen, die Gebäudeteile aber ansonsten keine erheblichen Unterschiede in der Ausstattung aufweisen.
 
  • Zuordnung
Die vorstehenden Grundsätze sind hinsichtlich der Zuordnung eines gemischt genutzten Grundstücks zum Unternehmen entsprechend anzuwenden (vgl. Abschn. 15.2c Abs. 8 UStAE).
 
3 Anwendungsbereich
Das BMF-Schreiben ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird nicht beanstandet, wenn sich Unternehmer vor der Veröffentlichung dieses Schreibens zulässigerweise auf die Regelungen in der bisherigen UStAE-Fassung berufen haben.
 
4 Bedeutung für die Praxis
Das BMF-Schreiben ist zu begrüßen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass nunmehr auch die Finanzverwaltung den unterschiedlichen Ausstattungen Rechnung trägt und damit in der Regel entsprechende verursachungsgerechtere Vorsteueraufteilungen leichter durchsetzbar sein werden. Im Ergebnis ist dem Steuerpflichtigen jetzt die Möglichkeit eröffnet, den für ihn günstigsten Aufteilungsschlüssel in Anspruch zu nehmen, wobei der Finanzverwaltung im Rahmen der Überprüfung nur ein begrenzter Spielraum zugestanden wird. Die Bindung über den UStAE schafft zudem Rechtsklarheit für die Steuerpflichtigen.
 
Ansprechpartner:
 

Dr. Jochen Tillmanns
Rechtsanwalt, Dipl.-Finanzwirt (FH)
Tel: +49 211 54 095 381
E-Mail: jochen.tillmanns@kmlz.de

Stand: 26.10.2022