Umsatzsteuer Newsletter 41/2023
EuGH zum Nachweis der Steuerbefreiung für Beförderungsleistungen
In der Vergangenheit hatte der EuGH bereits darüber entschieden, welche materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung von Beförderungsleistungen an Gegenständen der Einfuhr gelten. Danach müssen die Beförderungskosten in der Bemessungsgrundlage für die Einfuhr berücksichtigt worden sein. In der nunmehr veröffentlichten Entscheidung geht es um die formell-rechtlichen Voraussetzungen. Muss er die konkreten nationalen Nachweisanforderungen in jedem Fall erfüllen oder genügt schon der Nachweis, dass die Waren in das Verfahren zur Überlassung in den freien Verkehr überführt wurden (Nachweis durch die MRN)?
1 Hintergrund
Die Nachweisvoraussetzungen für Steuerbefreiungen sind in der MwStSystRL regelmäßig mit Gestaltungsspielraum für die Mitgliedstaaten verbunden. Die Mitgliedstaaten können die Regelungen für Steuerbefreiungen so gestalten, dass sie sich korrekt und einfach anwenden lassen und Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch verhindert werden (vgl. Art. 131 MwStSystRL). Nach diesen Vorgaben sollen die Mitgliedstaaten die in Titel IX „Steuerbefreiungen“ der MwStSystRL normierten Steuerbefreiungen in nationales Recht umsetzen. In seinem Urteil vom 07.09.2023 – C 461/21, SC Cartrans Preda SRL hatte der EuGH Gelegenheit, die Anforderungen des rumänischen Gesetzgebers an die Gewährung der Steuerbefreiung für Beförderungslieferungen (vgl. Art. 144 i. V. m. Art. 86 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL), die im Zusammenhang mit einer Einfuhr stehen, zu überprüfen.
 
2 Sachverhalt
Die Klägerin SC Cartrans Preda SRL ist eine Logistikdienstleisterin mit Sitz in Rumänien, die Güterbeförderungsleistungen erbringt. Sie beförderte für einen Kunden Waren vom Hafen Rotterdam (Niederlande), wo die Waren in die Europäische Union gelangt waren, nach Cluj-Napoca (Rumänien). Für diese Güterbeförderung wollte die Klägerin von der Steuerbefreiung für Beförderungsleistungen, die sich auf Gegenstände der Einfuhr in das Gebiet eines EU-Mitgliedstaats beziehen, Gebrauch machen und rechnete ohne Umsatzsteuer ab (vgl. Art. 294 Abs. 1 Buchst. d) des rumänischen Steuergesetzbuchs). Zum Nachweis der Steuerbefreiungsvoraussetzungen sieht das rumänische Mehrwertsteuerrecht spezifische Dokumente vor, die allesamt vorzuhalten sind (Art. 294 Abs. 1 Buchst. d) des rumänischen Steuergesetzbuchs). Die Klägerin hielt für den Nachweis jedoch lediglich den CMR-Frachtbrief, die MRN-Nummer, das Versandbegleitdokument, die Rechnung und den Beförderungsvertrag vor. Nach einer Betriebsprüfung verweigerte die rumänische Steuerverwaltung nachträglich die Steuerbefreiung für die Beförderungsleistung, da die im rumänischen Steuerrecht vorgeschriebenen Nachweisdokumente nicht vorlagen. Die Klägerin argumentierte dagegen, sie habe anhand der eingereichten Belege den Nachweis erbracht. Ferner ergäbe sich die Einbeziehung der Beförderungskosten in der Einfuhrumsatzsteuer bereits aus der Durchführung der Einfuhrumsatzbesteuerung.
 
3 Entscheidung des EuGH
Der EuGH stellt in seinem Urteil heraus, dass für die in Art. 144 MwStSystRL normierte Steuerbefreiung für Beförderungsleistungen, die sich auf Gegenstände der Einfuhr beziehen, lediglich zwei materielle Voraussetzungen vorliegen müssen: Zum einen muss die Leistung mit der Einfuhr des betreffenden Gegenstands in Zusammenhang stehen. Zum anderen muss der Wert dieser Leistung in der Steuerbemessungsgrundlage der Einfuhrumsatzsteuer für den Gegenstand enthalten sein (vgl. Art. 86 Abs. 1 Buchst. a und b MwStSystRL). 
 
Nach dem Urteil des EuGH ist anhand geeigneter Nachweise zu belegen, dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung erfüllt sind. Bereits in seiner Entscheidung in der Rechtssache Cartrans Spedition aus 2018 (EuGH-Urteil v. 08.11.2018, C 495/17) hatte der EuGH die Grundsätze zum Umgang mit Nachweisvoraussetzungen der Steuerbefreiung bei Ausfuhrlieferungen dargelegt (siehe hierzu KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 27/2020). Diese Grundsätze wendet der EuGH, unter Verweis auf diese Entscheidung, nunmehr auch auf Beförderungsleistungen im Zusammenhang mit der Einfuhr an (vgl. Rn. 35 des Urteils). Gleichwohl betont der EuGH in seiner neuen Entscheidung, dass ein Nachweis über die Registrierung des Einfuhrumsatzes (also die MRN-Nummer) allein nicht ausreicht, um die Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage der Einfuhr zu belegen (vgl. Rn. 34 des Urteils). Dennoch dürfen die Mitgliedstaaten die Nachweisführung nicht nur mit bestimmten Belegen zulassen. Vielmehr sind auch die von der Klägerin eingereichten Belege des Importeurs der Waren zu berücksichtigen (CMR-Frachtbrief, Versandbegleitdokument, Rechnung und Beförderungsvertrag). Der EuGH bestätigt in dem Urteil insbesondere seine bisherige Rechtsprechung, wonach die Steuerbefreiung zu gewähren ist, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Auf das Vorliegen eines bestimmten formalen Nachweises darf es dann nicht ankommen. Eine Versagung der Steuerbefreiung ist laut der Entscheidung nur dann möglich, wenn anhand der Belege nicht überprüft werden kann, ob ein Zusammenhang zwischen der Beförderungsleistung und der Einfuhr besteht und ob die Beförderungskosten in die Bemessungsgrundlage der Einfuhrumsatzsteuer einbezogen wurden (Rn. 51 des Urteils).
 
4 Bewertung
Der EuGH bleibt in Bezug auf die Bedeutung formell-rechtlicher Nachweise seiner Linie treu und bestätigt das Prinzip „Substance over Form“. Der Grundsatz der Neutralität gebietet es, Mehrwertsteuerbefreiungen zu gewähren, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Hierfür darf kein bestimmter – wenn auch im nationalen Recht vorgeschriebener – formeller Nachweis verlangt werden. Dennoch empfiehlt es sich, bei der Nachweisführung nach Möglichkeit die nationalen gesetzlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Das hilft in der Praxis, die Steuerbefreiung ohne große Widerstände der nationalen Finanzverwaltung durchzusetzen und aufwändige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. 
Auch das deutsche Gesetz fordert einen Nachweis dafür, dass die Kosten für die Beförderungsleistung Teil der Bemessungsgrundlage für die Einfuhr sind (§ 20 Abs. 2 und 3 UStDV). Allerdings verlangt weder das Gesetz noch die Finanzverwaltung für den Nachweis eine bestimmte Form (Abschn. 4.3.3 Abs. 4 UStAE). Kann der Nachweis in keiner Form erbracht werden, sollte im Zweifel mit Steuerausweis abgerechnet werden.
 
Ansprechpartner:

Dr. Christian Salder
Rechtsanwalt, Steuerberater,
Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: +49 89 217501285
christian.salder@kmlz.de

Stand: 04.10.2023