Umsatzsteuer Newsletter 41/2022
EuGH: Unterbeteiligung an Darlehensforderungen ist steuerfreie Kreditgewährung
Der Begriff der Kreditgewährung ist für Zwecke der Umsatzsteuerbefreiung weit auszulegen. Dies bestätigt der EuGH mit seinem Urteil zur Umsatzsteuerbefreiung von Unterbeteiligungen an Darlehensforderungen. Darin nimmt der EuGH, trotz des zugrunde liegenden speziellen Finanzinstruments, in erfreulicher Klarheit mit Aussagen allgemeiner Natur zu den Anforderungen an eine steuerbefreite Kreditgewährung Stellung. Somit entwickelt der EuGH die in seiner bisherigen Rechtsprechung manifestierte weite Begriffsauslegung fort.
1 Hintergrund
Finanzierungsleistungen sind in unserem Leben allgegenwärtig und kommen in verschiedensten Formen vor. Bei der umsatzsteuerlichen Bewertung stellt sich regelmäßig die Frage, ob eine steuerfreie Kreditgewährung vorliegt. Der EuGH bestätigt mit seinem Urteil in der Rs. O. Fundusz Inwestycyjny Zamknięty reprezentowany przez O S.A. (C-250/21) nun noch einmal, dass die Kreditgewährung für Zwecke der Umsatzsteuerbefreiung weit auszulegen ist.
 
2 Sachverhalt
Ein Investmentfonds in Polen schließt mit Banken und Fonds Verträge über die Unterbeteiligung an Darlehensforderungen, die von diesen Institutionen gehalten werden. Danach gewährt der Investmentfonds (Unterbeteiligter) der Bank bzw. dem Fonds (Originator) vorab einen bestimmten Finanzierungsbetrag. Der Originator verpflichtet sich, alle Vorteile, die er aus den Forderungen generiert, an den Unterbeteiligten auszuzahlen. Dabei übersteigen die prognostizierten Einnahmen den Finanzierungsbetrag. Die Forderung verbleibt im Eigentum des Originators. Fällt der Forderungsschuldner aus, kann der Unterbeteiligte ihn nicht in Regress nehmen. Dem Unterbeteiligten stehen nur die Einnahmen zu, die der Originator durch die Verwertung ihm vom Schuldner gewährter Sicherheiten erlangt. Eigene Sicherheiten erhält der Unterbeteiligte nicht.
 
3 Entscheidung des EuGH
Der EuGH stellt zunächst fest, dass der Unterbeteiligte eine entgeltliche Leistung an den Originator erbringt. Der Unterbeteiligungsvertrag sieht als gegenseitiger Vertrag vor, dass der Unterbeteiligte dem Originator eine Finanzierung gewährt und hierfür die (grundsätzlich) positive Differenz zwischen den Einnahmen und der Finanzierungssumme erhält. 
 
Weiterhin führt der EuGH aus, dass die Leistung des Unterbeteiligten – vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht – im Schwerpunkt in der Auszahlung von Kapital gegen Entgelt besteht. In der Übernahme des Risikos eines Schuldnerausfalls sieht der EuGH keinen weiteren wesentlichen Leistungsbestandteil. Vielmehr beinhalte jede Kreditgewährung ein Kreditrisiko. Ob sich das Kreditrisiko auf den Ausfall des Vertragspartners oder den Ausfall eines dahinterstehenden Schuldners bezieht, ist nach Auffassung des EuGH unerheblich. 
 
Damit weicht der EuGH maßgeblich von der Einschätzung der Generalanwältin in ihren Schlussanträgen ab. Die Generalanwältin sah die Übernahme des Ausfallrisikos als wesentlichen Leistungsbestandteil einer komplexen einheitlichen Leistung des Unterbeteiligten an und lehnte daher die Steuerbefreiung des Umsatzes als Kreditgewährung im Ergebnis ab.
 
Der EuGH hingegen betrachtet die Voraussetzungen der steuerfreien Kreditgewährung als erfüllt. Denn es wird erstens Kapital überlassen und dies erfolgt zweitens entgeltlich. Weitere Anforderungen stellt der EuGH an die steuerfreie Kreditgewährung nicht. Insoweit wiederholt der EuGH zunächst zwei wesentliche Grundsätze aus seiner bisherigen Rechtsprechung. Zum einen ist es für die Annahme einer steuerfreien Kreditgewährung unerheblich, ob die Vergütung in Form von Zinsen oder in anderer Form erfolgt. Zum anderen ist für die Einordnung eines Umsatzes als steuerfreie Kreditgewährung allein die Art der Leistung entscheidend, nicht hingegen der Status des Leistenden als Bank oder Finanzinstitut. Darüber hinaus hält der EuGH auch die vom vorlegenden Gericht angeführten Besonderheiten des Unterbeteiligungsvertrags gegenüber einem klassischen Kreditvertrag für unbeachtlich. Weder der Verbleib des Schuldtitels beim Originator noch die fehlenden Garantien oder Regressmöglichkeiten des Schuldners wirken sich seines Erachtens auf den Wesensgehalt eines Unterbeteiligungsumsatzes aus, der in der Finanzierung der ursprünglichen Darlehen besteht.
 
4 Bedeutung für die Praxis
Das Urteil betrifft mit dem Unterbeteiligungsvertrag ein spezielles Vehikel des Finanzmarkts im Kontext des Verkaufs von Krediten. Dennoch hat es aufgrund der wirtschaftlichen Relevanz von Unterbeteiligungen und vergleichbaren Transaktionen erhebliche Bedeutung. Die klare Stellungnahme des EuGH zugunsten der Steuerfreiheit ist daher zu begrüßen. 
 
Zudem macht der EuGH trotz des zu prüfenden Spezialthemas allgemeine Aussagen zur Kreditgewährung, die auch in anderen Sachverhaltskonstellationen zur Anwendung kommen können. Dabei führt der EuGH die bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung manifestierte weite Auslegung des Begriffs der Kreditgewährung fort. Entscheidende Voraussetzung ist allein, dass der wesentliche Leistungsinhalt in der entgeltlichen Kapitalüberlassung besteht. Insbesondere fordert der EuGH keine Vergleichbarkeit des Geschäfts mit klassischen Kredit- und Darlehensverträgen, beispielsweise hinsichtlich der Existenz von Sicherheiten. Damit kann der umsatzsteuerrechtliche Kreditgewährungsbegriff deutlich über den des Kreditwesengesetzes hinausgehen. 
 
Durch den geforderten Schwerpunkt im Leistungsinhalt grenzt sich die Kreditgewährung allerdings auch weiterhin von anderen Finanzierungsinstrumenten ab. So besteht beispielsweise beim Factoring der wesentliche Leistungsinhalt im Regelfall gerade nicht in einer Finanzierung, sondern in der Einziehung von Forderungen (vgl. Abschn. 2.4 Abs. 4 UStAE). Eine Kreditgewährung kommt jedoch beim Forderungsverkauf ohne Übernahme des Forderungseinzugs in Betracht (vgl. Abschn. 2.4 Abs. 5 UStAE). Weiterhin abzugrenzen ist die Kreditgewährung von Verbriefungen, d.h. der Umwandlung von Darlehen in Wertpapiere, die grundsätzlich unter die Steuerbefreiung für Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren fallen.
 
Ansprechpartner:
 
 
Laura Klein
Steuerberaterin, Master of Science (M.Sc.)
(Rechts- und Wirtschaftswissenschaften)
Telefon: +49 89 217501296
 
Stand: 14.10.2022