Umsatzsteuer Newsletter 39/2020
Jahressteuergesetz 2020 (Teil 8): OSS für alle Leistungen an Nichtunternehmer – Personenbeförderungen im Speziellen
Im achten Teil der KMLZ Newsletter-Serie zum Jahressteuergesetz 2020 gehen wir auf den deutlich erweiterten Umfang des OSS-Verfahrens auf sämtliche Dienstleistungen an Nichtunternehmer ein. Wir erläutern im Besonderen die Auswirkungen des OSS auf Personenbeförderungen, der flankiert ist von der geplanten Streichung der Vereinfachungsregelung in § 5 UStDV. Damit sollen ab 01.01.2021 kurze Strecken von bis zu 10 Kilometern im Inland der deutschen Umsatzsteuer unterliegen. Dies führt zu einer zusätzlichen administrativen Belastung für die Unternehmen im grenzüberschreitenden Personenverkehr.
1 OSS für Leistungen an Nichtunternehmer 
Der Mini-One-Stop-Shop (kurz „MOSS“) soll zum One-Stop-Shop (kurz: OSS) erweitert werden (Newsletter 36/2020). Damit ist das besondere Besteuerungsverfahren nicht mehr nur auf elektronische Dienstleistungen beschränkt. Künftig können auch folgende Leistungen über OSS gemeldet werden: Grundstücks-, kulturelle und unterhaltende, Restaurations-, Vermittlungs-, Veranstaltungsleistungen, Arbeiten an beweglichen Gegenständen und deren Begutachtung sowie die Personenbeförderung und die langfristige Vermietung von Beförderungsmitteln. Voraussetzung ist, dass die Leistungen an Nichtunternehmer erbracht werden. Umfasst werden damit nicht nur Leistungen, für die die Ortbestimmung nach § 3a Abs. 1 UStG (Art. 45 MwStSystRL) gilt, sondern alle Dienstleistungen an Nichtunternehmer. Folglich kann jeder Leistende – unabhängig davon, ob er im Drittland, in einem anderen Mitgliedstaat oder in Deutschland ansässig ist – OSS nutzen, vorausgesetzt er erbringt Leistungen an Nichtunternehmer, die im Gemeinschaftsgebiet zu besteuern sind. Eine Registrierungspflicht in dem Land, in dem die Leistung steuerbar ist, entfällt künftig.
 
2 OSS bei Personenbeförderungen 
Die umsatzsteuerliche Beurteilung von grenzüberschreitenden Personenbeförderungen ist äußerst komplex. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass nach § 3b Abs. 1 UStG die Beförderung einer Person als dort ausgeführt gilt, wo die Beförderung bewirkt wird. Bei einer Personenbeförderung, die sich sowohl auf das Inland als auch auf das Ausland erstreckt (grenzüberschreitende Personenbeförderung), unterliegt nur die anteilige Strecke im Inland der deutschen Umsatzsteuer. Folglich ist der Gesamtpreis entsprechend den Streckenanteilen aufzuteilen und in dem jeweiligen Land der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Für Unternehmen, die grenzüberschreitende Personenbeförderungen erbringen, hat diese Aufteilung nach Länderstrecken zur Folge, dass sie sich in zahlreichen europäischen Ländern registrieren lassen müssen und dort Umsatzsteuererklärungen abzugeben haben. Aufgrund der Erweiterung des OSS-Verfahrens, könnten die Anbieter von Personenbeförderungen eine Registrierungspflicht in den Ländern, in denen die Beförderung bewirkt wird, vermeiden wenn die Leistung an Nichtunternehmer erbracht wird.
 
3 Aufhebung des § 5 UStDV 
Die §§ 2–7 UStDV sehen Vereinfachungsregelungen für grenzüberschreitende Beförderungen von Personen vor. Demnach sind inländische Verbindungsstrecken als ausländische Beförderungsstrecken anzusehen, wenn sie 30 Kilometer nicht überschreiten (§ 2 UStDV). Entsprechend gelten ausländische Verbindungsstrecken als inländische Beförderungsstrecke, wenn sie nicht länger als 10 km sind (§ 3 UStDV). Nach § 5 UStDV sind bei grenzüberschreitenden Personenbeförderungen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftfahrzeugen inländische Streckenanteile, die in einer Fahrtrichtung nicht mehr als 10 Kilometer betragen, als ausländische Beförderungsstrecken anzusehen. Hierunter fallen der Verkehr mit Taxen, Ausflugsfahrten und Ferienzielreisen sowie der Verkehr mit Mietomnibussen und Mietwagen, nicht jedoch der Linienverkehr. Durch diese Vereinfachungsregelung verzichtet Deutschland auf sein Besteuerungsrecht für einen sehr kurzen Teil der Beförderungsstrecke. Diese Strecke unterliegt damit der Besteuerung des Nachbarlandes. Folglich entfiel bisher die Verpflichtung einer Registrierung in Deutschland für kurze Fahrstrecken bis zu 10 Kilometern.
 
Der Gesetzgeber hat die Ausweitung des OSS-Verfahrens zum Anlass genommen, um die Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens nach § 5 UStDV aufzuheben. Nicht aufgehoben werden dagegen die übrigen Vereinfachungsregelungen (§§ 2–4, §§ 6, 7 UStDV). Damit bleiben die inländischen Verbindungsstrecken von unter 30 Kilometern von der Besteuerung in Deutschland ausgenommen.
 
4 Auswirkungen für die Praxis
Die Unternehmer, die sonstige Leistungen wie z. B. Personenbeförderungen an Nichtunternehmer erbringen, sollten prüfen, ob sie vom OSS profitieren können. Zu beachten ist allerdings, dass der OSS nicht anwendbar ist, wenn die Leistungen an Unternehmer erbracht werden. Wenn ein Unternehmer auf einer Strecke Personenbeförderungsleistungen abwechselnd mal selbst an Nichtunternehmer erbringt und mal Sub-Unternehmer beauftragt, kann es den OSS nicht nutzen. Erbringt ein im Ausland ansässiges Sub-Unternehmen die Personenbeförderung an ein ebenfalls im Ausland ansässiges Unternehmen, würde dieses als Leistungsempfänger für den deutschen Streckenanteil die Umsatzsteuer schulden (§ 13b Abs. 5 i. V. m. Abs. 7 UStG). Folglich müsste sich das ausländische Unternehmen in Deutschland für umsatzsteuerliche Zwecke registrieren lassen und einen Reverse-Charge-Eingangsumsatz melden. 
 
Die Streichung von § 5 UStDV führt dazu, dass ab dem 01.01.2021 die Unternehmer, die lediglich kurze Personenbeförderungen (unter 10 Kilometer je Fahrtrichtung) im Inland durchführen, diese der deutschen Umsatzsteuer zu unterwerfen haben. Zwar müssen sich ausländische Unternehmen, die Personen auf einer Fahrtstrecke bis zu 10 Kilometern in Deutschland befördern, nicht mehr allein deswegen für umsatzsteuerliche Zwecke registrieren lassen. Allerdings bedeutet auch die Erklärung der deutschen Umsatzsteuer über OSS einen zusätzlichen administrativen Aufwand für diese Unternehmen. Zudem ist gegebenenfalls eine Preisanpassung nötig. Bisher unterlag die inländische Strecke von bis zu 10 Kilometern dem für Personenbeförderung geltenden Steuersatz des Nachbarlandes. Je nachdem, ob im Nachbarland der für die Personenbeförderung geltende Steuersatz höher oder niedriger lag, könnten sich durch die Anwendung des Steuersatzes von 19 % in Deutschland die Erträge für die betroffenen Unternehmen erhöhen oder vermindern. Die umsatzsteuerliche Beurteilung von grenzüberschreitenden Personenbeförderungen wird damit noch komplexer.
 
Ansprechpartner:
 

Eveline Beer
Rechtsanwältin, Steuerberaterin,
Fachanwältin für Steuerrecht

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Stand: 05.08.2020