Umsatzsteuer Newsletter 37/2022
BFH: Keine Kehrtwende bei der Besteuerung von Dienstwagen
Der BFH hat kürzlich entschieden, dass die Dienstwagenüberlassung als tauschähnlicher Umsatz zu behandeln ist. Er begründet in überzeugender Weise, warum das EuGH-Urteil vom 20.01.2021 (C-288/19) die deutsche Praxis der Dienstwagenbesteuerung nicht auf den Kopf stellt.
1 Hintergrund
Nach dem FG Saarland und dem EuGH hat sich der BFH mit Urteil vom 30.06.2022 (Az. VR 25/21) zur Frage geäußert, wie die Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung zu besteuern ist. Im Wesentlichen ging es in der Entscheidung um die Frage, ob in diesem Fall ein tauschähnlicher Umsatz nach § 3 Abs. 12 S. 2 UStG vorliegt. Ein solcher liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht. 
 
Streitig war, ob die Arbeitsleistung das Entgelt für die Dienstwagenüberlassung darstellt. Das FG Saarland lehnte diese Sichtweise ab. Es ging von einer unentgeltlichen Dienstwagenüberlassung aus. Für die Bestimmung des Ortes der unentgeltlichen Überlassung legte es dem EuGH die Frage vor, ob die Ortsbestimmung für die Vermietung auch für die Überlassung gelte, wenn der Arbeitgeber für die Überlassung keine Geldsumme einbehält, der Arbeitnehmer kein Entgelt entrichtet oder den Dienstwagen nicht aufgrund einer Vereinbarung und eines Verzichts auf andere Vorteile wählen kann. Die Vorlagefrage betraf die Auslegung des Art. 56 Abs. 2 MwStSystRL, den der deutsche Gesetzgeber mit § 3a Abs. 3 Nr. 2 S. 3 UStG umgesetzt hat. 
 
Der EuGH verneinte die Vorlagefrage im Urteil vom 20.01.2021 (C-288/19). Die Vorlagefrage war jedoch so formuliert, dass sich der EuGH nicht dazu äußern musste, ob die Dienstwagenüberlassung an Arbeitnehmer entgeltlich oder unentgeltlich erfolgte (vgl. KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 03│2021). In der Folge entschied das FG, dass die Überlassung nicht in Deutschland steuerbar ist. Dagegen legte das Finanzamt Revision ein.
 
2 Entscheidung des BFH
Der BFH hebt das Urteil des FG Saarland auf. Er geht davon aus, dass die Arbeitsleistung ein Entgelt für die Dienstwagenüberlassung darstellt. Für die Begründung seiner Entscheidung stellt der BFH nicht auf das Vorlageverfahren ab. Denn der EuGH hat nicht darüber entschieden, ob ein tauschähnlicher Umsatz vorliegt. Das FG Saarland hat diesen Aspekt nicht in die Vorlagefrage aufgenommen. 
 
Nach Auffassung des BFH kommt es darauf an, ob ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Dienstwagenüberlassung und der Arbeitsleistung besteht. Ein unmittelbarer Zusammenhang ist regelmäßig dann gegeben, wenn die Überlassung individuell vereinbart wurde. So verhält es sich nach Auffassung des BFH auch in dem entschiedenen Fall. Denn es liegt eine arbeitsvertragliche Vereinbarung vor. Die Nutzungsmöglichkeit ist bei wirtschaftlicher Betrachtung ein Grund dafür, warum der Arbeitnehmer das konkrete Beschäftigungsverhältnis angetreten hat. Es liegt daher ein tauschähnlicher Umsatz vor. Der Ort der Leistung befindet sich nach § 3a Abs. 3 Nr. 2 S. 3 UStG im Inland. 
  
3 Auswirkungen für die Praxis
In überzeugender Weise ordnet der BFH das EuGH-Urteil vom 20.01.2021 (C-288/19) ein. Der BFH widerspricht dem EuGH nicht. Er widerspricht jedoch der Annahme des FG Saarland, dass die Überlassung im konkreten Fall unentgeltlich erfolgte. Diese unzutreffende Annahme des FG wirkte sich auf die Vorlagefrage aus. Daher entschied der EuGH nur über den seltenen Fall, dass der Arbeitgeber für die Überlassung keine Geldsumme einbehält, der Arbeitnehmer kein Entgelt entrichtet und den Dienstwagen nicht auf Grundlage einer Vereinbarung und eines Verzichts auf andere Vorteile wählen kann. Der EuGH hat nicht über die Frage der Entgeltlichkeit entschieden, weil das FG in seiner Vorlagefrage unzutreffend unterstellt hat, dass keine Entgeltlichkeit vorliegt. Aus diesem Grund stellt das EuGH-Urteil die deutsche Praxis der Dienstwagenbesteuerung nicht auf den Kopf. Auf Grundlage des EuGH-Urteils kann nicht auf eine Unentgeltlichkeit der Dienstwagenüberlassung geschlossen werden (vgl. KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 03│2021). 
 
Die Entscheidung des BFH steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung zu tauschähnlichen Umsätzen im Arbeitsverhältnis. Auch bestätigt die Entscheidung die Ansicht der Finanzverwaltung insoweit, als dass die entgeltliche Dienstwagenüberlassung regelmäßig eine Vereinbarung im Anstellungsvertrag erfordert. Ein bloßer Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis genügt dagegen nicht. Der BFH hat sich dagegen ausdrücklich nicht zu der Ansicht der Finanzverwaltung geäußert, dass eine entgeltliche Dienstwagenüberlassung auch dann vorliegt, wenn die Überlassung wegen einer betrieblichen Übung geschieht oder faktisch für eine gewisse Dauer stattfindet. 
 
Der BFH hat die Entscheidung des EuGH nicht in Frage gestellt, sodass die hieraus zu ziehenden Schlüsse weiterhin gelten. Die EuGH-Entscheidung betont die Grundsätze zur Entgeltlichkeit einer Nutzungsüberlassung an Arbeitnehmer. Für die Praxis sind daher die folgenden Kriterien wichtig: 
  • Ist die Nutzungsüberlassung im Arbeitsvertrag geregelt?
  • Ist die Nutzungsüberlassung im Arbeitsvertrag als Teil der Vergütung ausgewiesen oder verzichtet der Arbeitnehmer für die private Nutzung des Dienstwagens teilweise auf Gehalt?
Können diese Fragen im konkreten Fall bejaht werden, wird die Nutzungsüberlassung weiterhin als tauschähnlicher Umsatz einzuordnen sein.
 
Ansprechpartner:
 

Dr. Matthias Oldiges
Rechtsanwalt
Tel.: +49 211 54 095 366
 
Stand: 05.10.2022