Umsatzsteuer Newsletter 37/2020
Jahressteuergesetz 2020 (Teil 6): Steuerbefreiungen im Bereich Gesundheit / Pflege / Soziales
Der sechste Teil der Newsletter-Serie zum JStG 2020 beschäftigt sich mit den Neuerungen im Bereich Gesundheit, Pflege und Soziales. Hier passt der Gesetzgeber das deutsche Recht weiter an das Europarecht an. Der Entwurf des JStG 2020 sieht dazu eine Reihe von punktuellen Erweiterungen der entsprechenden Umsatzsteuerbefreiungen vor. Insbesondere soll im Auffangtatbestand des § 4 Nr. 16 UStG die Berechnung der Sozialgrenze geändert werden. Außerdem will der Gesetzgeber klarstellen, dass die kurzfristige Zimmervermietung durch ein Studentenwerk an Studenten steuerfrei ist.
1 Allgemeines
Der Gesetzgeber passt nach dem Entwurf des Jahressteuergesetzes 2020 (JStG 2020) die Steuerbefreiungen im Bereich Gesundheit, Pflege und Soziales weiter an das Europarecht an. Für viele Anpassungen hat der BFH durch entsprechende Urteile die Vorlage geliefert. Die Neuregelungen sollen ab 01.01.2021 gelten. Bei Leistungen, die nach dem deutschen Gesetz nicht steuerfrei sind, lohnt sich jedoch weiterhin oftmals die Prüfung der Steuerbefreiung nach der MwStSystRL.
 
2 Anpassung Einleitungssatz § 4 Nr. 16 UStG-E
Der Gesetzgeber öffnet durch eine kleine sprachliche Anpassung im Einleitungssatz von § 4 Nr. 16 UStG-E den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung für Einrichtungen, die keine eigentlichen Betreuungs- oder Pflegeleistungen erbringen, sondern lediglich eng mit der Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen verbundene Leistungen. Steuerfrei können daher nunmehr auch Leistungen von Einrichtungen sein, die z. B ausschließlich beratend oder durch Erstellung von Gutachten tätig sind.
 
3 Änderung der Berechnung der Sozialgrenze (§ 4 Nr. 16 Buchst. n UStG-E)
§ 4 Nr. 16 Buchst. l UStG bildet einen Auffangtatbestand für die Steuerbefreiungen im sozialen / pflegerischen Bereich. Danach fallen auch solche Einrichtungen in den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung, deren Betreuungs- oder Pflegekosten im vorangegangenen Kalenderjahr in mindestens 25 % der Fälle („Sozialgrenze“) überwiegend (also zu mehr als 50 %) von einem Sozialträger übernommen wurden. Künftig findet sich dieser Auffangtatbestand in geänderter Form in § 4 Nr. 16 Buchst. n UStG-E. Der BFH hat bereits im Jahr 2013 klargestellt, dass die nach dem bisherigen Wortlaut anhand der Verhältnisse des Vorjahres vorzunehmende Prüfung der 25 %-Grenze europarechtswidrig ist. Dennoch stellte die Finanzverwaltung (außer bei Neugründungen) weiterhin (ausschließlich) auf das Vorjahr ab. Dem schiebt der Gesetzgeber nunmehr einen Riegel vor, indem er den Verweis auf das Vorjahr aus der Regelung streicht. Dadurch ist die 25 %-Grenze anhand der Verhältnisse des aktuellen Jahres zu prüfen. Nach der Gesetzesbegründung genügt die Erfüllung der Grenze im Vorjahr jedoch auch weiterhin: 
  • 1. Möglichkeit: Die Einrichtung erfüllt nach einer zum Jahresbeginn erstellten Prognose die 25 %-Grenze für das aktuelle Jahr. Die Grenze gilt unabhängig von der tatsächlichen Entwicklung für das ganze Jahr als erfüllt.
  • 2. Möglichkeit: Nach der Prognose erfüllt die Einrichtung die 25 %-Grenze nicht, die Verhältnisse ändern sich jedoch im Verlauf des Jahres. Als Grund für eine Änderung nennt die Gesetzesbegründung beispielhaft den Vertragsschluss mit einem Sozialträger. Ab dem Zeitpunkt, zu dem die Einhaltung der 25 %-Grenze abzusehen ist, gilt diese als erfüllt. Die danach erbrachten Umsätze sind unter den übrigen Voraussetzungen steuerfrei. 
  • 3. Möglichkeit: Laut Gesetzesbegründung genügt es, wenn die 25 %-Grenze im Vorjahr erfüllt wurde. Insoweit ist aber Vorsicht geboten: Da sich der Verweis auf das Vorjahr nicht mehr im Gesetzeswortlaut findet, könnten Gerichte im Fall eines Rechtsstreits eine entsprechende Berechnung für Zeiträume ab 2021 nicht akzeptieren.
 
4 Kurzfristige Beherbergungsleistungen gegenüber Studierenden und Schülern (§ 4 Nr. 23 Buchst. c UStG-E)
Nach § 4 Nr. 23 Buchst. c UStG-E sind künftig auch kurzfristige Beherbergungsleistungen (und nicht nur Verpfle-gungsleistungen) gegenüber Studierenden und Schülern durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder durch andere Einrichtungen, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben, steuerfrei. Um zur Steuerfreiheit zu gelangen, mussten für die kurzfristige Vermietung an Studierende bisher die Voraussetzungen von § 4 Nr. 18 UStG vorliegen. Dies konnte zu Diskussionen mit der Finanzverwaltung führen. Durch die Neufassung stellt der Gesetzgeber klar, dass beispielsweise die kurzfristige Überlassung von Zimmern an Gaststudenten, ausländische Studierende usw. steuerfrei ist. 
 
Ebenfalls steuerfrei bleibt dabei die Bereitstellung von Bettwäsche, Handtüchern usw. als Nebenleistung. Gleiches dürfte für die Möglichkeit der Nutzung einer Waschmaschine sowie eines Fernseh- und Internetanschlusses gelten. Nicht der Steuerbefreiung (aber dem ermäßigten Steuersatz) unterliegt die kurzfristige Vermietung von möblierten Appartements oder Zimmern in Gästehäusern an Nicht-Studierende (z. B. Gastwissenschaftler).
 
5 Sonstiges
Daneben enthält der Entwurf des JStG 2020 noch eine Reihe von Einzelfallregelungen:
  • Nach § 4 Nr. 14 Buchst. f UStG-E sind künftig eng mit der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens verbundene Leistungen bestimmter Unternehmer steuerfrei, die nicht bereits als Heilbehandlungen steuerfrei sind. Dazu gehören z. B. Sanitätsdienstleistungen bei Großveranstaltungen oder der Rettungsdienst.
  • Nach einem BFH-Urteil aus dem Jahr 2019 erbringen Einrichtungen, die nach § 158 FamFG als Verfahrensbeistand für Kinder bestellt worden sind, steuerfreie Leistungen. Dies vollzieht § 4 Nr. 16 Buchst. l UStG-E nunmehr nach. Voraussetzung ist, dass ihre Preise behördlich genehmigt sind oder die genehmigten Preise nicht übersteigen.
  • Private Pflege-Versicherungen werden als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt, wenn sie eine Vereinbarung nach § 7a SGB XI geschlossen haben (§ 4 Nr. 16 Buchst. m UStG-E). 

 

Ansprechpartner:

Dr. Michael Rust
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: +49 89 217501274
michael.rust@kmlz.de


Stand: 03.08.2020