Umsatzsteuer Newsletter 34/2025
EuGH: Umsatzsteuer-Falle Verrechnungspreisanpassung?
In seinem mit großer Spannung erwarteten Urteil in der Rs. Arcomet Towercranes stellt der EuGH klar, wann Ausgleichszahlungen zur Anpassung der Gewinnmarge an den Fremdvergleichsgrundsatz Entgelt für eine steuerbare Leistung sein können. Die Einordnung des EuGH könnte die Praxis vieler Unternehmen beeinflussen. Multinationale Konzerne sollten prüfen, wie bei ihnen Verrechnungspreisanpassungen und Umsatzsteuer aktuell zusammenspielen und ob sich durch das Urteil Handlungsbedarf ergibt. Die Feststellungen des EuGH zur Ungewissheit einer Vergütung und der Erforderlichkeit weiterer Nachweise für den Vorsteuerabzug sind auch über den Verrechnungspreiskontext hinaus relevant.

1 Hintergrund
Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Verrechnungspreisanpassungen ist umstritten und nicht unionseinheitlich geregelt. Zwar bestehen Empfehlungen der VAT Expert Group. Diese sind für die Mitgliedstaaten jedoch nicht bindend. In Deutschland fehlen bislang klare Vorgaben von Gesetzgeber oder Finanzverwaltung. Nun hat der EuGH erstmals entschieden, ob Ausgleichszahlungen zur Anpassung der Gewinnmarge an den in den OECD-Leitlinien verankerten Fremdvergleichsgrundsatz Entgelt für eine steuerbare Leistung darstellen können.

2 Sachverhalt
Zwischen der Konzernmutter Arcomet Belgien und der Tochtergesellschaft Arcomet Rumänien besteht ein Vertrag über ihre jeweiligen Aufgaben und Risiken im Rahmen des Vertriebs von Kränen. Arcomet Rumänien kauft bzw. mietet die Kräne an und verkauft bzw. vermietet sie weiter. Arcomet Belgien übernimmt als Prinzipal das Risiko sowie strategische Aufgaben, wie die Suche nach Lieferanten, Vertragsverhandlungen und Qualitätsmanagement. Laut Vertrag basiert die Vergütung für die Leistungen der Parteien auf der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode (TNMM) gemäß OECD-Leitlinien. Eine Vergleichbarkeitsanalyse ergab, dass die Betriebsmarge von Arcomet Rumänien zwischen -0,71 % und 2,74 % liegen müsste. Der Vertrag sichert Arcomet Rumänien eine entsprechende Marge zu und sieht vor:

  • Erzielt Arcomet Rumänien einen Gewinn innerhalb dieser Spanne, ist keine Vergütung geschuldet.
  • Bei einem Verlust von mehr als 0,71 % gleicht Arcomet Belgien den übersteigenden Betrag durch eine Zahlung an Arcomet Rumänien aus.
  • Liegt der Gewinn über 2,74 %, zahlt Arcoment Rumänien den übersteigenden Gewinn an Arcomet Belgien.

In den Streitjahren erzielte Arcomet Rumänien jeweils einen übersteigenden Gewinn. Folglich stellte Arcomet Belgien gegenüber Arcomet Rumänien Ausgleichszahlungen in Rechnung. Diese versteuerte Arcomet Rumänien (teilweise) im Reverse-Charge-Verfahren und machte Vorsteuern geltend. Die rumänische Steuerbehörde verweigerte den Vorsteuerabzug mangels Nachweise für die Leistungserbringung und deren Notwendigkeit für steuerbare Umsätze.

3 Entscheidung des EuGH (Urt. vom 04.09.2025 – C-726/23 – Arcomet Towercranes)
Der EuGH erachtet die Ausgleichszahlungen als Entgelt für eine steuerbare Dienstleistung. Er geht davon aus, dass Arcomet Belgien klar definierte Leistungen erbrachte, die Arcomet Rumänien wirtschaftliche Vorteile verschafften. Zudem stehen die Ausgleichszahlungen nach Ansicht des EuGH in unmittelbarem Zusammenhang mit der Leistung, da sie gemäß dem Vertrag die Vergütung für die von Arcomet Belgien ausgeführten Tätigkeiten darstellen sollen. An dieser Einschätzung ändert es nach Auffassung des EuGH nichts, dass die Zahlung lediglich darauf abzielt, die Gewinnspanne von Arcomet Rumänien anzupassen, um den Fremdvergleichsgrundsatz zu wahren. Der EuGH verneint zudem eine Ungewissheit des Entgelts, die den unmittelbaren Zusammenhang aufheben würde. Dies begründet der EuGH damit, dass die Modalitäten der Vergütung im Voraus und nach genauen Kriterien vertraglich festgelegt sind, sodass die Vergütung „frei von Unwägbarkeiten“ sei. Dass sich die Zahlrichtung bei einer Gewinnspanne unter -0,71 % umkehren würde, sei für die Beurteilung nicht relevant, da diese Situation nicht eintrat.

Zum Vorsteuerabzug stellt der EuGH fest, dass die Finanzverwaltung neben der Rechnung zusätzliche Nachweise verlangen darf, um die materiellen Voraussetzungen zu prüfen. Dies umfasst die tatsächliche Leistungserbringung und die Verwendung – nicht jedoch die Notwendigkeit – für vorsteuerabzugsberechtigende Umsätze. Die Nachweise müssen erforderlich und verhältnismäßig sein.

4 Auswirkungen für die Praxis
Der EuGH stellt klar, dass Verrechnungspreisanpassungen der Umsatzsteuer unterliegen, sofern sie in unmittelbarem Zusammenhang zu einer konkreten Leistung stehen. Gewinnbasierte Anpassungen dürfen daher nicht pauschal als umsatzsteuerrechtlich irrelevant behandelt werden. Ob ein solcher Zusammenhang tatsächlich existiert, hängt jedoch von den vertraglichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten im Einzelfall ab.

Die Situation im Vorlageverfahren war speziell: Ein gegenseitiger Vertrag definierte die Ausgleichszahlung explizit als Vergütung für eine konkrete Leistung. In der Praxis sind die Sachverhalte jedoch oft anders und weniger eindeutig gelagert. Häufig werden konzerninterne Leistungen unterjährig zu vorab festgelegten Verrechnungspreisen erbracht, während zum Jahresende (pauschale) Verrechnungspreisanpassungen erfolgen. Die zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarungen unterscheiden sich von Fall zu Fall. Hier stellt sich regelmäßig eher die Frage, ob die Anpassungen die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage und – bei Warenlieferungen – den Zollwert ändern.

Multinationale Konzerne sollten ihre Vereinbarungen und die Abwicklung ihrer Verrechnungspreisanpassungen überprüfen. Wurden die Anpassungen der Umsatzsteuer unterworfen und Vorsteuern gezogen, muss der Zusammenhang mit einer konkreten Leistung ausreichend dokumentiert sein. Wurden die Anpassungen als nicht steuerbar behandelt, ist zu prüfen, ob die Feststellungen des EuGH auf den individuellen Fall übertragbar sind und zu einer abweichenden umsatzsteuerlichen Einordnung führen können. Insoweit wird man sicherlich nochmals genauer beleuchten müssen, wann eine Ungewissheit der Vergütung vorliegt. In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, wie der Vorlagefall einzuordnen wäre, wenn in einzelnen Streitjahren Arcomet Belgien hätte an Arcomet Rumänien zahlen müssen.

Ansprechpartnerin:
 
 
Steuerberaterin, Master of Science (M.Sc.)
(Rechts- und Wirtschaftswissenschaften)
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Stand: 08.09.2025