Umsatzsteuer Newsletter 34/2022
Bauleistungen im Zusammenspiel von Umsatzsteuer und Bauabzugsteuer nach aktueller BMF-Auffassung
Der BFH entschied in seinem Urteil vom 07.11.2019, dass der ertragsteuerliche Grundstücksbegriff nicht kongruent mit dem umsatzsteuerrechtlichen sein muss. Vielmehr können auch bewegliche Gegenstände ertragsteuerlich Bauwerke darstellen. Dies hat das BMF zum Anlass genommen, sein BMF-Schreiben zum Thema Bauabzugsteuer zu aktualisieren. Dieses Thema ist auch aufgrund der jüngsten geopolitischen Entwicklungen und dem damit einhergehenden Umdenken bei der Energieversorgung aktuell – denn im Urteil ging es um Photovoltaikanlagen. Der Anwendungsbereich ist aber natürlich viel weiter und umfasst alle Arten von Bauwerken und Teile davon.
1 Hintergrund
Lange Zeit ging man davon aus, dass der Grundstücksbegriff in der Umsatzsteuer und der Ertragsteuer im Großen und Ganzen kongruent zu verstehen ist. 2020 wurde dann das BFH-Urteil vom 07.11.2019 – I R 46/17 veröffentlicht. Darin hatte das Gericht zu entscheiden, ob eine Photovoltaikanlage ein Bauwerk darstellen kann und daher Bauabzugsteuer einzubehalten war. Das Gericht urteilte, dass der Begriff des Bauwerks im Sinne der Bauabzugsteuer viel weiter zu verstehen ist als in der Umsatzsteuer. Nun veröffentlichte das BMF ein überarbeitetes Schreiben vom 19.07.2022, welches das bisher geltende BMF-Schreiben vom 27.12.2002 mit unmittelbarer Wirkung ersetzt. Die Unternehmen müssen nun für die verschiedenen Steuerarten genauer differenzieren, ob ein Grundstück oder ein Teil eines Grundstücks vorliegt.
 
2 Bauleistung in der Bauabzugsteuer
Bei der Erbringung von Bauleistungen an einem Gebäude oder einem Bauwerk ist der Leistungsempfänger grundsätzlich verpflichtet, 15 % des Entgelts einzubehalten und für den Leistenden an die Finanzverwaltung abzuführen, es sei denn, dem Leistungsempfänger wird vor der Zahlung des Entgelts eine Freistellungsbescheinigung des Leistenden vorgelegt. 
 
Nach aktuellem BMF-Schreiben sind Bauleistung gemäß § 48b Abs. 1 S. 3 EStG alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Die Annahme einer Bauleistung setzt zwar voraus, dass sie sich unmittelbar auf die Substanz des Bauwerks auswirkt. Der Begriff des Bauwerks umfasst jedoch nicht nur Gebäude oder andere unbewegliche Wirtschaftsgüter, sondern sämtliche („bewegliche“) Anlagen, die irgendwie mit dem Boden verbunden sind oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhen und aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellt sind, auch Photovoltaikanlagen.
 
3 Bauleistung in der Umsatzsteuer
Umsatzsteuerrechtlich liegt dann eine Bauleistung vor, wenn sich die Leistung auf die Substanz eines Grundstücks auswirkt. Es muss also eine Substanzerweiterung, -verbesserung, -beseitigung oder -erhaltung eines Grundstücks erreicht werden (vgl. Abschn. 13b.2 Abs. 1 UStAE). Der umsatzsteuerrechtliche Grundstücksbegriff stellt einen eigenständigen Begriff des Unionsrechts dar und richtet sich nicht nach dem nationalen Begriff eines Grundstücks. Nach Art. 13b MwStVO gelten als Grundstück neben jedem Gebäude oder Bauwerk zwar auch zunächst bewegliche Sachen, Ausstattungsgegenstände und Maschinen/Anlagen. Diese müssen jedoch wesentliche Bestandteile des Grundstücks werden oder dort auf Dauer installiert sein, so dass sie nicht bewegt werden können, ohne es zu zerstören oder zu verändern. 
 
Ohne Grundstück kann also umsatzsteuerrechtlich keine Bauleistung vorliegen. Schwierigkeiten bei der Qualifikation einer Bauleistung in der Praxis bereiten deshalb vor allem zunächst bewegliche Sachen, wie z.B. die im BFH-Urteil vom 07.11.2019 zu beurteilenden Photovoltaikanlagen. Diese stellen selbst kein Gebäude dar. Sie sind auch umsatzsteuerrechtlich in der Regel nicht als Bauwerk zu qualifizieren. Also benötigt man eine Verbindung der Gegenstände mit einem Grundstück. Ansonsten kann keine Bauleistung vorliegen. Auch nach dem UStAE stellt nur die Werklieferung von Photovoltaikanlagen eine Bauleistung dar (Abschn. 13b.2 Abs. 5 Nr. 11 UStAE). Eine Werklieferung setzt aber die Beistellung eines Gegenstands (z.B. eines Grundstücks) voraus, welcher bearbeitet wird. Wird die Anlage betriebsfertig aufgestellt und kann sie, ohne Schäden zu hinterlassen, wieder entfernt werden, dürfte eine Montagelieferung vorliegen. Dies ist insbesondere für die Frage des Steuerschuldners von Bedeutung. Die Umsatzsteuerschuld geht bei Werklieferungen und bei Bauleistungen, nicht aber bei Montagelieferungen, auf den Leistungsempfänger über.
 
4 Folgen für die Praxis
Eine Bauleistung kann also aus ertragsteuerlicher Sicht auch dann vorliegen, wenn die Sache umsatzsteuerrechtlich kein Grundstück darstellt. Dies wird sich in der Umsatzsteuer vor allem bei der Frage nach dem Steuerschuldner auswirken. So beruht etwa der Übergang der Umsatzsteuerschuld für Bauleistungen auf den Leistungsempfänger allein auf dem Grundstücksbegriff der EU-Verordnung, welche direkt in der gesamten EU anwendbar ist. Im BMF-Schreiben wird festgehalten, dass der Begriff „Gebäude“ im Zusammenhang mit der Bauabzugsteuer normspezifisch auszulegen ist. Dies führt dazu, dass trotz Einbehalt von Bauabzugsteuer eine Rechnung mit Umsatzsteuer korrekt sein kann.
 
In der Baubranche ist die Einschaltung von Subunternehmern gängige Praxis. Nun müssen sowohl Leistender als auch Leistungsempfänger die erbrachten Leistungen differenziert betrachten. Aus umsatzsteuerlicher Sicht lautet die Frage, wer Steuerschuldner ist und ob der Leistungsempfänger ertragsteuerlich einen Steuerabzug vorzunehmen hat. 
 
Diese Fragen werden vor allem bei Zuschaltung ausländischer Subunternehmer interessant. Auf der einen Seite müssen auch diese mit Umsatzsteuer abrechnen, wenn eine Montagelieferung in Deutschland vorliegt, und benötigen daher eine Registrierung. Auf der anderen Seite sind sie sich möglicherweise der Steuerabzugsregelung nicht bewusst und können daher keine Freistellungsbescheinigung vorweisen. Auch wenn man umsatzsteuerrechtlich den einen oder anderen Fall über die Nichtbeanstandungsregelungen im UStAE „retten“ könnte, schwebt die Bauabzugsteuer stets als Damoklesschwert über dem Leistungsempfänger. 
 
Dies ist vor allem deshalb kritisch zu sehen, da die Definition des Bauwerks nun einen großen Interpretationsspielraum für die Finanzbehörden lässt – denn jeder Gegenstand ruht aufgrund der Schwerkraft auf dem Boden. Eine breite Anwendung widerspricht aber dem Sinn und Zweck der Regelung, einen möglichen Missbrauch in der Baubranche zu vermeiden.
 
Ansprechpartner:
 

Dr. Atanas Mateev
Dipl.-Wirtschaftsjurist (Univ.), Steuerberater
Tel.: +49 89 217501253
atanas.mateev@kmlz.de

Stand: 07.09.2022