Umsatzsteuer Newsletter 34/2020
Jahressteuergesetz 2020 (Teil 3): Besonderes Verfahren für die Einfuhr von Sendungen bis zu EUR 150
Im dritten Teil der KMLZ Newsletter-Serie zum Jahressteuergesetz 2020 geht es um die Sonderregel für die Einfuhr von Sendungen mit einem Warenwert von unter EUR 150. Für solche Kleinsendungen, die direkt vom Drittland an Kunden im Land der Einfuhr auszuliefern sind, können die gestellenden Dienstleister künftig die Einfuhr im Namen und für Rechnung des Empfängers vornehmen und für den Empfänger Einfuhrumsatzsteuer verauslagen. Nach § 21a UStG-E ist hierfür aber ein Antrag des Dienstleisters erforderlich.
1 Hintergrund
Einfuhren mit einem Wert bis EUR 22 sind bislang von der Einfuhrumsatzsteuer befreit (§ 1a EUStBV). Der Missbrauch dieser Regelung verursachte zunehmende Steuerausfälle und Wettbewerbsnachteile für EU-ansässige Händler. Die Steuerbefreiung soll daher mit der Einführung der neuen Fernverkaufsregeln außer Kraft treten, ursprünglich zum 01.01.2021, coronabedingt  nun voraussichtlich zum 01.07.2021. Durch den Wegfall der 22-Euro-Grenze fällt dann Einfuhrumsatzsteuer bei jeder Einfuhr an. Die Zollbefreiung für Sendungen mit einem Wert bis zu EUR 150 gem. Art. 23 Abs. 1 ZollbefrVO bleibt dagegen bestehen. Zur Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer ist allerdings künftig für jede Sendung eine Einfuhrabfertigung erforderlich. Um diesem erhöhten Verwaltungsaufwand zu begegnen, sieht der § 21a UStG-E ein besonderes System zur Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer auf Sendungen mit einem Höchstwert von EUR 150 vor. Es handelt sich dabei um eine Sonderreglung für Fernverkäufe von aus Drittländern eingeführten Gegenständen, die direkt an einen Erwerber im Zollgebiet der Union versandt werden. Sie ist anwendbar, wenn der Lieferant der Ware nicht das Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG-E nutzt  oder die Sendung nicht im Normalverfahren eingeführt wird.
 
2 Einfuhrvorgang
Einfuhrsendungen sind beim Verbringen in das Zollgebiet den Zollbehörden zu gestellen (Art. 139 Abs. 1 UZK). In der Regel gestellen Post- und Paketdienstleister Sendungen, die im Fernverkauf aus einem Drittland an Empfänger in Deutschland versendet werden. Sendungen, für die Zoll oder Einfuhrumsatzsteuer entsteht, und für die daher eine Zollanmeldung erforderlich ist, werden bislang zum für den Wohnort des Empfängers zuständigen Zollamt gesendet. Dieser kann die Sendung gegen Entrichtung der Einfuhrabgaben abholen. Nach § 21a UStG-E sollen künftig die Dienstleister die Waren im Namen und für Rechnung der Empfänger zum freien Verkehr anmelden können. 
 
3 Voraussetzungen und Besteuerungsverfahren
Gem. § 21a UStG-E kann der Dienstleister die Einfuhranmeldung im Namen und für Rechnung des Empfängers abgeben, wenn
  •  der Dienstleister einen Antrag hierauf stellt,
  •  die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG-E nicht in Anspruch genommen wird (gilt nur bei § 18k UStG-E), 
  •  die Voraussetzungen für einen Zahlungsaufschub gemäß Art. 110 lit. b) UZK vorliegen,
  •  die Beförderung oder Versendung der Ware im Inland (in Deutschland) endet und
  •  die Sendung keine verbrauchsteuerpflichtigen Waren enthält. 
 
Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen wird der Einfuhrumsatzsteuerbetrag auf ein Aufschubkonto des Dienstleisters angeschrieben. Die zollrechtliche Bewilligung eines Aufschubkontos nach Art. 110 lit. b) UZK ist zwar keine Bedingung, jedoch müssen die Voraussetzungen für eine solche Bewilligung erfüllt sein. In der Praxis dürfte das Vorliegen der Voraussetzungen im Rahmen des Einfuhrvorgangs wohl nur durch eine entsprechende Bewilligung nachweisbar sein. Eine Sicherheitsleistung für die aufgeschobenen Beträge ist nicht erforderlich, wenn der Dienstleister einen AEOC-Status besitzt oder die Voraussetzungen für eine Reduzierung der Gesamtsicherheit (Art. 95 Abs. 2, 3 UZK) erfüllt. Bei Auslieferung muss der Dienstleister die Einfuhrumsatzsteuer von Empfänger einfordern. Der Dienstleister hat übrigens kein Recht zum Vorsteuerabzug aus der auf seinen Namen aufgeschobenen Einfuhrumsatzsteuer, denn er besitzt zu keinem Zeitpunkt die Verfügungsmacht über die Ware.
 
Den Dienstleister treffen bei Anwendung des § 21a UStG-E umfassende Aufzeichnungs- und Meldepflichten. Insbesondere muss er jeweils bis zum 10. Tag des Folgemonats in einer Meldung an die zuständige Zollstelle alle auf diese Art eingeführten Sendungen eines Monats anmelden. In der Meldung ist zwischen vier Sendungskategorien zu unterscheiden:
 
1. Sendungen, die den jeweiligen Empfängern im letzten Monat zugestellt wurden; die Einfuhrumsatzsteuer auf diese Sendungen ist bis zum 16. Tag des Folgemonats durch den Dienstleister an die Zollbehörden zu zahlen.
2. Sendungen, die noch nicht ausgeliefert wurden und sich noch beim Dienstleister befinden; die Einfuhrumsatzsteuer hierauf bleibt dem Aufschubkonto belastet und wird in den folgenden Aufschubzeitraum vorgetragen.
3. Sendungen, bei denen es nicht möglich war, sie dem Empfänger zu übergeben und die im Vormonat wiederausgeführt oder unter zollamtlicher Überwachung zerstört oder anderweitig verwertet wurden; die Einfuhrumsatzsteuer gilt als nicht entstanden und wird aus dem Aufschubkonto ausgebucht, wenn ausgeschlossen ist, dass die Waren im Inland in den Wirtschaftskreislauf eingehen.
4. Sendungen, die abhandengekommen sind; die Einfuhrumsatzsteuer wird ebenfalls aus dem Aufschubkonto ausgebucht und vom zuständigen Hauptzollamt per Haftungsbescheid gegenüber dem Dienstleister geltend gemacht. 
 
Der Dienstleister haftet ebenso für Einfuhrumsatzsteuer, die auf Sendungen lastet, welche er zugestellt hat, ohne die Einfuhrumsatzsteuer vom Empfänger zu erheben.
 
4 Fazit
§ 21a UStG-E verpflichtet den gestellenden Dienstleister dazu, Einfuhrumsatzsteuer von Verbraucher einzutreiben. Der Verwaltungsaufwand für die Zollbehörden dürfte sich reduzieren, die Empfänger sparen sich den Weg zum Zollamt. Die gestellenden Dienstleister müssten jedoch einen erheblichen Mehraufwand und ein zusätzliches Risiko (Haftung!) auf sich nehmen. Unklar ist, wer die damit verbundenen Mehrkosten tragen soll. Vor diesem Hintergrund erscheint es mehr als fraglich, ob diese Regelung in der Praxis von Bedeutung sein wird.
 

Ansprechpartner:

Dr. Christian Salder
Rechtsanwalt, Steuerberater,
Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: +49 89 217501285
christian.salder@kmlz.de

Stand: 29.07.2020