Umsatzsteuer Newsletter 33/2023
EuGH: Kurtaxen unterliegen nicht (mehr) der Umsatzsteuer
Der EuGH hat entschieden, dass in einem Kurbeitrag kein Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustauschverhältnisses gesehen werden kann, sofern die Kureinrichtungen von jedermann benutzt werden können. Dies hat zur Folge, dass mangels steuerbarer Ausgangsumsätze kein Vorsteuerabzug mehr möglich ist. Die (positive) Kehrseite der Medaille ist aber, dass Kurbeiträge nicht mehr der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind. Gemeinden sparen sich 7 % Umsatzsteuer.
1 Hintergrund
Kurortgemeinden haben in der Vergangenheit eine umsatzsteuerrechtliche Sonderbehandlung erfahren. Die Finanzverwaltung hat die Kurtaxen – obgleich sie eine Gebühr darstellen – der Umsatzsteuer unterworfen und großzügig den Vorsteuerabzug gewährt. Die Gemeinden konnten umfassend auf sämtliche Kureinrichtungen (Wege, Plätze, besondere Gebäude, Busse, Winter- wie Sommeranlagen) den Vorsteuerabzug geltend machen. Im Jahr 2017 schränkte der BFH die Vorsteuerabzugsmöglichkeiten ein, indem er nur noch eine anteilmäßige Zuordnung zum Unternehmensbereich zuließ. Auch stellte er fest, dass ein Vorsteuerabzug nur noch dann erfolgen könne, wenn eine Sondernutzung der Einrichtung durch den Kurgast vorgesehen ist, also ein Allgemeingebrauch ausgeschlossen wird. Damit drohte ein wichtiger Finanzierungsbaustein bei Investitionen in Kureinrichtungen nachträglich wegzufallen, und so waren die Kurortgemeinden froh, als das BMF mit Schreiben vom 05.05.2022 zumindest klarstellte, dass die neuen Regeln erst ab dem 01.01.2018 gelten (vgl. KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 24 I 2022). Wer bisher dachte, schlimmer könnte es nicht mehr kommen, sieht sich aufgrund der aktuellen Entscheidung des EuGH eines Besseren belehrt. 
 
2 Urteil des EuGH v. 13.07.2023 (C‑344/22) – Gemeinde A
Der EuGH kommt in seinem neuesten Urteil zu dem Ergebnis, dass die Gemeinde mit der Erhebung der Kurtaxe nicht in einen Leistungsaustausch zu den ortsfremden Touristen tritt. 
 
Die Gemeinde erhob auf der Grundlage einer kommunalen Satzung (öffentlich-rechtliche Sonderregelung) eine sog. Kurtaxe (Pauschalgebühr) von ortsfremden Personen, jedoch nicht von Tagesgästen oder eigenen Einwohnern. Eine Besonderheit des Falles bestand darin, dass die Kureinrichtungen aber für jedermann frei zugänglich waren, also keine Kurkarte zum Eintritt benötigt wurde. Die Gemeinde sah die Kurtaxe als Entgelt für ihre umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit (Kurbetrieb) und begehrte den vollen Vorsteuerabzug aus allen Eingangsleistungen, die mit dem Fremdenverkehr zusammenhingen. Das Finanzamt sah dies allerdings anders und strich den Vorsteuerabzug in weiten Teilen. Der BFH wollte nun vom EuGH wissen, ob die Kurtaxe als Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustauschs betrachtet werden kann und wenn ja, ob die Gemeinde aufgrund der Sonderregeln für juristische Personen des öffentlichen Rechts überhaupt als „Unternehmerin“ aufgetreten ist. Denn u.U. käme es zu keiner Wettbewerbsverzerrung, da in dem gleichen Gemeindegebiet kein privater Anbieter diese Kurleistungen erbringen durfte. Vor diesem Hintergrund stellte der BFH dem EuGH (hilfsweise) die Frage, wie hinsichtlich des Wettbewerbsbegriffs der räumlich relevante Markt zu bestimmen sei.
 
Nach Ansicht des EuGH liegt kein steuerbarer Leistungsaustausch vor. Es fehle bereits an dem notwendigen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einer Dienstleistung der Gemeinde und der streitigen Kurtaxe. Denn der Kurtaxe stehe nicht die Bereitstellung der Kureinrichtungen gegenüber. Vielmehr werde die Kurtaxe aufgrund der kommunalen Satzung erhoben, und zwar unabhängig von der konkreten Nutzung der einzelnen Kureinrichtungen. Die Kurtaxe fällt selbst dann an, wenn die Kureinrichtungen überhaupt nicht benutzt werden. Hinzu käme, dass die Einrichtungen für jedermann, also auch für Einwohner oder Tagesgäste, frei und unentgeltlich zugänglich seien. Somit hätten die Schuldner der Kurtaxe keine anderen Vorteile als Personen, die diese Kureinrichtungen benutzen und nicht kurtaxenpflichtig sind. Da bereits ein Leistungsaustausch verneint wurde, musste der EuGH zum Unternehmerbegriff keine Stellung nehmen.
 
3 Auswirkungen auf die Praxis
Jede Medaille hat zwei Seiten: Auch wenn der Vorsteuerabzug in Fallgestaltungen wie diesen zukünftig nicht mehr möglich sein wird, so steht auf der anderen Seite auch fest, dass Kurtaxen nicht mehr umsatzsteuerpflichtig sind. Dies ist ein kleines Trostpflaster für Gemeinden. Sie sparen künftig 7 % Umsatzsteuer auf die Kurtaxe. 
 
Das Urteil des EuGH sollte jedoch nicht überbewertet werden. Denn nicht jeder Kurbeitrag ist in Deutschland gleich ausgestaltet: Sofern die Kureinrichtungen nur von Personen benutzt werden dürfen, die kurbeitragspflichtig sind, liegt der Fall anders. Nach den Grundsätzen des EuGH wäre hier ein Leistungsaustausch gegeben. Die spannende Frage bleibt dann aber, ob die Gemeinde insoweit als „Unternehmerin“ tätig wird. Im Rahmen des § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG wird entscheidend sein, ob größere Wettbewerbsverzerrungen vorliegen. Dies wird sich danach beurteilen, wie weit der Wettbewerbsbegriff zu verstehen ist: Eher isoliert auf das einzelne Gemeindegebiet begrenzt oder (sehr) viel weiter, indem in die Wettbewerbsbeurteilung auch benachbarte Gemeinden, andere Bundesländer oder gar das gesamte Bundesgebiet einzubeziehen sind? Zu dieser, für juristische Personen des öffentlichen Rechts höchst relevanten Fragestellung hat sich der EuGH mangels Leistungsaustausch nicht geäußert. Sofern der Wettbewerb der Kurgemeinden bejaht wird, könnte doch wieder ein Spalt der Tür zum Vorsteuerabzug geöffnet sein. 
 
Interessant dürfte auch sein, welche Auswirkungen die Rechtsprechung des EuGH auf die körperschaftsteuerrechtliche Beurteilung haben wird. Bislang geht die Finanzverwaltung davon aus, dass Kurbetriebe als sog. Betriebe gewerblicher Art (kurz: BgA) der Körperschaftsteuer unterliegen. Auch wenn die Rechtsprechung des EuGH für den Ertragsteuersenat des BFH nicht bindend ist, so wird dieser bei nächster Gelegenheit doch darüber nachdenken, ob an der Ertragsteuerpflicht festgehalten werden muss. Denn ansonsten hätten wir einen der seltenen Fälle, in denen die Tätigkeit nicht der Umsatzsteuer, aber der Ertragsteuer unterliegt. 
 
Ansprechpartner:
 
 
Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht,
Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: +49 89 217501230
 
Stand: 19.07.2023