Umsatzsteuer Newsletter 30/2021
Überlassung von Betriebsvorrichtungen bei Vermietung: Einheitliche Leistung oder aufteilen?
Der BFH legt dem EuGH eine Frage vor, die zentrale Bedeutung auch für den Vorsteuerabzug hat: Wie ist bei Vermietung mit gleichzeitiger Überlassung von Betriebsvorrichtungen vorzugehen? Handelt es sich um eine einheitliche (steuerfreie) Vermietungsleistung, oder besteht ein generelles Aufteilungsgebot? Die Praxis erhofft sich von der Klärung durch den EuGH mehr Rechtssicherheit. Denn bislang gleicht die richtige steuerrechtliche Beurteilung einem Lotteriespiel. Mit klaren Vorgaben durch den EuGH – so die Hoffnung des BFH – könnten viele Einzelfragen in der Praxis einfacher und damit schneller geklärt werden.
1 Hintergrund
Der BFH geht mit der Vorlage an den EuGH (vgl. Beschluss v. 26.05.2021, V R 22/20) eines der schwierigsten Themen im Umsatzsteuerrecht an. Denn bei fast jeder Vermietung von Räumen stellt sich die Frage, wie mit jeweils zusätzlich überlassenen Betriebsvorrichtungen umzugehen ist. Handelt es sich um eine eigenständige Leistung, die nach § 4 Nr. 12 S. 2 UStG steuerpflichtig behandelt werden muss, oder teilt die Überlassung der Betriebsvorrichtung das Schicksal der Hauptleistung „Vermietung“, die nach § 4 Nr. 12 S. 1 UStG stets steuerfrei bleibt? Für Steuerpflichtige ist die Beantwortung dieser Frage von großer Relevanz: Sie müssen wissen, ob sie die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen können oder die Vermietung (zum Teil) steuerpflichtig behandeln müssen und damit (teilweise) in den Genuss des Vorsteuerabzugs gelangen. 
 
2 Sachverhalt 
Der Kläger verpachtete langfristig ein Stallgebäude zur Putenaufzucht. In dem Stallgebäude waren Vorrichtungen und Maschinen auf Dauer eingebaut. Dabei handelte es sich um Ausstattungsmerkmale, die speziell abgestimmt waren auf die vertragsgemäße Nutzung als Putenaufzuchtstall. Der Kläger ging davon aus, dass die Verpachtung insgesamt umsatzsteuerfrei sei. Demgegenüber vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass das einheitlich vereinbarte Pachtentgelt nach Maßgabe der beim Kläger entstehenden Kosten zu 20 % auf die Vorrichtungen entfalle und insoweit umsatzsteuerpflichtig sei. Der Kläger war damit nicht zufrieden und ging vor das Finanzgericht. Das Niedersächsische Finanzgericht gab schließlich der Klage statt. Es war der Ansicht, dass eine insgesamt steuerfreie Leistung vorliegt, die somit auch die Verpachtung der eingebauten Vorrichtungen und Maschinen umfasst. Das Finanzgericht verwies auf die Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH, Urt. v. 16.04.2015, C-42/14 – Wojskowa), wonach eine einheitliche Leistung vorliegt, wenn ein zur Miete angebotenes Gebäude mit begleitenden Leistungen in wirtschaftlicher Hinsicht objektiv eine Gesamtheit bildet. Das Finanzgericht verwies außerdem auf die Rechtsprechung des BFH aus dem Jahr 2015, wonach die Überlassung des Inventars als Nebenleistung zur steuerfreien Verpachtung eines Seniorenwohnparks beurteilt wurde (BFH, Urt. v. 11.11.2015, V R 37/14).
 
3 Entscheidung des BFH
Der BFH setzt sich in seinem Vorlage-Beschluss intensiv mit Art. 135 MwStSystRL auseinander: Nach dessen Abs. 1 Buchst. l) ist die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken steuerfrei. Abs. 2 Buchst. c) macht davon aber eine Ausnahme und schließt die Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen von der Steuerbefreiung wieder aus. Das deutsche Recht ist auf den ersten Blick in § 4 Nr. 12 UStG ähnlich aufgebaut, wenngleich mit unterschiedlichem Wortlaut. Für den BFH ging es aber auch weniger um den Wortlaut der Vorschriften, sondern vielmehr um die Frage, ob das Unionsrecht ein Aufteilungsgebot bei gemischten Vermietungen vorgibt. 
 
Klar ist für den BFH, dass es sich bei dem Stallgebäude um die Vermietung eines Grundstücks handelt. Klar ist auch, dass es sich bei den mitverpachteten Gegenständen um „Betriebsvorrichtungen“ i. S. von § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG bzw. um „auf Dauer eingebaute Vorrichtungen und Maschinen“ gemäß Art. 135 Abs. 2 Buchst. c) MwStSystRL handelt. Unklar bleibt für den BFH die Frage, ob es sich um eine einheitliche Leistung oder aber um zwei getrennte Leistungen handelt. 
 
Der BFH fasst in diesem Kontext die bisherige Rechtsprechung des EuGH zusammen: Danach darf ein Umsatz nicht künstlich aufgespalten werden. Von Einheitlichkeit ist immer dann auszugehen, wenn mehrere Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. In diesem Fall teilen die Nebenleistungen das Schicksal der Hauptleistung. Entscheidend ist die Sicht des Durchschnittsverbrauchers und auch der jeweilige Wert der Leistungen.
 
Im vorliegenden Fall tendiert der BFH zur Annahme einer einheitlichen Leistung. Aus der Tatsache, dass die Vermietung von Vorrichtungen und Maschinen speziell nach Art. 135 Abs. 2 Buchst. c) MwStSystRL als steuerpflichtig einzustufen ist, kann nicht geschlossen werden, dass die Grundsätze zur Bestimmung eines einheitlichen Umsatzes über Bord geworfen werden. Mit anderen Worten: Zunächst ist zu definieren, ob es sich um eine Leistung oder mehrere Leistungen handelt, und erst in einem zweiten Schritt ist zu klären, ob die einzelne Leistung steuerfrei oder steuerpflichtig ist. Der BFH postuliert damit einen Vorrang der einheitlichen Leistung gegenüber Art. 135 Abs. 2 Buchst. c) MwStSystRL. Ein generelles Aufteilungsgebot lehnt er hingegen ab. 
 
4 Folgen für die Praxis
Die richtige Beurteilung der (Mit-)Überlassung von Betriebsvorrichtungen gleicht in der Praxis einem Lotteriespiel. Es existiert zwar sehr viel Rechtsprechung und auch die Äußerungen der Finanzverwaltung in Abschn. 4.12.10 und 4.12.11 UStAE sind sehr umfangreich, der konkrete Einzelfall lässt sich aber häufig nicht rechtssicher einschätzen. Es kommt immer auf die konkreten Umstände des jeweiligen Falls an. Die Schwierigkeit in der Praxis ergibt sich daraus, dass jeder Sachverhalt anders gelagert ist. Für Steuerpflichtige ist daher die Bestimmung der Reichweite der Steuerbefreiung sehr mühsam. Sofern der EuGH dem vom BFH präferierten Weg des Vorrangs der Einheitlichkeit der Leistung folgt, bedeutet dies, dass die Überlassung von Vorrichtungen und Maschinen nur dann als eigenständige Leistung steuerpflichtig sein kann, wenn kein Zusammenhang mit einer weitergehenden Gebäude- oder Grundstücksüberlassung besteht. 
 
Ansprechpartner:
 
 
Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht,
Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: +49 89 217501230
 
Stand: 26.08.2021