Umsatzsteuer Newsletter 27/2022
Fallstricke bei der Verlagerung von Kunden-Werkzeugen
Aufgrund der jüngsten geopolitischen Entwicklungen und der damit einhergehenden Lieferengpässe stehen Wertschöpfungsketten und Lieferwege auf dem Prüfstand. Vor diesem Hintergrund werden u. a. auch Produktionen in andere Länder verlagert, ob nun eigene oder die von Subunternehmern (Lohnveredlung / verlängerte Werkbank). Bei der Beurteilung der umsatzsteuerlichen Konsequenzen sollten die Kunden-Werkzeuge nicht vergessen werden. Die praktische Abwicklung von Werkzeug-Einkäufen und Verkäufen ist sehr oft eine Herausforderung. Aber auch die Verlagerung der Werkzeuge kann umsatzsteuerlich relevant sein.
1 Kunden-Werkzeuge
Spezielle Werkzeuge und Formen sind oftmals unverzichtbar für die Herstellung von Teilen. Die Abnehmer der zu produzierenden Teile (Kunden) sind sich dieser Bedeutung bewusst. Sie erwerben die Werkzeuge und Formen deshalb in vielen Fällen zu Beginn der Produktion regelmäßig selbst, entweder vom Teile-Hersteller, einem Werkzeug-Lieferanten oder über zwischengeschaltete Zulieferer. Die Werkzeuge verbleiben aber am Produktionsstandort und werden dem Teile-Hersteller vom Kunden zur Produktion beigestellt. Die Kunden sichern sich damit vor unerwarteten Produktionsausfällen beim Teile-Hersteller ab. Indem die Kunden das Eigentum an den Werkzeugen erwerben, können diese sog. Kunden-Werkzeuge – und damit die vollständige Produktion der Teile – bei Bedarf leichter, insbesondere ohne große Ausfallzeiten, zu einem anderen Hersteller verlagert werden.
 
Wenn diese Kunden-Werkzeuge in ein anderes Land verlagert werden, weil z. B. die Produktion verlegt wird, muss sich der Kunde als Eigentümer der Werkzeuge Gedanken machen, welche umsatzsteuerlichen Konsequenzen sich aus der Verlagerung ergeben können. Hierzu sollten sich Teile-Hersteller, Zulieferer und Kunden frühzeitig abstimmen, ob und wie die Werkzeuge verlagert werden müssen.
 
2 Verlagerungen innerhalb der EU
Bei Verlagerung in einen anderen EU-Mitgliedstaat ist zu prüfen, ob dies ein innergemeinschaftliches Verbringen nach Art. 17 (1) MwStSystRL darstellt. Der Kunde müsste dann das Verbringen im Abgangsland und korrespondierend dazu einen innergemeinschaftlichen Erwerb im Bestimmungsland deklarieren. Wenn der Kunde in diesen Ländern noch nicht umsatzsteuerlich registriert ist, ergibt sich aus der Verlagerung eine Registrierungspflicht, ggf. in beiden Ländern. 
 
Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass kein Verbringen vorliegt, da nach Art. 17 (1) UA 2 MwStSystRL eine „Versendung oder Beförderung … durch den Steuerpflichtigen oder für seine Rechnung“ Voraussetzung ist und dies bei der Verlagerung durch den Teile-Hersteller nicht gegeben sei. Allerdings bestehen Zweifel, ob diese Sichtweise vertretbar ist. Zudem müsste dies aus Sicht der betroffenen Länder geprüft werden. Rechtsprechung oder gar Verwaltungsanweisungen existieren hierzu nicht.
 
Wenn ein Verbringen angenommen wird, stellt sich die Frage, ob dieses nach Art. 138 MwStSystRL steuerfrei bleibt. Hier sind die Verschärfungen im Rahmen der Quick Fixes zum 01.01.2020 zu beachten. Der Kunde muss das Verbringen nicht nur aus Compliance-Gründen in der Zusammenfassenden Meldung im Abgangsland deklarieren (zusätzlich zur USt-Erklärung). Das Abgangsland könnte auch die Steuerbefreiung an die korrekte Deklaration knüpfen. Eine weitere Voraussetzung für die Steuerbefreiung des Verbringens im Abgangsland könnte eine USt-IdNr. des Bestimmungslandes sein. Wenn der Kunde diese USt-IdNr. erst später, nach dem Verbringen erhält, stellt sich die Frage, ob das betreffende Abgangsland dann so liberal ist, dass eine nachträgliche Verwendung der USt-IdNr. unschädlich für die Steuerbefreiung ist. Interessant wird es auch, wenn das Verbringen nicht früh genug erkannt wurde und nachträglich eine Registrierung im Bestimmungsland beantragt wird, die USt-IdNr. aber in diesem Land nicht rückwirkend erteilt werden kann. Dann lag im Zeitpunkt des Verbringens keine gültige USt-IdNr. des Bestimmungslandes vor.
 
Man kann sicher Argumente aus Art. 138 MwStSystRL ableiten, warum ein Verbringen grundsätzlich nicht steuerpflichtig werden sollte. Man kann auch trefflich darüber diskutieren, ob es einer USt-IdNr. aus dem Bestimmungsland bedarf oder ob die USt-IdNr. aus dem Ansässigkeitsland des Kunden ausreichend ist. Die EU-Mitgliedstaaten haben aber wie so oft eine unterschiedliche Sichtweise hierzu und Probleme in der Abwicklung / Durchsetzung sind vorprogrammiert.
 
3 Verlagerungen von / in Drittländer
Sollte das Werkzeug nicht innerhalb der EU verlagert werden, sondern über eine Drittlandsgrenze, sind die zollrechtlichen Bestimmungen im Abgangsland zu beachten. Es muss z. B. geklärt werden, wer die Ausfuhr anmelden und abwickeln kann, der Teile-Hersteller oder der Kunde / Eigentümer. Im Abgangsland sollte das rechtsgeschäftslose Verbringen keine umsatzsteuerlichen Konsequenzen auslösen. Im Bestimmungsland müsste geprüft werden, ob eine Einfuhrabgabenbefreiung anwendbar ist. Falls nicht, ist darauf zu achten, in wessen Namen die Einfuhr angemeldet und abgewickelt wird. Zollrechtlich sollte es keine Beschränkungen geben. Die anfallende Einfuhrumsatzsteuer könnte aber nur vom Verfügungsberechtigten, also dem Kunden, zur Erstattung geltend gemacht werden, nicht vom Teile-Hersteller.
 
4 Handlungsbedarf beim Teile-Produzenten
Da der Teile-Hersteller das Werkzeug zu Beginn der Produktion an den Kunden verkauft hat (ggf. auch über einen zwischengeschalteten Zulieferer), haben Teile-Produzent und Zulieferer bei der Verlagerung keinen direkten steuerlichen Handlungsbedarf. Sie haben aber in der Regel eine Informations- und Dokumentationspflicht gegenüber dem Kunden. Insbesondere müssen sie dem Kunden mitteilen, ob und wann das Werkzeug vom ursprünglichen Standort an einen neuen Standort verlagert wurde. Sollte dies nicht geschehen, könnte der Kunde später einen Schadensersatz geltend machen, wenn für ihn aus der unterlassenen Mitteilung z. B. steuerliche Schäden resultieren. 
 
Ansprechpartner:
 
 
Ronny Langer
Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater
Tel.: +49 89 217501250
 
Stand: 08.07.2022