Umsatzsteuer Newsletter 27/2020
Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferung – Umsetzung der jüngeren Rechtsprechung des EuGH / Nachweise im nichtkommerziellen Reiseverkehr
Das Erfordernis des Buch- und Belegnachweises für die Steuerbefreiung bei Ausfuhrlieferungen gab in den vergangenen Jahren immer wieder Anlass zur Diskussion. Mit seinem Schreiben vom 25.06.2020 erklärt nun das Bundesfinanzministerium (BMF), die in den letzten Jahren in diesem Bereich ergangenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) anzuwenden. Zu diesem Zweck passt das BMF den Umsatzsteuer-Anwendungserlass entsprechend an. Bei dieser Gelegenheit nimmt es auch noch kleinere Anpassungen in Bezug auf den Belegnachweis für Ausfuhren im nichtkommerziellen Reiseverkehr vor.
1 Anforderungen für Steuerbefreiung von Ausfuhrlieferungen
Häufig zweifelt die Betriebsprüfung die vom Unternehmer geltend gemachte Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen an und erhebt Umsatzsteuer (samt Zinsen) nach. In den meisten Fällen lautet die Begründung, der erforderliche Buch- und Belegnachweis sei nicht vorhanden oder genüge zumindest nicht den gesetzlichen Anforderungen.
 
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte daher in den vergangenen Jahren in mehreren Verfahren (Rs. C-653/18 – Unitel Sp, Rs. C-495/17 – Cartrans Spedition und Rs. C-275/18 – Milan Vinš) Gelegenheit, die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung von Ausfuhrlieferungen im Zusammenhang mit dem Belegnachweis zu präzisieren. Im Kern entschied der EuGH, dass die Steuerbefreiung wegen eines mangelhaften oder fehlenden Nachweises unter bestimmten Umständen nicht verwehrt werden kann, da hier der Grundsatz der Neutralität und Verhältnismäßigkeit entgegensteht. Der Buch- und Belegnachweis für Ausfuhrlieferungen ist demnach also lediglich eine formelle Voraussetzung.
 
Ähnlich hatte der EuGH schon früher zum Buch- und Belegnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen entschieden (grundlegend Rs. C-409/04 – Teleos). Der Gesetzgeber hat hierauf mittlerweile reagiert. Die zum 01.01.2020 in Kraft getretenen Quick Fixes (vgl. KMLZ Newsletter 01/2019) machen den Buch- und Belegnachweis zu einer materiell-rechtlichen Voraussetzung. Bei der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen wurde der Gesetzgeber bisher nicht aktiv. Stattdessen ändert die deutsche Finanzverwaltung mit Schreiben vom 25.06.2020 den Umsatzsteueranwendungserlass und wendet die Grundsätze der Rechtsprechung des EuGH an. Im Einzelnen gilt Folgendes:
 
2 Bisherige Grundsätze
Nach dem bisher geltenden Umsatzsteueranwendungserlass muss der Unternehmer für die Steuerbefreiung über einen ordnungsgemäßen Belegnachweis gem. §§ 8ff. UStDV verfügen. Tut er dies nicht, steht ihm grundsätzlich auch keine Steuerbefreiung zu. Nur in besonders begründeten Fällen (z. B. bei Funktionsstörungen des ATLAS-Systems) kann von diesen Anforderungen abgewichen werden.
Schließlich kann dem Unternehmer (im Billigkeitsverfahren) die Steuerbefreiung gewährt werden, wenn ihm ein gefälschter Ausfuhrbeleg ausgehändigt wurde und er dies trotz Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.
 
3 Neue Verwaltungspraxis
Zukünftig gilt in Anlehnung an die neuere Rechtsprechung für die Steuerbefreiung Folgendes:
Zwar geht das BMF weiter grundsätzlich davon aus, dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht erfüllt sind, wenn der Unternehmer keinen ordnungsgemäßen Buch- oder Belegnachweis vorweisen kann. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen objektiv zweifelsfrei feststeht. Damit stellt das BMF klar, dass der Buch- und Belegnachweis für die Steuerbefreiung von Ausfuhrlieferungen keine materiell-rechtliche Voraussetzung ist. Ausgeschlossen ist die Steuerbefreiung in dieser Situation lediglich, wenn
  • sich der Unternehmer vorsätzlich an einer das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems gefährdenden Steuerhinterziehung beteiligt hat bzw. davon Kenntnis hatte oder zumindest nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hätte haben müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft war und er nicht alle ihm zur Verfügung stehenden, zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um diese zu verhindern, oder
  • der Verstoß gegen die formellen Anforderungen den sicheren Nachweis verhindert, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen erfüllt wurden.
 
Mit diesen Änderungen schafft das BMF Klarheit. Zum einen wird in erfreulicher Deutlichkeit festgehalten, dass der Buch- und Belegnachweis keine materiell-rechtliche Voraussetzung für das Vorliegen einer Ausfuhrlieferung ist. Zum anderen wendet das BMF mit den Neuregelungen die Grundsätze, die der EuGH in den oben genannten Entscheidungen entwickelt hat, uneingeschränkt an. Das passiert in dieser Unmissverständlichkeit leider viel zu selten. Freilich bieten praktische Fälle nach wie vor genügend Potential für Diskussionen. 
Rechtspolitisch gesehen ist bemerkenswert, dass bei den Ausfuhrlieferungen nach wie vor ein wesentlich niedrigerer Maßstab an den Buch- und Belegnachweise angelegt wird als bei innergemeinschaftlichen Lieferungen. 
 
4 Weitere Änderungen – Belegnachweis für Ausfuhren im nichtkommerziellen Reiseverkehr
Grundsätzlich kann ein Steuerpflichtiger den Belegnachweis auch durch andere Belege führen, wenn der von der UStDV in bestimmten Situationen vorgesehene Nachweis mit Bestätigung der Grenzzollstelle oder der Abgangsstelle nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Das BMF ergänzt hier präzisierend, dass dies für die Ausfuhr im nichtkommerziellen Reiseverkehr dann zutrifft, wenn die Zollverwaltung an Flughäfen nicht im gesamten Transit- bzw. Sicherheitsbereich präsent ist. Schließlich lässt das BMF zukünftig im begründeten Einzelfall als Ausfuhrnachweis auch einen geeigneten Alternativbeleg zu. Die praktischen Auswirkungen dieser Änderungen dürften indes durchaus limitiert sein.
 

Ansprechpartner:

Dr. Christian Salder
Rechtsanwalt, Steuerberater,
Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: +49 89 217501285
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Stand: 03.07.2020