Umsatzsteuer Newsletter 24/2020
Die Bedeutung des geplanten Verbandssanktionengesetzes für Tax Compliance
Die Bundesregierung hat am 16.06.2020 den Entwurf zum geplanten Verbandssanktionengesetz vorgelegt. Kern des neuen Regelwerks ist die Sanktionierung von Unternehmen bei Straftaten, die im Rahmen der Tätigkeit des Unternehmens begangen werden. Zu diesen zählt auch die Steuerhinterziehung, soweit sie zu Gunsten des jeweiligen Unternehmens erfolgte. Im Unterschied zur noch geltenden Rechtslage wird die Strafverfolgungsbehörde neben dem Ermittlungsverfahren gegen die tatverdächtigte Person dann auch zwingend ein sog. Sanktionsverfahren gegen das Unternehmen führen. Auch wenn die Neuregelung noch viele Fragen offenlässt, ist zumindest zu begrüßen, dass Compliance-Maßnahmen der Unternehmen sowie unternehmensseitige Bestrebungen zur Aufklärung der Rechtsverstöße mildernde Berücksichtigung finden. Im Ergebnis kann somit ein funktionierendes Tax-Compliance-Management-System bei Verstößen eine Sanktion gegen das Unternehmen deutlich abmildern oder gar vollständig abwenden.
1 Hohe Strafzahlungen drohen für die Unternehmen
Das geplante Verbandssanktionengesetz befindet sich schon seit Längerem in der politischen Diskussion. Bereits im August 2019 hatte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz einen entsprechenden Referentenentwurf veröffentlicht, der erhebliche Sanktionsmöglichkeiten bis hin zur Auflösung des betroffenen Unternehmens (sog. „Verbandsauflösung“) vorsah. Der jetzt vorliegende Entwurf der Bundesregierung wurde insoweit entschärft, als eine Verbandsauflösung nicht mehr vorgesehen ist. Trotzdem drohen hohe Geldstrafen, die existenzbedrohend sein können. Bei Unternehmen mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als EUR 100 Millionen kann eine Geldstrafe in Höhe von bis zu 10 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes verhängt werden. Hohe Umsätze bedeuten jedoch nicht gleich Gewinne. Branchen mit hohen Umsätzen und niedriger Gewinnmarge werden solche Geldstrafen nicht aufbringen können. Hier besteht im Vergleich mit der Geldstrafe gegen natürliche Personen, die sich an deren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit orientiert, noch Verbesserungsbedarf. Bei Unternehmen mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz unter EUR 100 Millionen kann die Sanktion bis zu EUR 10 Millionen für vorsätzliche Taten und bis zu EUR 5 Millionen für fahrlässig begangene Straftaten betragen. Zu beachten ist, dass neben den Unternehmensformen des Privatrechts auch juristische Personen des öffentlichen Rechts in den Anwendungsbereich des Verbandssanktionengesetzes fallen.
 
2 Legalitätsprinzip führt zwingend zu Sanktionsverfahren gegen das Unternehmen
Im Bereich der Umsatzsteuer sind Fehler leider nicht auszuschließen. Die Verpflichtung, unterjährig zwölf Umsatzsteuer-Voranmeldungen innerhalb sehr kurzer Fristen einzureichen, birgt ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Zudem knüpft die Umsatzsteuer an eine Vielzahl von Einzelsachverhalten an. Digitalisierung, elektronische Erfassung und softwarebasierte Buchhaltung sind Fluch und Segen zugleich. Eine falsche Einstellung in der Steuersoftware kann gravierende Fehler in der Umsatzsteuererklärung nach sich ziehen. Eine vermeintliche Steuerbefreiung führt bei Massensachverhalten schnell zu einer Berichtigung im Millionenbereich. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass Finanzbehörden sensibler auf Berichtigungen reagieren. Bei hohen Berichtigungssummen ist die Wahrscheinlichkeit deutlich gestiegen, dass Ermittlungsverfahren gegen die Steuerverantwortlichen eingeleitet werden. Nach dem Entwurf des geplanten Verbandssanktionengesetzes muss die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamtes sodann auch zwingend ein Sanktionsverfahren gegen das betroffene Unternehmen einleiten (Legalitätsprinzip). Dies gilt auch für Ermittlungen des Zolls im Bereich Zölle, Einfuhrumsatzsteuer und Verbrauchsteuern. Nach bisher geltender Rechtslage ist es eine Ermessensentscheidung der jeweiligen Bußgeldbehörde, ob im Fall einer Steuerhinterziehung auch eine Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG gegen das betroffene Unternehmen verhängt wird (Opportunitätsprinzip). 
 
3 Tax Compliance als Verteidigungsansatz
Ein funktionierendes Tax-Compliance-Management-System ist ein ganz zentrales Element, wenn belegt werden muss, welche Maßnahmen das Unternehmen ergriffen hat, um die Erfüllung seiner steuerrechtlichen Pflichten sicherzustellen. Hier geht es zum einen um interne Vorgaben für die Bearbeitung steuerrelevanter Aufgaben. Zum anderen werden aber auch unternehmensinterne Kontrollen sowie Präventionsmaßnahmen zur Verhinderung von Regelverstößen eine entscheidende Rolle bei der Verteidigung im Sanktionsverfahren spielen. Klassische Strafverteidigungsmethoden wie Schweigen und Hoffen, dass der Vorwurf am Ende nicht für eine Verurteilung ausreicht, sind in diesem Rahmen nicht erfolgversprechend. Bei klassischen Berichtigungssachverhalten ist die falsche steuerrechtliche Handhabung meist unstreitig. Somit konzentrieren sich die Verteidigungsmöglichkeiten auf die Darlegung, was das Unternehmen alles getan hat, um Verstöße gegen steuerrechtliche Vorgaben zu verhindern. 
 
4 Verteidigung aus dem Steuerrecht heraus bei steuerrechtlichen Streitfragen
Soweit dem Vorwurf eine steuerrechtliche Streitfrage zugrunde liegt (zum Beispiel, ob der betroffene Sachverhalt im Inland steuerbar ist oder ob die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung vorliegen), beginnt die Verteidigung bereits im Steuerverfahren. Denn ein Sachverhalt, der sich am Ende als im Inland nicht steuerbar herausstellt, kann folglich auch nicht Gegenstand einer Steuerhinterziehung sein. Hier ist ein zeitlich früher Verteidigungsansatz im Steuerverfahren maßgeblich für den Erfolg im Straf- und Sanktionsverfahren. Werden die Einwände gegen eine bereits bestandskräftig festgesetzte Steuer erst vor den Strafgerichten erhoben, wird das Unternehmen die Richter nur schwer davon überzeugen können, dass das Finanzamt oder der Zoll zu Unrecht Steuern festgesetzt hat.
 
 
Ansprechpartner:
 
 
Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht,
Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: +49 89 217501230
 
Stand: 26.06.2020