Umsatzsteuer Newsletter 22/2023
BMF-Schreiben zu Reihengeschäften – insbesondere zu Transportveranlassung und Verwendung der USt-IdNr.
Ein Bestandteil der zum 01.01.2020 in Kraft getretenen Quick Fixes war die Neuregelung zur Transportzuordnung im Reihengeschäft, wenn der mittlere Unternehmer den Transport organisiert. Auch der deutsche Gesetzgeber übertrug die Regelung ins nationale Recht und nahm dies gleichzeitig zum Anlass, die Transportzuordnung für alle möglichen Konstellationen gesetzlich zu regeln. Dies hat in der Praxis für Rechtssicherheit gesorgt. Einige Fragen waren jedoch offengeblieben. Jetzt, nach über drei Jahren, veröffentlicht das BMF seine Stellungnahme zum Thema Reihengschäfte.
1 Hintergrund
Gemäß Art. 36a MwStSystRL, umgesetzt in deutsches Recht in § 3 Abs. 6a Satz 4 ff. UStG, besitzt seit dem 01.01.2020 ein mittlerer Unternehmer im Reihengeschäft, der gleichzeitig den Transport veranlasst (Zwischenhändler), das umsatzsteuerliche Privileg, durch Verwendung einer bestimmten USt-IdNr. die Zuordnung der sog. „bewegten“ Lieferung zu bestimmen. Zum Zwischenhändler wird ein mittlerer Unternehmer erst, wenn er auch den Transport veranlasst. Dann kann er die „bewegte“ Lieferung über die Verwendung einer USt-IdNr. verschieben und so ggf. eine Registrierungspflicht in einem anderen Land vermeiden. Die EU-Regelung entsprach der davor in Deutschland geltenden Rechtslage. Aus rein deutscher Sicht gab es also damals nicht allzu viel Änderungsbedarf. Trotzdem blieben noch offene Fragen, u. a. zum Gebrauch der Begriffe „Transportveranlassung“ und „Verwendung der USt-IdNr.“ im grenzüberschreitenden Kontext. 
 
2 Bestimmung der bewegten Lieferung im Reihengeschäft
Die Transportzuordnung im Reihengeschäft (bewegte Lieferung) hängt davon ab, ob der Gegenstand durch den ersten Lieferer (erste Lieferung = bewegt), den letzten Abnehmer (letzte Lieferung = bewegt) oder einen Zwischenhändler (= Wahlrecht) transportiert wird. Eine nicht immer auf EU-Ebene einheitlich leicht zu treffende Entscheidung ist, „durch wen“ der Transport erfolgt, wenn dieser nicht mit eigenem Transportmittel vorgenommen wird. Das BMF nimmt dazu im Schreiben vom 25.04.2023 wie folgt Stellung:
  • Im Fall der Versendung ist auf die Auftragserteilung an den selbständigen Beauftragten abzustellen.
  • Eine abweichende Zuordnung ist nur zulässig, wenn der Unternehmer nachweist, dass der Transport auf Rechnung eines anderen Unternehmers erfolgt ist und dieser tatsächlich die Gefahr des zufälligen Untergangs des Gegenstands während des Transports getragen hat.
3 Verwendung der Umsatzsteueridentifikationsnummer 
Sofern ein Zwischenhändler in ein Reihengeschäft involviert ist, ist die bewegte Lieferung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Diesen Nachweis kann der Zwischenhändler in der EU einheitlich durch Verwendung einer bestimmten USt-IdNr. erbringen. Der Begriff „Verwendung“ wird in den einzelnen Mitgliedstaaten allerdings unterschiedlich verstanden. Die deutsche Sichtweise war bisher sehr restriktiv und erforderte ein aktives Tun des Leistenden. Und das BMF bleibt dabei:
  • Der Begriff „Verwendung“ setzt weiterhin ein positives Tun des (mittleren) Unternehmers voraus, spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung. Nachträgliche Änderungen bei der Verwendung der USt-IdNr. bleiben ohne Auswirkung. 
  • Die verwendete USt-IdNr. soll in dem jeweiligen Auftragsdokument schriftlich festgehalten werden. Mündliche Verwendung erfordert eine Dokumentation der USt-IdNr. und des Zeitpunkts der Verwendung.
  • Es reicht jedoch aus, wenn die Verwendung bewusst einmal für alle zukünftigen Lieferungen erfolgt. 
  • Eine Verwendung kann ausnahmsweise konkludent angenommen werden, wenn alle Parteien die Beurteilung einheitlich getroffen haben und ihre damit zusammenhängenden Deklarationspflichten vollständig erfüllt haben.
4 Weitere Aussagen im BMF-Schreiben
  • Ein unmittelbares Gelangen i.S.d. § 3 Abs. 6a Satz 1 UStG ist bei einer Transportveranlassung durch mehrere beteiligte Unternehmer weiterhin nicht gegeben. In diesem Fall zerfällt das Reihengeschäft.
  • Das BMF führt die über den Anwendungsbereich des Art. 36a MwStSystRL hinausgehenden Regelungen im UStG zu Lieferungen mit Bezug zum Drittland aus und nennt einige Beispiele.
  • Die Verwendung einer ausländischen USt-IdNr. allein führt noch nicht zu einer geänderten steuerlichen Beurteilung (etwa bei einer lokalen Lieferung).
  • Die BMF-Grundsätze sind nicht auf fiktive Lieferketten beim Fernverkauf über Online-Marktplätze anzuwenden.
5 Folgen für die Praxis
Das BMF-Schreiben ist, in Anbetracht der Zeit, die es gebraucht hat, keine Offenbarung. Die Rechtslage im Inland hatte sich schon mit Einführung der Quick Fixes nicht geändert. Vielmehr mussten im Grunde die anderen Mitgliedstaaten den deutschen Rechtsrahmen übernehmen. Das BMF bleibt beim Begriff der „Verwendung“ seiner alten Auffassung treu, die ein aktives Tun des Zwischenhändlers fordert. Es soll auch keine Möglichkeit eingeräumt werden, eine (unabsichtlich) falsche Verwendung der USt IdNr. zu heilen. Das sieht man sowohl bei der EU-Kommission als auch in bestimmten Mitgliedstaaten anders. Beim Begriff der Transportveranlassung kommt es weiterhin grundsätzlich auf die zivilrechtliche Betrachtung bei der Beauftragung einer Speditionsleistung an. Wichtig ist jedenfalls die Aussage, dass das Warenuntergangsrisiko doch eine Rolle spielen kann. Denn nicht alle Mitgliedstaaten stellen auf die zivilrechtliche Beauftragung ab, sondern auch die INCOTERMS können unter Umständen relevant sein. 
 
Dem BMF-Schreiben fehlt die erhoffte Kollisionsregelung in Sachen gebrochener Transport. Eine Transportveranlassung durch mehrere Beteiligte lässt aus deutscher Sicht das Reihengeschäft platzen. Viele Mitgliedstaaten dagegen erlauben Konstellationen, bei denen aus logistischen Gründen mehrere Parteien für den Transport zuständig sind. Die Unternehmer müssen also weiter mit dem Risiko der Straferwerbsteuer leben, wenn zwei Mitgliedstaaten diese Frage unterschiedlich handhaben. Leider bleibt das BMF auch weiterhin bei seiner für die Praxis nicht immer nachvollziehbaren Position, dass im Reihengeschäft mit mehr als drei Beteiligten die Vereinfachungsregelung für Dreiecksgeschäfte nur von den letzten drei Beteiligten angewandt werden kann. Viele Mitgliedstaaten erlauben deren Anwendung unabhängig von der Position der Beteiligten im Reihengeschäft, sofern die eigentlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Ansprechpartner:
 

Dr. Atanas Mateev
Dipl.-Wirtschaftsjurist (Univ.), Steuerberater
Tel.: +49 89 217501253
atanas.mateev@kmlz.de

Stand: 04.05.2023