Umsatzsteuer Newsletter 21/2021
EuGH: Vermietung einer Immobilie ohne eigenes Personal begründet keine feste Niederlassung
Die Voraussetzungen für die Begründung einer festen Niederlassung stehen regelmäßig auf dem Prüfstand, sowohl national als auch international. In der aktuellen Rechtssache Titanium (C-931/19) musste sich der EuGH mit der Frage beschäftigen, ob für die Begründung einer festen Niederlassung sowohl personelle als auch technische Ausstattung vorhanden sein muss. Im konkreten Fall musste geklärt werden, ob eine vermietete Immobilie, bei der kein eigenes Personal vor Ort tätig war, eine feste Niederlassung begründen kann.
1 Hintergrund
Nach der gesetzlichen Definition setzt eine feste Niederlassung eine beständige Struktur voraus. Das heißt, eine feste Niederlassung muss von ihrer personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung von Leistungen oder den Empfang von Leistungen erlauben (vgl. Art. 11 MwStVO). Nach dem Wortlaut der Norm müssen für die Begründung einer festen Niederlassung demnach sowohl personelle als auch technische Mittel vorhanden sein.
 
In der Vergangenheit hatten einige deutsche Finanzgerichte entschieden, dass auch Windkraftanlagen, bei denen kein eigenes Personal des Betreibers vor Ort bei den Windrädern tätig wird, als feste Niederlassungen angesehen werden können (vgl. insbes. FG Münster, Urt. v. 05.09.2013 – 5 K 1768/10 U). Die Gerichte begründeten ihre Entscheidung damit, dass die fehlende personelle Ausstattung durch eine überdurchschnittlich stark ausgeprägte technische Ausstattung kompensiert werde. In einem ähnlich gelagerten Fall der Vermietung einer Immobilie hatte nun das österreichische Bundesfinanzgericht den EuGH um Vorabentscheidung gebeten.
 
2 Sachverhalt
Die Titanium Limited („Titanium“) mit Sitz in Jersey vermietete eine in Österreich belegene Immobilie umsatzsteuerpflichtig an zwei österreichische Unternehmer. Mit der Verwaltung der Immobilie beauftragte Titanium ein österreichisches Hausverwaltungsunternehmen. Dieses übernahm im Wesentlichen Aufgaben wie die Vermittlung von Dienstleistern und Lieferanten, Abrechnung der Mieten und Betriebskosten, Dokumentation der Geschäftsaufzeichnungen, Vorbereitung der Umsatzsteuererklärungen und Ähnliches. Die Hausverwaltung nutzte für diese Tätigkeiten ihre eigenen Räumlichkeiten und ihr eigenes Personal. Bei Titanium verblieb die Entscheidungsgewalt über die Begründung und Auflösung von Mietverhältnissen und deren wirtschaftliche und rechtliche Konditionen, Durchführung von Investitionen und Reparaturen, Auswahl der Dienstleister und Beauftragung der Hausverwaltung.
 
Titanium wies in den Rechnungen an die Mieter keine österreichische Mehrwertsteuer aus. Aufgrund ihrer mangelnden personellen Ausstattung ging Titanium davon aus, dass sie keine feste Niederlassung in Österreich unterhalte und die Steuerschuld aus den Leistungen demnach auf die österreichischen Leistungsempfänger übergehe (vgl. Art. 196 MwStSystRL). Das Finanzamt dagegen vertrat die Auffassung, dass die vermietete Immobilie sehr wohl eine feste Niederlassung begründe, und setzte gegen Titanium österreichische Mehrwertsteuer fest. Titanium klagte gegen die Steuerfestsetzung. Das Bundesfinanzgericht in Österreich legte dem EuGH die Frage vor, ob für die Begründung einer festen Niederlassung stets eine personelle wie technische Ausstattung gegeben sein muss oder ob die steuerpflichtige Vermietung im vorliegenden Fall auch ohne personelle Ausstattung als feste Niederlassung betrachtet werden kann.
 
3 Entscheidung des EuGH
Der EuGH verneint in seinem Urteil vom 03.06.2021 (Rs. C-931/19 – Titanium) die vorgelegte Frage des österreichischen Bundesfinanzgerichts. Eine vermietete Immobilie, bei der kein eigenes Personal für die Vermietungsleistung vorhanden sei, begründe keine feste Niederlassung. Dies folge aus dem Wortlaut des Art. 11 MwStVO und der dazu ergangenen Rechtsprechung, wonach eine feste Niederlassung stets sowohl personelle als auch technische Ausstattung voraussetzt. Sofern es, wie im zugrunde liegenden Fall, an eigenem Personal fehle, sei eine Subsumption unter den Begriff „feste Niederlassung“ nicht möglich. Dies gelte gleichermaßen sowohl für aktive feste Niederlassungen (Leistungserbringung durch die feste Niederlassung) als auch passive feste Niederlassungen (Leistungsempfang durch die feste Niederlassung).
Nach Auffassung des EuGH erfordert eine feste Niederlassung also sowohl eigene personelle als auch eigene technische Ausstattung. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Sofern es an einem Element fehlt, scheidet die Annahme einer festen Niederlassung aus. 
 
4 Praxisfolgen 
Die Beauftragung eines externen Dienstleisters kann also nach Auffassung des EuGH nicht den Mangel eigenen Personals kompensieren und eine feste Niederlassung begründen. Das Urteil des EuGH fällt bemerkenswert klar aus. Auch inhaltlich ist die Entscheidung für Unternehmen durchaus erfreulich. Zumindest für den Fall, dass der Dienstleister keine Entscheidungsgewalt in Bezug auf die Rechtsbeziehung zum Leistungsempfänger hat, ersetzt das Engagement eines Dienstleisters nicht eigene personelle Ausstattung. Die früheren Entscheidungen der deutschen Finanzgerichte sind durch die neue EuGH-Rechtsprechung wohl überholt. Vor allem Betreiber von Windkraftanlagen, aber auch Unternehmer mit vergleichbaren Fallgestaltungen sollten das Urteil vor diesem Hintergrund im Auge behalten. Aber auch der BFH hat sich in seiner Rechtsprechung der Auffassung der Generalanwältin in der Rechtssache Welmory (C-605/12) angeschlossen (vgl. BFH, Urt. v. 15.02.2017 – XI R 21/15). Der BFH ging in diesem Fall davon aus, dass auch fremdes Personal (eines beauftragten Dienstleisters) eigene personelle Mittel des Unternehmers ersetzen könnte (wenn die Voraussetzungen im konkreten Sachverhalt auch nicht vorlagen).
 
Schließlich muss auch die Finanzverwaltung prüfen, wie sie mit der Entscheidung des EuGH umgeht. Nach Abschn. 13b.11 Abs. 2 S. 2 UStAE gilt ein Unternehmer, der ein im Inland belegenes Grundstück besitzt und steuerpflichtig vermietet, ohne weitere Differenzierung als ansässig. Diese Aussage ist wohl in dieser Form nicht mehr haltbar. 
 

Ansprechpartner:

Dr. Christian Salder
Rechtsanwalt, Steuerberater,
Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: +49 89 217501285
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Stand: 14.06.2021