Umsatzsteuer Newsletter 16/2025
Italien: Update zur Beteiligung einer Betriebstätte an innergemeinschaftlichen Warenlieferungen
Die italienische Betriebstätte eines deutschen Stammhauses ist als maßgeblich beteiligt an einer Warenlieferung des deutschen Stammhauses an einen italienischen Kunden anzusehen. So hatte die italienische Finanzverwaltung im Rahmen einer verbindlichen Auskunft im Jahr 2023 entschieden. Kürzlich musste die italienische Finanzverwaltung in einem ähnlichen Fall erneut urteilen und nahm eine entscheidende Abgrenzung vor: Die Beteiligung einer Betriebstätte an einer Warenlieferung sei auszuschließen, wenn die Betriebstätte lediglich unterstützende, verwaltungstechnische Tätigkeiten erbringe.
1 Hintergrund
Erbringt eine Betriebstätte eine sonstige Leistung oder wird eine sonstige Leistung an eine Betriebstätte erbracht, ist für die Bestimmung des Leistungsorts der Ort der Betriebstätte maßgeblich. Eine Betriebstätte ist in die Leistungserbringung eingeschaltet, wenn die Leistung ganz oder überwiegend durch technische und personelle Mittel der Betriebstätte ausgeführt wird. Nur unterstützende, verwaltungstechnische Tätigkeiten der Betriebstätte dagegen reichen für eine Beteiligung an der Leistungserbringung nicht aus.
 
In unserem KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 11 | 2023 hatten wir über eine Entscheidung der italienischen Finanzverwaltung berichtet, wonach die italienische Betriebstätte eines deutschen Stammhauses als maßgeblich beteiligt an einer Warenlieferung des deutschen Stammhauses an einen italienischen Kunden angesehen wurde. Demzufolge führte das Stammhaus ein innergemeinschaftliches Verbringen an die Betriebstätte aus und die Betriebstätte erbrachte eine in Italien steuerbare und steuerpflichtige Lieferung an den Kunden (ohne Steuerschuldübergang). Kürzlich entschied die italienische Finanzverwaltung erneut über die Beteiligung einer Betriebstätte an einer innergemeinschaftlichen Warenlieferung und traf eine entscheidende Abgrenzung (vgl. Agenzia delle Entrate, Tax Ruling Nr. 64/2025).
 
2 Sachverhalt
A, ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland (Stammhaus), ist mittelbar an einer italienischen Gesellschaft („B“) beteiligt. Zum Aufgabenbereich von B gehört unter anderem der Vertrieb der Produkte von A in Italien. Zu diesem Zweck erwirbt B Produkte von A und verkauft diese an Kunden in Italien.
Darüber hinaus unterhält A eine Betriebstätte in Italien. A beschäftigt vor Ort in Italien einen Mitarbeiter, der neue Produkte von A bei den Vertriebsmitarbeitern vorstellt, ihnen die Funktionsweise und Marketingstrategie der Produkte erläutert und technische Fragen beantwortet. Daneben unterstützt er A bei der Entwicklung und Konstruktion neuer Maschinen unter Beachtung technischer Standards für den italienischen Markt. Der Mitarbeiter ist weder an der Verhandlung noch am Abschluss von Verträgen mit Kunden beteiligt und übernimmt auch sonst keinerlei Managementtätigkeiten für A. A hatte Zweifel, ob ggfs. die italienische Betriebstätte von A als beteiligt an den Warenlieferungen an B anzusehen ist. Daher bat A die italienische Finanzverwaltung um Klärung, ob eine Beteiligung der Betriebstätte anzunehmen sei, so dass folglich die Betriebstätte von A (anstelle von B) Leistungsempfängerin der Warenlieferungen und damit Steuerschuldnerin der innergemeinschaftlichen Erwerbe in Italien wäre.
 
3 Auffassung der italienischen Finanzverwaltung
Zunächst bestätigt die italienische Finanzverwaltung die Grundsätze aus der früheren Entscheidung Nr. 57/2023 (KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 11 | 2023). Danach hängt die mehrwertsteuerliche Beurteilung des Sachverhalts davon ab, ob die Betriebstätte maßgeblich in die Warenlieferungen von A an B involviert ist. Die italienische Finanzverwaltung legt Art. 192a MwStSystRL und Art. 53 MwStVO dahingehend aus, dass diese auch auf innergemeinschaftliche Erwerbe Anwendung finden. Folglich könne eine Betriebstätte an innergemeinschaftlichen Transaktionen in der Weise beteiligt sein, dass sie Empfänger und Steuerschuldner der innergemeinschaftlichen Warenerwerbe wird.
 
Im zugrunde liegenden Fall schließt die italienische Finanzverwaltung eine Beteiligung der Betriebstätte an den Warenlieferungen jedoch aus. Die Betriebstätte übe hier nur eine beratende und technische Unterstützungsfunktion im Zusammenhang mit den Produktverkäufen von A an B aus. Sie sei nicht in Vertragsverhandlungen und -abschlüsse mit Kunden involviert und trage auch sonst in keiner Weise zu den Produktverkäufen an B bei. Rein unterstützende Tätigkeiten reichten für eine Beteiligung der Betriebstätte an den Warenlieferungen aber nicht aus. Somit erbringt A (unmittelbar) innergemeinschaftliche Lieferungen an B. B schuldet als Leistungsempfänger die Mehrwertsteuer aus den innergemeinschaftlichen Erwerben in Italien (und ist grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt).
 
4 Praxisfolgen
Die Entscheidung der italienischen Finanzverwaltung mag im Ergebnis richtig sein. Nach wie vor halten wir die Ausführungen der italienischen Finanzverwaltung und die Diskussion hinsichtlich der Beteiligung von Betriebstätten in vorgenannten Lieferkonstellationen aber für kritisch. Bewegte Lieferungen gelten immer dort als ausgeführt, wo der Warentransport beginnt. Daran ändert auch die Beteiligung einer Betriebstätte nichts. Aus deutscher Sicht führt A eine bewegte Lieferung an B aus. Diese gilt am Ort des Transportbeginns in Deutschland als ausgeführt und kann bei Vorliegen aller Voraussetzungen als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei sein. Die Betriebstätte in Italien hat auf die Ortsbestimmung bei Lieferungen keinen Einfluss.
 
Aus unserer Sicht kommt die italienische Finanzverwaltung daher mit einer „falschen“ Prüfung zum „richtigen“ Ergebnis – zumindest im entschiedenen Fall. Immerhin präzisiert bzw. grenzt die neue Entscheidung die verbindliche Auskunft aus dem Jahr 2023 ein. Betriebstätten, die rein unterstützende, administrative Tätigkeiten erbringen, gelten grundsätzlich nicht als an einer Warenlieferung beteiligt. Unternehmer sollten besonders aufmerksam sein. Die Entscheidungen der italienischen Finanzverwaltung sind einzelfallbezogen. Schon kleine Änderungen im Sachverhalt können zu einer anderen mehrwertsteuerlichen Beurteilung führen.
 
Ansprechpartnerin:
 
 
Steuerberaterin, Master of Science (M.Sc.)
Telefon: +49 (0) 89 217 50 12-82
 
Stand: 30.05.2025