Umsatzsteuer Newsletter 14/2023
Nullsteuersatz bei Photovoltaikanlagen: BMF-Schreiben kommt mit Änderungen
Mit Wirkung zum 01.01.2023 wurde durch das JStG 2022 in § 12 Abs. 3 UStG ein Umsatzsteuersatz von 0 % eingeführt. Dieser gilt für die Lieferung, die Einfuhr, den innergemeinschaftlichen Erwerb und die Installation von Photovoltaikanlagen sowie deren wesentliche Komponenten. Mit dem Ende Januar veröffentlichten Entwurf des BMF-Schreibens ging die Diskussion, wie die Voraussetzungen der Neuregelung auszulegen sind, in die letzte Runde. Das nun erschienene BMF-Schreiben unterscheidet sich in einzelnen Punkten deutlich vom Entwurf.
1 Stellungnahme des BMF zu einzelnen Voraussetzungen
Das BMF hat am 27.02.2023 das BMF-Schreiben zum Nullsteuersatz bei Photovoltaikanlagen veröffentlicht. Der Nullsteuersatz soll demnach einen größeren Anwendungsbereich als im Entwurf des BMF-Schreibens vorgesehen (KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 05 | 2023) erhalten. Die Voraussetzungen für die Anwendung des Nullsteuersatzes sind laut BMF wie folgt zu interpretieren:
  • Die Lieferung …: Begünstigt werden Umsätze, die als Lieferung zu qualifizieren sind. Die Leistung ist insgesamt als einheitliche Leistung zu beurteilen. Das BMF-Schreiben führt Beispiele von Nebenleistungen an, die als solche das Schicksal der Hauptleistung teilen, sofern sie vom selben Unternehmer erbracht werden. Darunterfallen kann sowohl die Lieferung von Gegenständen (u. a. Wechselrichter) als auch die Erbringung von sonstigen Leistungen (z. B. Zählerschrankerweiterung, Softwareüberlassung, Anmeldung beim Marktstammdatenregister (MaStR)). Die Vermietung von PV-Anlagen unterliegt dem regulären Steuersatz. Leasing- oder Mietkaufverträge sind nur begünstigt, wenn sie als Lieferung zu qualifizieren sind.
  • von Solarmodulen …: netzgebundene PV-, Insel- und Aufdachanlagen, die vom Bauträger geliefert werden. 
  • sowie Speicher und wesentliche Komponenten …: Gegenstände, die für den Betrieb der PV-Anlage bestimmt oder aufgrund einer Vorschrift notwendig sind. Das BMF-Schreiben nennt einige Abgrenzungsbeispiele.
  • an den Betreiber einer PV-Anlage …: Begünstigt sind nur Lieferungen an den Betreiber (Person im MaStR). Die Lieferungen zuvor (z. B. an Zwischenhändler, Leasinggeber, Mietverkäufer) unterliegen dem Regelsteuersatz.
  • auf oder in der Nähe eines begünstigten Gebäudes: Laut BMF-Schreiben sollen im Vergleich zum Entwurf zusätzlich auch Schulcontainer als begünstigtes Gebäude gelten, sofern sie für hoheitliche Zwecke eingesetzt werden.
  • Installationsarbeiten: Die Installation einer PV-Anlage und die damit verbundenen Tätigkeiten (z. B. Elektroinstallation) sind begünstigt, wenn sie als selbständige Leistung gegenüber dem PV-Anlagenbetreiber erbracht werden.
Der leistende Unternehmer hat nachzuweisen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen zur Anwendung des Nullsteuer¬satzes erfüllt sind. Es ist ausreichend, wenn der Erwerber dies z. B. vertraglich (auch durch AGB möglich) erklärt.
 
2 Vereinfachungsregelungen
Zur Erleichterung der Praxis hat das BMF die Neuregelung mit Vereinfachungsregelungen flankiert. Diese gelten jedoch stets nur für die einzelnen Voraussetzungen und dürfen bei der Prüfung des Nullsteuersatzes nicht vermischt werden:
  • Begünstigtes Gebäude I: Die Belegenheitsvoraussetzungen gelten stets als erfüllt, wenn die Leistung der PV-Anlage nicht mehr als 30 kW (peak) beträgt und im MaStR eingetragen wurde.
  • Begünstigtes Gebäude II: Wird das Gebäude für schädliche und unschädliche Zwecke genutzt, gilt es als begünstigt, sofern unschädliche Umsätze auf mehr als 10 % der Nutzfläche erbracht werden (im Entwurf als 50/50-Regelung).
  • Betreiber: Dies ist der derjenige, der im MaStR registrierungspflichtig ist, auch wenn keine Registrierung erfolgt.
  • PV-Anlage I: Solarmodule mit einer Leistung > 300 W (im BMF-Entwurf noch > 500 W) sind begünstigt.
  • PV-Anlage II: Liegt die Leistung der Anlage unter 600 W, entfällt die Nachweispflicht des Leistenden. Die Betreibereigenschaft des Kunden wird unterstellt (außer bei Lieferungen durch PV-Anlagenhersteller und im Großhandel).
3 Spezialfall „Altanlagen“
Das BMF-Schreiben hält an den im Entwurf (KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 05 | 2023) enthaltenen Aussagen zu Fällen, in welchen der Betreiber einer vor dem 01.01.2023 fertiggestellten Anlage auf die Kleinunternehmerregelung verzichtet hat, fest. Darunter fällt auch die (wohl ohne Rechtsgrundlage) genannte Voraussetzung, dass eine Entnahme nur dann möglich ist, wenn der Unternehmer mehr als 90 % des erzeugten Stroms für nichtunternehmerische Zwecke verwendet. Anstatt diese kritisch gesehene Voraussetzung anders zu gestalten (z. B. durch Teilentnahme), hat das BMF eine Vereinfachungsregelung festgelegt: Sofern die PV-Anlage mit einem Speicher ausgestattet ist, soll die Entnahme möglich sein. 
 
4 Folgen für die Praxis
Das BMF-Schreiben ist zu begrüßen. Das BMF ist der Praxis an vielen Stellen entgegengekommen und hat noch mit Klarstellungen und Vereinfachungsregelungen nachgerüstet. Die unterschiedlichen Vereinfachungsregelungen werden bestimmte Branchen entlasten. So wird z. B. vor allem der Onlinehandel vom Entfallen der Nachweispflichten bei Anlagen < 600 W profitieren. Denn in dieser Branche ist die sonst erforderliche Kundenbestätigung mangels direkten Kontaktes schwierig einzuholen. Dennoch bleibt die Frage, wann ein Onlinehändler als Großhändler qualifiziert wird. Auch werden nicht alle Akteure ohne Weiteres die Neuregelung anwenden können. Vor allem bei Leasing- und Mietkaufmodelle besteht Handlungsbedarf, wenn diese von der Regelung profitieren sollen. Die betreffenden Händler müssen an zwei entscheidenden Schrauben drehen und die Verträge mit den Kunden anpassen: Erstens muss es sich bei der Leistung um eine umsatzsteuerliche Lieferung (und nicht um eine sonstige Leistung) handeln. Zweitens muss der Kunde auch der Betreiber der PV-Anlage werden. Ein Kritikpunkt ist auch die aus rechtlicher Sicht nicht ganz nachvollziehbare Voraussetzung für die Entnahme einer Altanlage. Nun soll diese an das Vorhandensein eines Speichers geknüpft sein. Dieses Erfordernis wird künftig zu einem Nachrüsten von Speichern führen, um eine Altanlage begünstigt entnehmen zu können. Speicher sind aber aus ökologischer und wirtschaftlicher Sicht nicht für jede PV-Anlage sinnvoll. Das BMF-Schreiben bleibt auch eine klare Aussage dazu schuldig, was ein „Speicher“ sein soll. Schließlich könnte jemand argumentieren, dass der erzeugte Strom auch in einem PKW gespeichert werden kann.
 
Ansprechpartner: 
 

 

Dr. Atanas Mateev
Dipl.-Wirtschaftsjurist (Univ.), Steuerberater
Tel.: +49 89 217501253
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Stand: 08.03.2023