Umsatzsteuer Newsletter 13/2021
E-Commerce: BMF nimmt Stellung zur Einbeziehung von Online-Marktplätzen ins fiktive Reihengeschäft
Das BMF hat am 01.04.2021 ein Schreiben zu den neuen Regelungen im E-Commerce veröffentlicht. Nachdem wir Ihnen im letzten Newsletter die im BMF-Schreiben enthaltenen „Highlights“ aus Sicht eines Fernverkäufers vorgestellt haben, erläutern wir Ihnen heute die Änderungen mit Bezug auf Online-Marktplätze. Die Ausführungen des BMF inklusive der zahlreichen Beispielsfälle enthalten einige wichtigen Klarstellungen und dürften eine zutreffende Anwendung der komplexen Vorschriften zum fingierten Reihengeschäft erleichtern.
1 Hintergrund
Mit Wirkung zum 01.07.2021 wird nach § 3 Abs. 3a UStG in bestimmten Fällen ein Reihengeschäft zwischen Onlinehändler, elektronischer Schnittstelle (z. B. Online-Marktplatz) und Endkunde fingiert. Der Online-Marktplatz wird so zum Steuerschuldner. Mit Schreiben vom 01.04.2021 nimmt das BMF zu den Neuregelungen Stellung.
 
2 Anwendungsfälle des fiktiven Reihengeschäftes
§ 3 Abs. 3a Satz 1 UStG betrifft Warenlieferungen über einen Online-Marktplatz an Nichtunternehmer durch einen nicht in der EU ansässigen Onlinehändler. Dabei beginnt die Beförderung oder Versendung in der EU und endet im gleichen oder in einem anderen Mitgliedstaat. Kein Reihengeschäft wird fingiert, wenn der Onlinehändler in der EU ansässig ist oder eine Betriebsstätte in der EU hat. 
 
§ 3 Abs. 3a Satz 2 UStG betrifft Fernverkäufe von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro. Diese Fernverkäufe erfolgen mithilfe eines Online-Marktplatzes an Nichtunternehmer oder an eine in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannte Person, die weder die Erwerbsschwelle überschreitet noch auf deren Anwendung verzichtet. Dies gilt unabhängig von der Ansässigkeit des Onlinehändlers. 
 
3 Klarstellung zu unterschiedlichen Erwerbern
Die Regelungen des § 3 Abs. 3a Satz 1 und Satz 2 UStG gelten für unterschiedliche Erwerber. Während es sich in den Fällen des § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG beim Erwerber um einen Nichtunternehmer handelt, kann ein Erwerber in den Fällen des § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG auch eine in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannte Person sein, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreitet noch auf deren Anwendung verzichtet. Darunter fallen Unternehmer, die nur steuerfreie – nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende – Umsätze ausführen, Kleinunternehmer, pauschalierende Land- und Forstwirte und juristische Personen, die nicht Unternehmer sind oder den Gegenstand nicht für das Unternehmen erwerben.
 
4 Klarstellung zum „Unterstützen“ im Sinne des § 3 Abs. 3a UStG
Das BMF stellt klar, dass ein „Unterstützen“ durch den Online-Marktplatz vorliegt, wenn er es einem Erwerber und einem Onlinehändler, der über den Online-Marktplatz Gegenstände zum Verkauf anbietet, ermöglicht, in Kontakt zu treten, woraus eine Lieferung von Gegenständen über diesen Online-Marktplatz an den Erwerber resultiert. Weiterhin führt das BMF aus, unter welchen kumulativ vorliegenden Voraussetzungen kein „Unterstützen“ durch den Online-Marktplatz vorliegt. Sowohl die Definition als auch die Negativabgrenzung finden sich wortgleich in § 25e Abs. 6 UStG sowie in Art. 5b MwStVO. Auch listet das BMF einige Merkmale auf (weder abschließend noch kumulativ zu verstehen), welche darauf hindeuten können, dass kein „Unterstützen“ durch den Online-Marktplatz vorliegt. Hierbei übernimmt das BMF wortgleich die Erläuterungen der EU-Kommission zu den Mehrwertsteuervorschriften für den elektronischen Geschäftsverkehr.
 
5 Klarstellung zur „Sendung” im Sinne des § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG
Das Reihengeschäft nach § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG setzt eine Sendung mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro voraus. Das BMF konkretisiert den Begriff „Sendung“, indem es ebenfalls auf die Erläuterungen der EU-Kommission zu den Mehrwertsteuervorschriften für den elektronischen Geschäftsverkehr zurückgreift. Danach stellt jedes einzelne Packstück grundsätzlich eine einzige Sendung dar. Gegenstände, die zusammen in demselben Packstück verpackt und gleichzeitig vom selben Versender an denselben Empfänger unter einem Beförderungsvertrag (z. B. Luftfrachtbrief, CMR, Postsendung nach Weltpostvertrag mit S10 Barcode) versandt werden, gelten als eine einzige Sendung. Gegenstände, die von derselben Person getrennt bestellt, aber zusammen in demselben Packstück versandt werden, werden ebenfalls als eine einzige Sendung betrachtet.
 
6 Auswirkungen auf die Praxis
Die Ausführungen des BMF inklusive der zahlreichen Beispielsfälle dürften eine zutreffende Anwendung der komplexen Vorschriften zum fingierten Reihengeschäft erleichtern. Viele neue Erkenntnisse enthält das BMF-Schreiben jedoch nicht. Zumeist ergeben sich die Klarstellungen bereits direkt aus dem Gesetz oder der MwStVO, welche unmittelbar anwendbares Recht darstellt. Erfreulich ist, dass das BMF teilweise die Erläuterungen der EU-Kommission wortgleich übernimmt und diese damit auf Ebene der Finanzverwaltung für bindend erklärt.
 
Von großer Praxisrelevanz sind die Ausführungen des BMF zur „Sendung“. Ein Online-Marktplatz kann den Warenwert der Sendung regelmäßig nicht überprüfen, wenn mehrere Bestellungen desselben Empfängers an denselben Onlinehändler vorliegen und die Versendung durch den Onlinehändler erfolgt. Denn der Online-Marktplatz weiß nicht, auf wie viele Packstücke die Lieferungen tatsächlich verteilt sind. Somit kann der Online-Marktplatz nicht feststellen, ob ein fiktives Reihengeschäft vorliegt (Sendung mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro) und ob er so zum Steuerschuldner wird. Um seinen umsatzsteuerrechtlichen Pflichten ordnungsgemäß nachzukommen, muss der Online-Marktplatz daher mit seinen Onlinehändlern vertragliche Vereinbarungen treffen, dass ihm sämtliche notwendigen Informationen (insb. Sachwert pro Sendung) zur Verfügung gestellt werden.
 

Ansprechpartner:

Dr. Matthias Oldiges
Rechtsanwalt
Tel.: +49 211 54 095 366
matthias.oldiges@kmlz.de

Stand: 09.04.2021