Umsatzsteuer Newsletter 12/2023
Krypto, NFT, Metaverse und Co. – Finanzverwaltung rüstet auf
In den letzten Jahren haben Blockchain-Technologien neue Einnahmequellen jenseits des mittlerweile bekannten Handels mit Kryptowährungen eröffnet. Ertragsteuerlich wurden einige Anwendungsfragen im BMF-Schreiben vom 10.05.2022 geklärt. Umsatzsteuerlich hat die Finanzverwaltung die Bereiche Non-Fungible-Token (NFTs), Validierung von Transaktionen durch sog. Staking-Pools, „Schenkung“ von Token (Airdrops), Metaverse-Transaktionen und viele weitere noch nicht durchdrungen. Dem Vernehmen nach rüstet die Finanzverwaltung nun intern auf und bildet Expertengruppen für die Umsatzbesteuerung der Krypto-Welt. Akteure des Web 3.0 sind angehalten, ihre Geschäftsmodelle anhand des umsatzsteuerlichen Prüfschemas der analogen Welt vertretbar zu würdigen.
1 Hintergrund
Die wirtschaftliche Bedeutung von Kryptowährungen nimmt durch den stetigen technologischen Fortschritt und immer neue Blockchain-basierte Geschäftsmodelle kontinuierlich zu. Die Sachverhalte gehen dabei weit über den mittlerweile bekannten Handel mit Kryptowährungen hinaus. Non-Fungible-Token (NFTs) und die „Schenkung“ von Token (Airdrops) werden von Unternehmen zunehmend als Marketinginstrument eingesetzt. Die Validierung von Transaktionen erfolgt nicht mehr durch Einzelpersonen, sondern vermehrt durch sog. Mining-/Staking-Pools, und das Metaverse hat sich zu einem Milliardenmarkt entwickelt. Während im Bereich der Ertragsteuer durch das BMF-Schreiben vom 10.05.2022 einige Fragen der Besteuerung von virtuellen Währungen und sonstigen Token geklärt werden konnten, hat das BMF das Web 3.0 aus umsatzsteuerrechtlichem Blickwinkel bislang lediglich rudimentär durchdrungen. Um dies auszugleichen, rüstet die Finanzverwaltung nun dem Vernehmen nach intern durch gezielte Fortbildungen und Expertengruppen auf.
 
2 Bisherige Verlautbarungen der Finanzverwaltung
Mit Schreiben vom 10.05.2022 nahm das BMF zur ertragsteuerlichen Behandlung von Kryptowährungen ausführlich Stellung. Die entsprechende Veröffentlichung zur Umsatzsteuer liegt bereits einige Zeit zurück. Das umsatzsteuerliche BMF-Schreiben vom 27.02.2018 erging im Anschluss an die EuGH-Entscheidung Hedqvist (KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 11│2018). Es beschränkt sich im Kern auf die Validierung von Transaktionen durch Rechenleistung (Mining) und den Umtausch von konventionellen Währungen (Fiatgeld) in Kryptowährungen und andersherum. Dementsprechend ist eine Vielzahl von Anwendungsfragen umsatzsteuerrechtlich bislang unbeantwortet geblieben. In einzelnen Bereichen widersprechen sich die Aussagen des BMF zur Ertrag- und Umsatzsteuer sogar. Dies legt nahe, dass das Anwendungsschreiben zur Umsatzsteuer aus 2018 nicht nur unvollständig, sondern in Teilen gar bereits überholt ist.
 
3 Aktuelle Fragestellungen
Bei Blockchain-basierten Geschäftsmodellen ergeben sich umsatzsteuerrechtliche Fragestellungen praktisch auf allen Ebenen des Prüfschemas – angefangen bei der Unternehmereigenschaft über die Bestimmung des Leistungsortes und des anzuwendenden Steuersatzes bis hin zum Vorsteuerabzug. Ungeklärt sind unter anderem folgende Praxisfragen:
 
  • Wann ist ein Validator/Delegator/NFT-Ersteller/Händler/Liquidität-Bereitsteller Unternehmer?
  • Wo liegt der Leistungsort, wenn Nutzer nur mit Wallet-Adressen auftreten?
  • Leistet der NFT-Inhaber oder der NFT-Marktplatz an einen NFT-Käufer?
  • Ist bei Kunst-NFTs der ermäßigte Steuersatz anwendbar?
  • Für welche Kryptowährungen jenseits von Bitcoin gilt die Steuerbefreiung für Finanzdienstleistungen nach der EuGH-Entscheidung Hedqvist?
  • Ist für NFTs und Utility-Token das umsatzsteuerliche Gutscheinregime anwendbar?
  • Welche Metaverse-Transaktionen führen zu steuerbaren Umsätzen?
  • Wie sind die Leistungsbeziehungen in Mining-/Staking-Pools zwischen Delegatoren, Validatoren, Blockchain-Netzwerk und Transaktionsversendern zu bestimmen?
  • Sind Transaktionsversender und das Netzwerk identifizierbare Leistungsempfänger?
  • Können Validierungsdienstleistungen als Übertragung einer Geldsumme steuerfrei sein?
  • Hat der Validator/Delegator ein Vorsteuerabzugsrecht?
  • Wann liegt bei einem Airdrop eine steuerbare Gegenleistung vor?
  • Wie sind die Leistungsbeziehungen bei Bereitstellung von Liquidität auf dezentralen Börsen?
  • Kann eine sog. Dezentralisierte Autonome Organisation (DAO) Unternehmer sein?
In 2022 entschied der BFH, dass die Vermietung virtueller Grundstücke im Metaverse keine Leistung im umsatzsteuerrechtlichen Sinn darstellt (KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 13/2022). Der „Vermieter“ erlange ein Entgelt erst, wenn er das durch die „Vermietung“ erwirtschaftete virtuelle Spielgeld gegen Echtgeld eintauscht. Dieser Umtausch von virtuellem Spielgeld gegen Echtgeld stelle eine steuerbare sonstige Leistung dar. Unklar bleibt, inwiefern die Aussagen des BFH verallgemeinert und auf weitere Geschäftsmodelle des Web 3.0 übertragen werden können. 
 
4 Auswirkungen auf die Praxis
Akteure des Web 3.0 sehen sich einer großen Rechtsunsicherheit ausgesetzt. Das altbekannte Prüfschema der Umsatzsteuer stößt bei Anwendung auf die neuartigen Geschäftsmodelle an seine Grenzen. Dies macht die umsatzsteuerrechtliche Einordnung jedoch nicht entbehrlich. Im Gegenteil: Betroffene müssen ihre Sachverhalte unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Blockchain-Netzwerks bzw. Tokens vertretbar würdigen. Dabei darf die BFH-Entscheidung zur Grundstücksvermietung im Metaverse nicht überinterpretiert werden. Kryptowährungen und sonstige Token sowie NFTs sind ebenso wenig mit virtuellem Spielgeld gleichzusetzen wie die Blockchain und das Metaverse. In diesen Bereichen ist eine saubere Trennung und Betrachtung des Einzelfalles unumgänglich.
 

In der Vergangenheit flogen Krypto-, NFT- und Metaverse-Geschäfte für Zwecke der Umsatzbesteuerung oftmals unter dem Radar der Finanzämter. Zukünftig wird sich der Fokus nicht mehr nur auf die ertragsteuerliche Behandlung richten. Die Finanzverwaltung hat den Grundstein für eine umsatzsteuerliche Durchdringung des Web 3.0 gelegt. Flankierend dazu wäre ein umfassendes Anwendungsschreiben wünschenswert. Dies käme nicht nur den Unternehmen, sondern letztlich auch dem Fiskus selbst zugute.

Ansprechpartner:

 

Dr. Markus Müller, LL.M.
Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt (FH)
Tel: +49 211 54 095 387
 
Stand: 28.02.2023