Umsatzsteuer Newsletter 12/2020
BMF ändert Grundsätze für Einordnung von Miet- und Leasingverträgen
Das BMF hat die Grundsätze für die umsatzsteuerrechtliche Einordnung von Miet- und Leasingverträgen neu definiert. Dabei verabschiedet es sich von der Bezugnahme auf das Einkommensteuerrecht. Zukünftig werden vor allem zwei Aspekte in Miet- und Leasingverträgen zu verankern sein. Unternehmer sollten bestehende Verträge jetzt prüfen. Bei neuen Miet- und Leasingverträgen bietet sich Gestaltungspotential.
1 Hintergrund
Die Einordnung der Überlassung von Gegenständen im Rahmen von Leasingverträgen ist ein umsatzsteuerrechtlicher Dauerbrenner: Liegt eine Lieferung oder eine sonstige Leistung vor?
 
Bislang stellte die Finanzverwaltung auf allgemeine umsatzsteuerrechtliche Grundsätze und einkommensteuerrechtliche Wertungen ab. Danach lag eine umsatzsteuerrechtliche Lieferung vor, wenn der Leasingnehmer berechtigt ist, wie ein Eigentümer über den Leasinggegenstand zu verfügen. Hiervon war in der Regel auszugehen, wenn der Leasinggegenstand einkommensteuerrechtlich dem Leasingnehmer zuzurechnen ist (Abschn. 3.5 Abs. 5 S. 1 und 2 UStAE a. F.). Der Verweis auf das Einkommensteuerrecht zwang den Steuerpflichtigen dann häufig, sich mit den einkommensteuerrechtlichen Leasingerlassen auseinanderzusetzen. Die Anwendung des an sich autonomen Umsatzsteuerrechts stand so unter dem Diktat des Einkommensteuerrechts.
 
Für eine Abkehr von diesem Grundsatz sorgte die EuGH-Entscheidung Mercedes-Benz Financial Services UK Ltd. (Urt. v. 04.10.2017, C-164/16). Danach war die umsatzsteuerliche Einordnung anhand des Einkommensteuerrechts nicht mehr haltbar. Lange Zeit war unklar, wie die deutsche Finanzverwaltung mit der EuGH-Entscheidung umgehen würde. Anfang Dezember 2019 kursierte dann der Entwurf eines BMF-Schreibens, der eine Änderung des UStAE entsprechend den Aussagen des EuGH-Urteils vorsah. Nun veröffentlichte das BMF am 18.03.2020 das finale Schreiben mit einer für die Praxis wichtigen Ergänzung.
 
2 Änderungen im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE)
Das neue BMF-Schreiben ändert im Wesentlichen Abschn. 3.5 Abs. 5 und 6 UStAE. Danach liegt bei der Überlassung von Gegenständen im Leasingverfahren nur noch dann eine Lieferung vor, wenn die unten genannten beiden Voraussetzungen erfüllt sind. Für die Überlassung von Gegenständen außerhalb von Leasingverfahren gelten die Grundsätze sinngemäß. So sollen sie z. B. auch bei Mietverträgen (§ 535 BGB) mit Recht zum Kauf gelten. 
 
2.1 Eigentumsübergangsklausel
Der Vertrag muss ausdrücklich eine Klausel zum Übergang des Eigentums an dem Leasinggegenstand vom Leasinggeber auf den Leasingnehmer enthalten. Solch eine ausdrückliche Klausel soll auch vorliegen, wenn der Vertrag eine Kaufoption für den Gegenstand enthält.
 
2.2 Automatischer Eigentumsübergang
Aus den Vertragsbedingungen muss deutlich hervorgehen, dass das Eigentum bei planmäßiger Vertragserfüllung automatisch auf den Leasingnehmer übergehen soll. Maßgeblich sind dabei die zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung objektiv geltenden Vertragsbedingungen. Bei einer im Vertrag enthaltenen formal unverbindlichen Kaufoption soll diese Voraussetzung erfüllt sein, wenn die Optionsausübung als einzige wirtschaftlich rationale Möglichkeit für den Leasingnehmer erscheint. Der Vertrag darf dem Leasingnehmer zum Zeitpunkt der Optionsausübung hier keine echte wirtschaftliche Alternative bieten, z. B. eine Rückgabe oder weitere Anmietung. Keine echte wirtschaftliche Alternative soll z. B. dann bestehen, wenn zum Optionsausübungszeitpunkt die Summe der vertraglichen Raten dem Verkehrswert des Gegenstands einschließlich der Finanzierungskosten entspricht. Der Leasingnehmer darf in diesem Fall wegen der Ausübung der Option keine erhebliche Summe zusätzlich entrichten müssen. Im Entwurf des BMF-Schreibens war hier noch unklar, ab welcher Größenordnung eine erhebliche zusätzliche Summe vorliegen soll. Das BMF hat nun eine Definition hinzugefügt. Danach soll eine erhebliche zusätzliche Summe dann vorliegen, wenn der zu entrichtende Betrag 1 % des Verkehrswertes des Gegenstands im Zeitpunkt der Optionsausübung übersteigt.
 
3 Anwendung
Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Allerdings gilt für vor dem 18.03.2020 geschlossene Leasing- und Mietverträge eine Nichtbeanstandungsklausel. Diese gilt auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs.
 
4 Praxisfolgen
Mit dem BMF-Schreiben gibt es nun keinen Gleichlauf mehr zwischen Ertrag- und Umsatzsteuer. Der Steuerpflichtige muss/kann für die umsatzsteuerrechtliche Würdigung jetzt nicht mehr auf die Leasingerlasse sowie nationale und internationale Bilanzierungsstandards abstellen. Im Sinne eines einheitlichen, widerspruchsfreien Mehrwertsteuerrechts ist diese Klarstellung uneingeschränkt zu begrüßen. Unternehmer müssen jetzt allerdings prüfen, ob ihre Miet- und Leasingverträge weiterhin die Voraussetzungen für die Annahme einer Lieferung oder sonstigen Leistung erfüllen. Dabei ist insbesondere auch die 1%-Grenze für zusätzliche Zahlungen bei Optionsausübung zu beachten. Hier gilt es einen zutreffenden Verkehrswert des Leasinggegenstands im Zeitpunkt der Optionsausübung zu ermitteln. Für neue Verträge sind Gestaltungen hin zu einer Lieferung oder sonstigen Leistung möglich. Dies kann vor allem bei grenzüberschreitenden Konstellationen (z. B. Cross-Border-Leasing) interessant sein, um damit den Ort der Leistung in ein bestimmtes Land zu verlagern.
 

Ansprechpartner:

Dr. Sandro Nücken, LL.B.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: +49 89 217501243
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Stand: 31.03.2020