Umsatzsteuer Newsletter 07/2023
BMF-Schreiben zur Steuerentstehung bei Teilleistungen und Ratenzahlungen
Mit Schreiben vom 14.12.2022 reagiert das BMF auf die jüngste Rechtsprechung von BFH und EuGH zur Entstehung der Umsatzsteuer bei Teilleistungen und Ratenzahlungen. Das BMF folgt der Entscheidung des BFH. Damit entsteht auch bei vereinbarter Ratenzahlung die Umsatzsteuer bereits vollumfänglich mit Ausführung der Leistung. Unternehmer, die die Steuerentstehung beeinflussen wollen, müssten über alternative Gestaltungsmöglichkeiten nachdenken.
1 Hintergrund 
Mit seinem Urteil vom 01.02.2022, V R 37/21 (V R 16/19) hat der BFH seine Rechtsprechung zur Entstehung der Umsatzsteuer bei Ratenzahlungen präzisiert und sich zu Fragen des Teilleistungsbegriffs geäußert. Das BMF akzeptiert die Rechtsprechung des BFH und hat diese durch das BMF-Schreiben vom 14.12.2022 an den passenden Stellen im Umsatzsteuer-Anwendungserlass eingearbeitet. 
 
2 Sachverhalt BFH-Urteil
Im zugrunde liegenden Fall des BFH war die Klägerin (Kl.) im Jahr 2012 als Vermittlerin im Rahmen eines Grundstückskaufvertrags tätig. Ihr Honorar i.H.v. EUR 1.000.000 zzgl. Umsatzsteuer erhielt sie in fünf jährlichen Raten zu je EUR 200.000 zzgl. Umsatzsteuer. Die Kl. führte jährlich, jeweils mit Erhalt der Rate, entsprechend Umsatzsteuer an das Finanzamt ab. Das Finanzamt hingegen verlangte die gesamte Umsatzsteuer gleich im Jahr 2012. Das Finanzgericht gab der Klage überwiegend statt. Die Kl. habe die Vermittlungsleistungen bereits im Jahr 2012 erbracht. Mit Ausnahme des ersten im Folgejahr vereinnahmten Betrags liege jedoch wegen Nichtbezahlung eine Uneinbringlichkeit vor. 
 
Der BFH hatte den EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens angerufen (Rs. C-324/20, siehe hierzu KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 38 | 2021). Der EuGH entschied, dass die Steuer für eine in Raten vergütete einmalige Dienstleistung im Moment der Leistungserbringung entsteht. Eine Uneinbringlichkeit liegt nach Auffassung des EuGH ebenfalls nicht vor. Eine Ratenzahlung sei kein Fall von Uneinbringlichkeit. 
 
3 Entscheidung des BFH
Der BFH hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen. Im Übrigen hat er sich der Auffassung des EuGH angeschlossen. Uneinbringlichkeit liegt nicht bereits aufgrund der Vereinbarung einer Ratenzahlung vor. Es macht einen Unterschied, ob eine Rate vor dem Zahlungstermin noch nicht fällig ist oder ob der Leistungsempfänger eine Forderung nur teilweise erfüllt. Eine Einschränkung, wonach der Unternehmer nur bereits fällige Entgeltansprüche zu versteuern hat, kommt nicht in Betracht. 
 
Gleichzeitig stellt der BFH klar, dass eine Teilleistung i.S.d. UStG eine Leistung mit kontinuierlichem oder wiederkehrendem Charakter ist. Der nationale Begriff der Teilleistung entspricht nach Auffassung des BFH zumindest im Regelfall den Begrifflichkeiten des Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL. Dies begründet der BFH damit, dass die vom EuGH in seiner Entscheidung angeführten Beispiele (z.B. Fahrzeugvermietung im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses) auch im nationalen Recht als Teilleistungen anzusehen sind. Durch diese Klarstellung entfallen laut BFH die Zweifel an einer zutreffenden Umsetzung von Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL durch den nationalen Teilleistungsbegriff, die zuvor aufgrund des EuGH-Urteils baumgarten sports entstanden waren (vgl. hierzu KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 38 | 2021 und 36 | 2019).
 
4 BMF-Schreiben vom 14.12.2022
Das BMF reagiert mit Schreiben vom 14.12.2022 auf die aktuelle Rechtsprechung des BFH und des EuGH. Hierzu fügt es mit Verweis auf die Entscheidung des BFH ein, dass die Steuerentstehung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG nicht auf bereits fällige Entgeltansprüche beschränkt ist. Zu Teilleistungen wird ergänzt, dass eine Teilleistung i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG eine Leistung mit kontinuierlichem oder wiederkehrendem Charakter erfordert und dass keine Teilleistung vorliegt, wenn es sich um eine einmalige Leistung gegen Ratenzahlung handelt. Zudem stellt das BMF klar, dass die Vereinbarung einer Ratenzahlung keine Uneinbringlichkeit i.S.v. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG begründet. Die Regelungen des Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
 
5 Auswirkungen auf die Praxis
Das BMF-Schreiben zur Entstehung der Umsatzsteuer bei Teilleistungen und Ratenzahlungen schafft Rechtssicherheit für Steuerpflichtige, indem es sich der Auffassung des EuGH (Rs. C-324/20) und des BFH anschließt. Insbesondere nach der Entscheidung des EuGH blieb für die Praxis zunächst unklar, in welchen Fällen einer sonstigen Leistung, die mit aufeinanderfolgenden Zahlungen vergütet wird, eine sofortige vollständige Steuerentstehung anzunehmen war. Leider setzt sich das BMF-Schreiben nicht mit dem EuGH-Urteil baumgarten sports auseinander. In vergleichbaren Konstellationen bietet das Unionsrecht (entgegen BMF) weitergehenden Gestaltungsspielraum.
 
Steuerpflichtige, die Ratenzahlungen vereinbaren möchten, sollten vorab prüfen, ob sich der Sachverhalt so gestalten lässt, dass Teilleistungen vorliegen. So muss die Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt nicht vorfinanziert werden, ohne diese zuvor vom Leistungsempfänger erhalten zu haben. 
Liegen keine Teilleistungen vor, sollten Steuerpflichtige bereits bei Ausführung der Leistung eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis über den gesamten vereinbarten Betrag stellen. Ist der Leistungsempfänger zum Vorsteuerabzug berechtigt, steht ihm in diesem Fall sofort der Vorsteuerabzug in voller Höhe zu. Ist der Leistungsempfänger nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt, ist dieses Vorgehen umsatzsteuerrechtlich ebenfalls zulässig. Die in unserem KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 38 | 2021 hierzu dargestellten Gestaltungsempfehlungen gelten auch nach dem BMF-Schreiben weiterhin.
 
 
Ansprechpartnerin: 
 
 
Anna Zawatson
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht
Tel.: +49 (0) 89 217 50 12-62
 
Stand: 06.02.2023