Umsatzsteuer Newsletter 07/2021
Einfuhrumsatzsteuer im UK – HMRC stellt Voraussetzung zum Vorsteuerabzug klar
Einfuhrumsatzsteuer darf grundsätzlich nur derjenige als Vorsteuer geltend machen, der im Zeitpunkt der Zollanmeldung die Verfügungsmacht an den eingeführten Gegenständen innehat(te). 2019 schreckte der britische Fiskus HMRC die Unternehmer und Verbände auf, als sie diese – bisher nicht immer beachtete – Regel nicht nur strenger umsetzen wollte, sondern sie (unbewusst?) deutlich verschärfte. Nachdem HMRC im Jahr 2020 – trotz einer Vielzahl von Eingaben aus der Wirtschaft – noch an seiner Auffassung festhielt, geht es nun einen großen Schritt zurück. Aber, der Vorsteuerabzug von Einfuhrumsatzsteuer bleibt fordernd. Unternehmer sollten mit der gebotenen Sorgfalt agieren.
1 Hintergrund
Die Einfuhr von Gegenständen in das Zollgebiet des Vereinigten Königreichs (UK) ist grundsätzlich steuerpflichtig. Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) ist grundsätzlich der Zollanmelder. Das Vorsteuerabzugsrecht hat – unter den weiteren Voraussetzungen – diejenige Person, die im Zeitpunkt der Zollanmeldung die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht an den Einfuhrgegenständen innehat(te). In der Praxis sind Zollanmelder und verfügungsberechtigte Person häufig verschieden. Steuerschuld und Vorsteuerabzugsrecht fallen dann – gewollt oder ungewollt, bewusst oder unbewusst – auseinander. Dann besteht die Gefahr, dass der Zollanmelder unberechtigt die EUSt als Vorsteuer geltend macht.
 
2 HMRC-Schreiben 2 (2019) und 15 (2020)
HMRC sah sich daher 2019 veranlasst, auf die zutreffende Behandlung und typische Fehler hinzuweisen (vgl. Revenue and Customs Brief 2 (2019) sowie KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 21 | 2019). Allerdings stellte HMRC in seinem Schreiben für die Vorsteuerabzugsberechtigung nicht auf die Verfügungsmacht bei der Zollanmeldung, sondern auf die formale Eigentümerstellung ab. Dies war eine deutliche Einschränkung des bisherigen Verständnisses (und auch der gesetzlichen Regelung). Zwar liegt die Verfügungsmacht in der Regel beim Eigentümer. Es gibt aber vielfältige Ausnahmen. Auch gehen umsatzsteuerliche Verfügungsmacht und zivilrechtliches Eigentum nicht zwingend zeitgleich über. Häufig kann der Abnehmer, ohne schon Eigentümer zu sein, bereits über die Liefergegenstände verfügen (z. B bei Eigentumsvorbehalt). Trotz zahlreicher Eingaben von Wirtschaftsbeteiligten hielt HMRC an seiner Auffassung fest (vgl. Revenue and Customs Brief 15 (2020)).
 
Die Auffassung des HMRC begründete erhebliche Rechtsunsicherheit für Lieferungen ins UK. Fraglich war insbesondere der Vorsteuerabzugsberechtigte bei Lieferung unter Incoterm DAP [benannter Ort UK] und bei Lieferungen unter Eigentumsvorbehalt. Einige britische Berater äußerten die Befürchtung, dass bei strenger Auslegung der Auffassung des HMRC Lieferungen unter Incoterm DAP [benannter Ort UK] eine Registrierungspflicht begründen könnten.
 
3 Klarstellung im HMRC Internal Manual
Nun machte HMRC einen großen Schritt zum bisherigen Verständnis zurück (vgl. die Änderung des Internal Manual VIT13300 v. 26.02.2021). Zwar hält HMRC formal an der Eigentümerstellung fest. Diese sei aber umsatz-steuerlich zu verstehen. „When we refer to the owner as having ownership of the goods, this needs to be seen specifically in the VAT context of ownership being ‘the right to dispose of goods as owner’.” Voraussetzung sei aber, dass der Abnehmer im weiteren Verlauf die Eigentümerstellung (Title to the Goods) erlange. Soweit die Schreiben aus 2019 und 2020 auf “Title to the Goods” abstellten, spricht das Internal Manual nunmehr von „Ownership“ im vorgenannten Sinn.
 
4 Folgen für die Praxis
Die Klarstellung beseitigt einen großen Teil der durch die Schreiben aus 2019 und 2020 verursachten Rechtsunsicherheit, insbesondere bei „normalen“ Lieferungen in das UK. Meldet der Abnehmer die Liefergegenstände zur Einfuhr an, ist er Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer und – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen – zu deren Abzug als Vorsteuer berechtigt. Vor allem Lieferungen unter Eigentumsvorbehalt und unter Incoterm DAP [benannter Ort UK] profitieren von der Klarstellung. Auch dürfte die Befürchtung einer Registrierungspflicht obsolet sein.
 
Kritisch bleiben jedoch Konstellationen, bei denen trotz fehlenden Eigentumsübergangs umsatzsteuerlich eine Lieferung angenommen wird (z. B bei bestimmten Leasingsachverhalten). Hier bleibt das Vorsteuerabzugsrecht nach Auffassung des HMRC beim liefernden Unternehmer als Eigentümer. Für den Leistenden kann sich daraus weiterer administrativer Aufwand ergeben. Denn der Vorsteuerabzug der EUSt setzt einen auf den Leistenden lautenden Bescheid voraus (C79-Bescheid). Da der C79-Bescheid grundsätzlich auf den Zollanmelder ausgestellt wird, muss der Leistende folglich auch als Zollanmelder auftreten. Die Einfuhrzollanmeldung durch den Leistenden kann die grenzüberschreitende Lieferung in eine lokale, steuerpflichtige Lieferung im UK umqualifizieren (vgl. Sec. 7 Abs. 6 UK VAT Act, vgl. zur deutschen Rechtslage § 3 Abs. 8 UStG). Der Leistende wäre dann im UK registrierungspflichtig. Die Auffassung des HMRC stellt die Umsatzbesteuerung in solchen Fällen buchstäblich auf den Kopf.
 
Trotz der Klarstellung zum Vorsteuerabzug ergeben sich auch künftig rund um Einfuhr, EUSt und Vorsteuerabzug komplexe Fragestellungen. Zwischen dem UK und vielen EU-Mitgliedstaaten bestanden wechselseitig verflochtene Wertschöpfungsketten. Diese müssen unter den nun zusätzlich geltenden Zollvorschriften neu gedacht werden. Das obige Beispiel des Vorsteuerabzugs zeigt, dass auch vermeintlich einfache Sachverhalte weitere Fragen nach sich ziehen können. Der zusätzliche administrative Aufwand und die zusätzlichen Risiken können bisher profitable Geschäfte unrentabel werden lassen. 
 
Unternehmer sollten mit der gebotenen Sorgfalt agieren. Der zoll- und umsatzsteuerliche Aufwand kennt kaum Skaleneffekte. Der wesentliche Aufwand ist für groß- und kleinvolumige Geschäfte – anders als das Risiko – nahezu gleich. Standard- und großvolumige Sachverhalte lassen sich, nach zoll- und umsatzsteuerlicher Prüfung, in der Regel gefahrlos abwickeln. Bei Sonder- und kleinvolumigen Sachverhalten kann der erforderliche zoll- und umsatzsteuerliche Aufwand die Profitabilität mindern.
 
Ansprechpartner:
 
 
Jörg Scharrer
Rechtsanwalt, Dipl.-Kfm
+49 (0) 89 217 50 12-33
 
Stand: 17.03.2021