Umsatzsteuer Newsletter 07/2020
Aktuelle Entwicklungen zur Umsatzsteuerbefreiung von Privatkliniken
Bei Privatkliniken ist weiterhin strittig, anhand welcher Kriterien zu beurteilen ist, ob ihre bis Ende 2019 erbrachten Heilbehandlungsleistungen steuerfrei sind. Seit einem BFH-Urteil aus dem letzten Jahr ist dabei die Prüfung der aus dem Sozialrecht abgeleiteten „Wirtschaftlichkeit“ in den Fokus gerückt. Mit diesem Kriterium hat sich nunmehr erstmals ein Finanzgericht auseinandergesetzt. Der EuGH hat sich zu dem Aspekt der teilweisen Kostenerstattung durch Sozialträger geäußert. Ab 2020 gilt eine neue Gesetzeslage.
1 Hintergrund
 
Der BFH als höchstes deutsches Finanzgericht hat im Jahr 2015 entschieden, dass Heilbehandlungen von Privatkliniken umsatzsteuerfrei sein können (vgl. KMLZ-Newsletter 09/2015). Seitdem besteht Streit um die genauen Voraussetzungen der Steuerbefreiung. Es geht dabei zumeist um die Frage, ob die Bedingungen, unter denen die Privatklinik tätig ist, mit den Bedingungen öffentlich-rechtlich organisierter Krankenhäuser in sozialer Hinsicht vergleichbar sind. Die Finanzverwaltung hat die aus ihrer Sicht notwendigen Voraussetzungen am 06.10.2016 in einem BMF-Schreiben dargelegt. Der BFH hat am 23.01.2019 in Abweichung von diesem BMF-Schreiben entschieden, dass für die Umsatzsteuerbefreiung vor allem die sozialrechtlichen Voraussetzungen für eine Zulassung als Plankrankenhaus oder für den Abschluss eines Versorgungsvertrags (mit Ausnahme des „Bedarfs“) vorliegen müssen (vgl. §§ 108, 109 Abs. 3 SGB V). Aber auch hierfür sind die einzubeziehenden Faktoren unklar.
 
2 EuGH-Urteil vom 05.03.2020 (Az.: C-211/08)
 
Der EuGH berücksichtigt in seinem aktuellen Urteil als Argument für sozial vergleichbare Bedingungen, dass Heilbehandlungen auf Grundlage von Vereinbarungen mit Behörden zu festgelegten Preisen durchgeführt werden und Sozialträger die Kosten teilweise erstatten. Er sieht derartige Vereinbarungen, Preisfestlegungen und teilweise Erstattungen aber nicht als zwingende Voraussetzung der Steuerbefreiung an. Der Umfang der Kostenübernahme von Krankenhausleistungen spielt auch in der Diskussion mit der Finanzverwaltung und bei Entscheidungen der Rechtsprechung zur sozialen Vergleichbarkeit der Bedingungen oftmals eine Rolle. Richtigerweise muss die Übernahme der Kosten einer Privatklinik durch die Beihilfe ebenso wie die Kostenübernahme durch private Krankenversicherungen zu Gunsten sozial vergleichbarer Bedingungen berücksichtigt werden. Diese Auffassung stützt das EuGH-Urteil. Insbesondere die Beihilfe übernimmt Krankenhauskosten nur in vorher in der jeweiligen Beihilfeverordnung festgelegtem Umfang. Die Regelungen der Beihilfeverordnung entsprechen der vom EuGH angesprochenen „Vereinbarung“. 
 
3 Urteil des Finanzgerichts Münster vom 19.12.2019 (Az.: 5 K 519/08 U)
 
Wie bereits angesprochen, hat der BFH kürzlich erstmals entschieden, dass eine Privatklinik von der Umsatzsteuer befreit ist, wenn sie die materiellen Voraussetzungen der Zulassung nach §§ 108, 109 SGB V erfüllt. Hierfür ist erstens die Leistungsfähigkeit und zweitens die Wirtschaftlichkeit erforderlich. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss die Privatklinik nachweisen. Die Leistungsfähigkeit nachzuweisen, ist in der Regel für Privatkliniken nicht problematisch. Streit besteht oft um die Voraussetzung der Wirtschaftlichkeit. Notwendig ist ein angemessenes Kosten-Leistungs-Verhältnis. 
 
Genau zu dieser „Wirtschaftlichkeit“ hat sich das Finanzgericht Münster in seinem aktuellen Urteil geäußert. Danach tritt die Vergleichbarkeit der Höhe von Tagespflegesätzen (einer psychiatrischen Klinik) vor allem im Hinblick auf unterschiedliche Finanzierungsformen von Krankenhäusern in den Hintergrund. Anders als zugelassene Kliniken müssen Privatkliniken nämlich Investitionskosten aus den Entgelten für ihre Krankenhausleistungen finanzieren. Gleiches gilt richtigerweise für den Basisfallwert bei Abrechnung nach DRG-Fallpauschalen. Entscheidend ist das Verhältnis der erbrachten Leistungen unter Einpreisung des Investitionszuschlags zum abgerechneten Pflegesatz (oder Basisfallwert). Das Finanzgericht führt die Kostenübernahme durch Beihilfestellen ebenso wie die Kostenübernahme durch Krankenkassen als ein Argument für sozial vergleichbare Bedingungen an. Eine Kostenübernahme durch gesetzliche Sozialversicherungsträger in erheblichem Umfang oder eine bestimmte Anzahl an Belegungstagen solcher Patienten ist hingegen nicht entscheidend.
 
4 Praxisfolgen
 
Auf Grundlage beider genannten Urteile können Privatkliniken in Betriebsprüfungen u. Ä. für Zeiträume bis Ende 2019 argumentieren, dass Kostenübernahmen durch Beihilfestellen und Krankenkassen für die notwendige Wirtschaftlichkeit sprechen. Insoweit kommt es insbesondere in Bezug auf die Beihilfe allerdings oftmals darauf an, die Kostenübernahme beweisen zu können. Im Übrigen sind im Einzelfall Argumente zu finden, weswegen Preis und Heilbehandlungsleistung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Es gibt insoweit keine fixen Kriterien. Möglicherweise kann eine geringe Umsatzrendite ein Argument sein. Die Finanzverwaltung führt neben einer fehlenden Kostenerstattung durch gesetzliche Krankenversicherungen oftmals vor allem einen Ausstattungsvergleich mit Plankrankenhäusern ins Feld. Hier ist im Einzelfall darzulegen, weswegen die Ausstattung derjenigen von Plankrankenhäusern ähnlich ist.
 
Für Leistungen ab 01.01.2020 gilt eine neue Fassung der Steuerbefreiungsregelung für Krankenhäuser (vgl. KMLZ-Newsletter 47/2019). Der Gesetzgeber kehrt zu einer bereits früher angewandten Quotenbildung zurück. In mindestens 40 % der Belegungstage dürfen höchstens allgemeine Krankenhausleistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz oder der Bundespflegesatzverordnung berechnet werden.
 
 
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Dr. Michael Rust
Rechtsanwalt
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Stand: 10.03.2020