Umsatzsteuer Newsletter 06/2023
Geldsegen aus Berlin für Forschungseinrichtungen
Das BMF will die umsatzsteuerrechtlichen Fragestellungen zum Umfang des Vorsteuerabzugs bei Forschungseinrichtungen einheitlich regeln. Dazu erschien am 27.01.2023 ein BMF-Schreiben. Die Finanzverwaltung nimmt darin eine sehr großzügige Haltung ein. Universitäten, Fachhochschulen und auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen können den Vorsteuerabzug in einem viel höheren Maß beanspruchen als bisher. Und dies gilt nicht nur für die Zukunft, sondern auch für die Vergangenheit. Die Empfehlung lautet daher: Prüfen Sie die mögliche Finanzquelle!
1 Hintergrund
Es gibt kein spannenderes Thema als die Umsatzbesteuerung von Forschungseinrichtungen. Zwei Fragen spielen hierbei immer eine Rolle: Wann gilt die Forschungseinrichtung als „Unternehmer“ und in welchem Umfang ist sie zum „Vorsteuerabzug“ berechtigt? Bei der Beantwortung beider Fragen ist es zumeist von erheblicher Bedeutung, dass Forschungseinrichtungen sehr umfangreich durch öffentliche Zuschüsse gefördert werden. Forschungseinrichtungen sind häufig Körperschaften des öffentlichen Rechts wie z.B. Universitäten oder auch gemeinnützige Einrichtungen in der Rechtsform eines e.V. oder einer gGmbH. Beiden Rechtsformen haben gemein, dass sie umsatzsteuerrechtlich verschiedene Sphären haben. Man unterscheidet zwischen den wirtschaftlichen Tätigkeiten (unternehmerische Sphäre) und den nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten i.e.S. (hoheitliche bzw. ideelle Sphäre).
 
Seit jeher sind Forschungseinrichtungen bemüht, diverse Finanzierungsquellen zu erschließen. Neben institutionelle Förderungen treten Projektförderungen in unterschiedlichster Ausprägung. Der Erfolg einer Forschungseinrichtung wird oftmals an der sog. Drittmittelquote festgemacht. Deshalb sind Universitäten und Fachhochschulen sowie nicht staatliche Forschungseinrichtungen daran interessiert, Forschungsprojekte im Bereich der Auftragsforschung oder der Anwendung gesicherter Erkenntnisse „an Land zu ziehen“. Doch hierdurch werden diese plötzlich zum umsatzsteuerrechtlichen Unternehmer und müssen zudem auch noch das europäische Beihilferecht in Form der Trennungsrechnung beachten (vgl. dazu den jüngst novellierten Forschungsbeihilferahmen v. 19.10.2022). Da die Forschungseinrichtungen nun als Unternehmer Umsatzsteuer abführen müssen, liegt es doch nahe, noch eine weitere Finanzierungsquelle in Form des Vorsteuerabzugs zu erschließen. Hierbei erweist es sich als problematisch, dass der Vorsteuerabzug eigentlich nur möglich ist, wenn ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit der steuerpflichtigen Forschungstätigkeit besteht. 
Die Forschungstätigkeit ist aber oftmals untergliedert in die Grundlagenforschung (nichtunternehmerischer Bereich) und die Auftragsforschung bzw. Anwendung gesicherter Erkenntnisse (unternehmerischer Bereich). Die angefallenen Vorsteuern sind daher aufzuteilen. Da erscheint es logisch, dass viele Forschungseinrichtungen eine blühende Phantasie zur Optimierung der Vorsteuerabzugsquote entwickelten. Die Reaktion der Finanzämter hierauf fiel sehr unterschiedlich aus, so dass in Deutschland im Bereich der Forschungseinrichtungen ein steuerlicher „Flickenteppich“ entstand. Während sog. außeruniversitäre Forschungseinrichtungen tendenziell sehr großzügig behandelt wurden, war die Finanzverwaltung bei Hochschulen eher streng. Bei Hochschulen zählte die Grundlagenforschung deshalb häufig zum nichtunternehmerischen Bereich (kein Vorsteuerabzug), während die außeruniversitäre Grundlagenforschung „als Vorstufe“ zum späteren unternehmerischen Handeln betrachtet wurde. 
 
2 Neues BMF-Schreiben v. 27.01.2023
Das BMF will nun bundesweit sämtliche Forschungseinrichtungen gleichbehandelt wissen. Da es politisch möglichst wenige Verlierer geben soll, will das BMF zukünftig allen Forschungseinrichtungen den Vorsteuerabzug in extensiverem Ausmaß zugestehen. Es gelten folgende neue Grundsätze: 
  • Umfang des Unternehmens: Soweit die Absicht besteht, Forschungsergebnisse nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen zu verwenden, ist die gesamte Forschungseinrichtung mit ihrem Forschungsbereich als Unternehmer zu behandeln. Selbst die Grundlagenforschung gehört zum unternehmerischen Handeln. Der Vorsteuerabzug ist daher in vollem Umfang zu gewähren. Etwas anderes gilt ausnahmsweise, wenn die Grundlagenforschung in einem abgrenzbaren Bereich erbracht wird (z.B. eigenes Institut). Die reine Lehre und sonstige Tätigkeiten ohne Bezug zur Forschung sind selbstverständlich auszuscheiden. Sofern keine solche Absicht zur entgeltlichen Vermarktung der Forschungsergebnisse besteht, ist die Forschungseinrichtung grundsätzlich Nicht-Unternehmer. Kommt es wider Erwarten zu steuerpflichtigen Umsätzen, erfolgt ein anteiliger Vorsteuerabzug. 
  • Beiträge in einen Aufwandspool können nicht steuerbar sein: Sofern die Forschungseinrichtung als Nicht-Unternehmer gilt, können „eigenständige Leistungen, die ihren Grund in einem Gesellschaftsvertrag oder der Zugehörigkeit zu Forschungseinrichtungen haben“, als nicht steuerbare Umsätze gewertet werden. Damit segnet das BMF den Rechtsgedanken des sog. Aufwandpools ab, so dass Kooperationen zwischen Forschungseinrichtungen – unter bestimmten Voraussetzungen – als nicht steuerpflichtig gelten können (vgl. Küffner/Claussen in UR 2023, 93).
  • Fiktion beim Vorsteuerabzug: Da der Unternehmensbereich grundsätzlich weit zu ziehen ist, ist auch der Vorsteuerabzug in vollem Umfang zu gewähren. Das BMF arbeitet mit einer Fiktion: Sämtliche vorausgegangenen Forschungstätigkeiten stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der späteren entgeltlichen Einnahmenerzielung. Staatliche Zuschüsse mindern den Vorsteuerabzug nicht. 
  • Erleichterungen für die Praxis: Die Praxis wird es dem BMF danken, dass es fünf Beispiele gebildet hat. Etwaige Abgrenzungsfragen lassen sich dadurch leichter lösen. Außerdem hält das BMF für Fallgestaltungen, in denen der Vorsteuerabzug quotal zu gewähren ist, ein einfaches Berechnungsschema für die Praxis bereit.
 
3 Empfehlungen für die Praxis
Die neuen Grundsätze sollen in allen offenen Fällen angewandt werden. Das BMF beschert damit einigen Forschungseinrichtungen einen Geldsegen. Universitäten wie außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sollten ihre Steuerveranlagungen offenhalten. Anträge auf rückwirkende Vorsteuerabzüge müssen nun gestellt werden. Mit der Finanzverwaltung sind einvernehmliche Lösungen zu suchen. Ein Steuerstreit vor den Finanzgerichten oder beim BFH lohnt nicht, da die Gerichte andere, strengere Maßstäbe beim Vorsteuerabzug kennen. Und wie immer gibt es auch eine Kehrseite der Medaille: Auch Fördermittelgeber kennen die jetzt großzügigere Auffassung beim Vorsteuerabzug. Sie werden bei der Fördermittelvergabe nur noch sog. Netto-Förderungen aussprechen. 
 
Ansprechpartner:
 
 
Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht,
Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: +49 89 217501230
 
Stand: 03.02.2023