1 Hintergrund
In Betriebsprüfungen kochen regelmäßig die Emotionen hoch, wenn der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb und den laufenden Kosten für Firmenfahrzeuge nicht anerkannt wird. Bei sog. Luxus-PKW bezweifelt die Finanzverwaltung regelmäßig die Angemessenheit, mit der Folge, dass der Vorsteuerabzug aus Anschaffung und Unterhalt versagt wird. Die Grundlage hierfür bildet das einkommensteuerliche Betriebsausgabenabzugsverbot für unangemessene Kosten der privaten Lebensführung bzw. Repräsentationskosten nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 4, 7 EStG. Für derartige Aufwendungen ist der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1a UStG ausgeschlossen.
Besonders seltene und wertvolle Fahrzeuge werden oftmals nach Erwerb ohne Zulassung in Hallen konserviert, um sie zu einem späteren Zeitpunkt mit maximaler Wertsteigerung veräußern zu können. Liegt der Hauptzweck des Unternehmens nicht im PKW-Handel, verneint die Finanzverwaltung in diesen Fällen regelmäßig eine wirtschaftliche Tätigkeit und versagt den Vorsteuerabzug. Finanzgerichte sprachen sich hingegen zuletzt dafür aus.
2 Sachverhalte
In den beiden im Wesentlichen inhaltsgleichen Entscheidungen des BFH erwarben Unternehmer hochpreisige Fahrzeuge als Wertanlage. Diese wurden in einer Halle abgestellt, verschlossen, abgedeckt und nicht zugelassen. Hauptzweck der jeweiligen Unternehmen waren der Handel mit Metallschrott und die Übernahme von Geschäftsführung und Haftung als Komplementär-GmbH einer KG. In beiden Fällen versagte die Finanzbehörde den Vorsteuerabzug aus dem PKW-Erwerb. Es liege insoweit keine wirtschaftliche Tätigkeit und im Übrigen unangemessener Aufwand vor. Die anschließenden Klageverfahren wurden vor dem 1. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg geführt. In beiden Fällen wurden eine Zuordnung zum Unternehmen der Kläger und das Recht auf Vorsteuerabzug bejaht. Bestehe die Unternehmereigenschaft bereits aus anderen Gründen, umfasse diese auch gelegentliche Tätigkeiten wie die streitgegenständlichen PKW-Erwerbe als Wertanlage mit dem Ziel eines späteren Verkaufs. Es genüge insoweit die Einnahmenerzielungsabsicht bei Erwerb. Nicht erforderlich seien demnach etwa das Unterhalten eines Geschäftslokals oder das regelmäßige Schalten von Verkaufsanzeigen. Gegen diese Urteile des FG wandte sich die Finanzverwaltung mit Revisionen.
3 Entscheidungen des BFH (V R 26/21 und V R 27/21)
Der BFH schlägt sich argumentativ auf die Seite des Finanzamts und lässt den Vorsteuerabzug bereits an der Unternehmereigenschaft scheitern. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG sei unionsrechtlich dergestalt auszulegen, dass ein Vorsteuerabzug die Verwendung der Eingangsleistung für Zwecke der besteuerten Umsätze des Unternehmers voraussetzt. Dies erfordere, dass die Umsätze im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit i. S. d. Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL erbracht werden. Nach Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 MwStSystRL gelte als wirtschaftliche Tätigkeit insbesondere die Nutzung zur nachhaltigen Einnahmenerzielung. Der bloße Erwerb und Verkauf eines Gegenstands sei keine entsprechende Nutzung, da das einzige Entgelt im späteren Verkaufserlös bestehe. Könne ein Gegenstand wirtschaftlich und privat genutzt werden, seien alle Umstände der Nutzung zu prüfen, um festzustellen, ob er tatsächlich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwendet wird. Nach Ansicht des BFH spricht die Lagerung eines nicht angemeldeten Fahrzeugs für dessen Verwendung als Sammlerstück. Autosammler seien regelmäßig keine Unternehmer. Etwas anderes könne gelten, wenn sich der Steuerpflichtige z. B. im Erwerbszeitpunkt wie ein Unternehmer verhalten hat.
Die PKW-Erwerbe stellten auch keine sog. Hilfsgeschäfte dar. Zwar seien Unternehmer auch für jede weitere gelegentlich ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit Unternehmer. Dies gelte jedoch nur, sofern diese Tätigkeit ihrerseits einer wirtschaftlichen Tätigkeit i. S. d. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL entspricht. Ferner könnten die Fahrzeugerwerbe nicht als unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der originären Unternehmenstätigkeit gelten.
4 Auswirkungen auf die Praxis
Der BFH präzisiert und verschärft die Anforderungen der Unternehmenszugehörigkeit gelegentlicher Umsätze. Im Grundsatz gilt, dass das Unternehmen die gesamte unternehmerische Tätigkeit umfasst. § 2 Abs. 1 S. 3 UStG setzt keine Nachhaltigkeit jeder einzelnen Tätigkeit voraus. Dies entspricht auch der bisherigen Ansicht der Finanzverwaltung in Abschn. 2.7 Abs. 2 Sätze 1–3 UStAE. Demnach fallen Hilfsgeschäfte in die unternehmerische Sphäre und umfassen alle Tätigkeiten, die die Haupttätigkeit mit sich bringt, ohne dass es auf die Nachhaltigkeit ankommt. Wann die Haupttätigkeit etwas „mit sich bringt“, muss fortan enger verstanden werden:
- Gelegentlich ausgeübte Tätigkeiten fallen nur dann in den Rahmen des Unternehmens und berechtigen zum Vorsteuerabzug, wenn sie die steuerbare Haupttätigkeit unmittelbar, dauernd und notwendig erweitern.
- Auch Hilfsgeschäfte müssen isoliert betrachtet eine wirtschaftliche Tätigkeit i. S. d. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL darstellen. Das Handeln muss sich insoweit von dem einer Privatperson unterscheiden.
Unbeantwortet lässt der BFH die Frage, wann genau gelegentliche Geschäfte die unternehmerische Haupttätigkeit unmittelbar, dauerhaft und notwendig erweitern. Hier sind in der Praxis durchaus Konstellationen denkbar, die zu einer Zuordnung zum Unternehmern führen und den Vorsteuerabzug ermöglichen. Unternehmer müssen zur Sicherung des Vorsteuerabzugs in ähnlich gelagerten Fällen eine wirtschaftliche Verbindung zur unternehmerischen Haupttätigkeit herstellen. Es muss belegt werden können, dass sich der gelegentliche Erwerb von einem privaten Erwerb unterscheidet.
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Dr. Markus Müller, LL.M.
Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt (FH)
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Stand: 20.01.2023