Umsatzsteuer Newsletter 03/2023
Tax Compliance Management: Deutschland macht ernst!
Zum 01.01.2023 hat der deutsche Gesetzgeber die DAC-7-Richtlinie umgesetzt. Etwas versteckt hat er damit den Grundstein für die Einführung einer ernst gemeinten Tax Partnership zwischen Unternehmen und Steuerbehörden gelegt. Diejenigen Unternehmen, die ein wirksames internes Steuerkontrollsystem (IKS Steuern) eingeführt haben und es auch tatsächlich leben, erhalten zukünftig Prüfungserleichterungen im Rahmen der Betriebsprüfung. Alles ist noch sehr vorsichtig formuliert. Der finale Startschuss für die Etablierung von Tax-Compliance-Management-Systemen (Tax CMS) ist damit aber erfolgt.
1 Hintergrund
Das Thema Tax Compliance Management ist vielschichtig. Jedes Unternehmen versteht darunter etwas anderes. Die einen beschäftigen sich intensiv mit dem Thema, die anderen tun nichts und warten einfach auf die große Erleuchtung. Kommt das Aha-Erlebnis nun mit einem neuen Gesetz, das am 01.01.2023 in Kraft getreten ist? 
 
Die Rede ist vom Gesetz zur Umsetzung der DAC-7-Richtlinie und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts, mit dem insbesondere Außenprüfungen beschleunigt werden sollen. Die Idee ist gut: Betriebsprüfer und Steuerpflichtige sollen gleichermaßen in die Pflicht genommen werden. Dabei soll eine vertrauensvolle Tax Partnership etabliert werden. Wenn Steuerpflichtige zukünftig besser mitwirken, werden sie von den Finanzbehörden großzügiger behandelt: Prüfungsanordnungen kommen dann zeitiger und Prüfungen können früher abgeschlossen werden. Auch sollen Prüfungsschwerpunkte im Vorfeld benannt sowie Zwischengespräche geführt werden können. Das ist alles sinnvoll und zielführend und zeichnet einen modernen Staat aus. Im Zollrecht kennen wir eine solche Vereinfachung der Vorschriften schon länger, nämlich in Form des Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten, kurz „AEO C“ (AEO Customs). 
 
In letzter Minute wurden in einem neuen § 38 von Art. 97 EGAO weitere Prüfungserleichterungen aufgenommen. Danach können Finanzbehörden für künftige Betriebsprüfungen konkrete Prüfungserleichterungen zusagen, wenn die laufende Betriebsprüfung des internen Kontrollsystems (IKS) dessen Wirksamkeit bei der Einhaltung der steuerlichen Vorschriften bestätigt hat. Der Gesetzgeber ist an dieser Stelle bislang noch etwas zögerlich. Die ersten Erfahrungen sollen zunächst bis 2029 evaluiert werden und dann will man weitersehen. Wetten, dass die schnelllebige Praxis den Gesetzgeber überholen wird? 
 
2 Was ist Tax Compliance Management?
Es gibt keine gesetzliche Definition von Tax-Compliance-Management-Systemen (Tax CMS) in Deutschland. Das IDW definiert ein Tax CMS als die Gesamtheit aller dokumentierten Maßnahmen, die ein Unternehmen ergreift, um seine steuerlichen Pflichten zu erfüllen. Wenn der Vorstand bzw. der gesetzliche Vertreter ein funktionierendes Tax CMS vorweist, kann er sich wirksam vom Vorwurf des Organisationsverschuldens exkulpieren. Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat im Anwendungserlass zu § 153 AO ausgeführt, dass „die Einrichtung eines innerbetrieblichen Kontrollsystems (IKS), das der Erfüllung der steuerlichen Pflichten dient, ein Indiz gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder einer Leichtfertigkeit bezüglich einer Steuerhinterziehung darstellen kann“. Das BMF hat es bislang allerdings unterlassen, zu erläutern, welche Mindestanforderungen ein IKS aufweisen muss, damit nicht von einer billigenden Inkaufnahme einer Steuerverkürzung ausgegangen werden kann. Auch der Gesetzgeber hat die Chance ausgelassen, ein aus seiner Sicht wirksames IKS ausführlich zu beschreiben. Einen kleinen Schritt ist man immerhin vorangekommen, denn der Gesetzgeber hat eine gesetzliche Definition eines Steuerkontrollsystems vorgenommen: Dieses umfasst „alle innerbetrieblichen Maßnahmen, die gewährleisten, dass die Besteuerungsgrundlagen zutreffend aufgezeichnet und berücksichtigt werden sowie die hierauf entfallenden Steuern fristgerecht und vollständig abgeführt werden“. Das Steuerkontrollsystem muss (zudem) „die steuerlichen Risiken laufend abbilden“. 
 
Damit fällt es der Praxis zu – wohl im Wechselspiel von Finanzverwaltung und Unternehmen –, diese Kontrollsysteme zu „etablieren“. Das IDW hat mit seinem Praxishinweis 1/2016 gute Anhaltspunkte für die Ausgestaltung von Tax CMS gegeben und zutreffend darauf hingewiesen, dass Tax CMS sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können. Wie die Implementierung, Zertifizierung und auch die Prüfung von Tax CMS bei unseren Mandanten gezeigt hat, müssen folgende Mindestanforderungen gewährleistet sein: dokumentierte Beschreibung der Steuerfunktion, klare steuerliche Prozesse, hinreichende Ausgestaltung des steuerlichen IKS bestehend aus einem Steuerungs- und einem Kontrollsystem. Das IKS setzt dabei auf einem steuerlichen Risikomanagementsystem auf. 
 
Dabei ist weniger mehr: Nur ein Tax CMS, das ernsthaft gelebt wird, verdient diesen Namen. Das meint auch der Gesetzgeber mit dem Hinweis, dass „das Steuerkontrollsystem die steuerlichen Risiken laufend abbilden muss“. Kontrollen dürfen nicht nur einmal jährlich in der obligatorischen System-Nachschau stattfinden. Vielmehr muss regelmäßig, in der Umsatzsteuer monatlich, am besten laufend kontrolliert werden. Dabei helfen z.B. digitale Tools wie unser KMLZ TCMS Assistant oder unsere TAX-ray-Anwendungen. Die in den ERP-Systemen vorhandenen Daten lassen sich damit systematisch analysieren und die Prozesse in der Steuerfindung durchdringen. Ganze Steuerprozesse können schnell visualisiert und die Schwachstellen aufgedeckt werden. Die Prüfungsintensität kann dabei enger und weiter festgelegt werden. Unser TAX-ray@Celonis kontrolliert sogar Vorgänge im ERP-System auf ihr steuerliches Risiko vollautomatisch und im Hintergrund, teils noch bevor der Umsatz ausgeführt oder abgerechnet wird, im Grunde also ein real-time TCMS. Die Dokumentation der Kontrollen versteht sich von selbst.
 
3 Empfehlungen für die Praxis
Tax CMS von der Stange gibt es nicht, denn Unternehmen sind nicht gleich. Jedes muss sich aber spätestens jetzt mit diesem Thema auseinandersetzen. Bisher halfen Tax CMS vor allem bei der steuerstrafrechtlichen Enthaftung, zukünftig werden Unternehmen im Sinne einer ernst gemeinten Tax Partnership profitieren. Der deutsche Gesetzgeber hat nun den Grundstein gelegt. Zunächst werden wohl nur größere Unternehmen profitieren, da das BZSt „sein Benehmen“ für die Prüfungserleichterungen erklären muss. Für mich unverständlich, da der Mittelstand beim Tax CMS häufig viel weiter ist. 
 

Ansprechpartner:
 
 
Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht,
Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: +49 89 217501230
 
Stand: 18.01.2023