Umsatzsteuer Newsletter 02/2023
Erwerb von Waldflächen – Keine Grunderwerbsteuer, aber dafür Umsatzsteuer?
Wird ein Waldgrundstück erworben, fällt laut BFH keine Grunderwerbsteuer an, sofern die Forstbäume zivilrechtlich und damit auch steuerrechtlich als Scheinbestandteile zu qualifizieren sind. Ob sich hieraus auch eine Auswirkung auf die Umsatzbesteuerung ergibt, richtet sich danach, ob der Veräußerer die Durchschnittssatzbesteuerung anwendet.
1 BFH: Keine Grunderwerbsteuer für sog. Scheinbestandteile
Beim Erwerb forstwirtschaftlich genutzter Waldflächen ist keine Grunderwerbsteuer zu zahlen, sofern die Forstbäume als Scheinbestandteile gelten. Gehölze, und damit auch Forstbäume, sind Scheinbestandteile, wenn bereits zum Zeitpunkt ihrer Aussaat oder Pflanzung vorgesehen war, sie wieder vom Grundstück zu entfernen. Das gilt nach dem BFH sowohl für Weihnachtsbaumkulturen (BFH, Urteil v. 23.02.2022, II R 45/19) als auch im Allgemeinen für Forstbäume, bei denen von Anfang an feststeht, dass sie bei Hiebreife abgeholzt werden sollen (BFH, Urteil v. 25.01.2022, II R 36/19).
 
2 Wesentliche Bestandteile versus Scheinbestandteile
Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, darunter auch die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Grund und Boden zusammenhängen. So wird Samen mit dem Aussäen, eine Pflanze mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (§ 94 Abs. 1 BGB). Aufstehende Gehölze sind deshalb im Ausgangspunkt wesentliche Bestandteile des Grundstücks, gleich, ob sie durch Selbst- oder Fremdaussaat unmittelbar am Standort gewachsen sind oder anderweitig vorgezogen und eingepflanzt wurden. Nicht zu den Bestandteilen eines Grundstücks gehören dagegen Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind, mag die Verbindung auch noch so fest sein. Das sind die sog. Scheinbestandteile (§ 95 BGB). Gehölze sind Scheinbestandteile, wenn bereits zum Zeitpunkt der Aussaat oder Pflanzung geplant war, sie wieder von dem Grundstück zu entfernen. Die für die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage entscheidende Frage ist damit, ob bereits zum Zeitpunkt von Aussaat oder Pflanzung vorgesehen war, das Gehölz später zu entfernen bzw. abzuholzen. Keine Absicht zur Abholzung wird in Schutzwäldern sowie bei Naturwaldreservaten und Naturwaldflächen gegeben sein. Bei Weihnachtsbaumkulturen hingegen wird diese Absicht immer vorliegen. Aber auch bei „normalen“ Wäldern wird die Absicht zur Abholzung in der Regel bestehen. Sollte der Wald durch entsprechend angeordnete Baumzeilen bereits erkennen lassen, dass er für Zwecke des späteren Holzeinschlags angelegt wurde, wird man von einer Absicht zur Abholzung ausgehen können. 
 
3 Aufteilung des Kaufpreises auf Aufwuchs und Grund und Boden
Idealerweise nehmen die Vertragsparteien eine Kaufpreisaufteilung auf Aufwuchs und Grund und Boden im Kaufvertrag vor. Wie häufig stehen sich hier aber aus ertragsteuerlichen Gründen die Interessen des Käufers und des Verkäufers entgegen: Für den Käufer ist ein möglichst hoher Anteil des Kaufpreises für den Aufwuchs interessant, da sich dieser bei einem Kahlschlag abschreiben lässt. Für den Verkäufer hingegen ist ein möglichst hoher Anteil des Kaufpreises für Grund und Boden vorteilhafter, da sich die stillen Reserven des Grund und Bodens mittels § 6b EStG auf einen breiteren Kreis von Wirtschaftsgütern übertragen lassen. Können sich beide Parteien auf keine Aufteilung einigen, hilft eine Verfügung des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom 27.03.2014: Bei Waldflächen bis 5 ha entfallen 40 % auf Grund und Boden und 60 % auf den Aufwuchs. Bei größeren Flächen erfolgt die Aufteilung anhand Bestandswerttabellen oder mittels Gutachten.
 
4 Auswirkung auf die Umsatzsteuer
Werden Forstbäume als Scheinbestandteile qualifiziert, fällt keine Grunderwerbsteuer an. Umsatzsteuerlich gesehen bedeutet das jedoch, dass die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG nicht greifen kann. Danach sind Umsätze umsatzsteuerfrei, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen. Scheinbestandteile sind somit nicht umsatzsteuerfrei. Bevor jedoch die Umsatzsteuerfreiheit zum Tragen kommen kann, muss der Umsatz nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG umsatzsteuerbar sein. Wer als Waldeigentümer (regelmäßig) Holz verkauft, ist umsatzsteuerlicher Unternehmer i.S.v. § 2 UStG. Aber auch ein Eigenversorger, der Holz, das nur wegen eines Sturmschadens in großer, nicht selbst verbrauchsfähiger Menge angefallen ist, zur Abmilderung des Sturmschadens veräußert, übt – wie der EuGH bereits 2012 festgestellt hat – eine wirtschaftliche Tätigkeit aus, die ihn zum umsatzsteuerlichen Unternehmer macht.
 
Wird der Wald als Scheinbestandteil des Grundstücks umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig veräußert, kommt grundsätzlich der Durchschnittssatz i.H.v. 5,5 % nach § 24 UStG zur Anwendung. Die Vorsteuer beträgt ebenfalls 5,5 %, und zwar auf die Bemessungsgrundlage des Ausgangsumsatzes. Damit entsteht für den veräußernden Forstwirt keine Zahllast, man spricht von einer Scheinbesteuerung. Erkennen Verkäufer und Käufer die Umsatzsteuerpflicht nicht, hat dies normalerweise keine Auswirkung auf den zivilrechtlichen Kaufpreis. Es gilt hier die Grundregel, dass die Umsatzsteuer integraler Bestandteil und damit unselbständiger Teil des zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Preises ist. Somit besteht die vertragliche Gegenleistung generell in einem Bruttopreis, in dem die gesetzliche Umsatzsteuer enthalten ist. Vor dem Hintergrund der eben dargestellten Scheinbesteuerung ist dieses Ergebnis auch sachgerecht; einer ergänzenden Vertragsauslegung (vgl. dazu den KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 12 | 2019) bedarf es hier nicht.
 
5 Fazit
Umsatzsteuerlich bleiben die neuen Grundsätze, die der BFH aufgestellt hat, in den Fällen der Besteuerung nach Durchschnittssätzen ohne Auswirkung. Dies ist Resultat der politisch gewollten Scheinbesteuerung der Land- und Forstwirte. Die Grunderwerbsteuer kann aber in vielen Fällen um 60 % reduziert werden. Die Finanzämter setzen die neue Rechtsprechung (noch) nicht um. Gegen Festsetzungen der Grunderwerbsteuer sollte Einspruch eingelegt werden. Für künftige Kaufverträge sollte eine Kaufpreisaufteilung auf Aufwuchs und Grund und Boden vorgenommen werden. Auf die Umsatzsteuer ist nur dann Rücksicht zu nehmen, wenn auf die Durchschnittssatzbesteuerung verzichtet wurde. 


Ansprechpartner: 
 

Prof. Dr. Oliver Zugmaier
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: +49 89 217501260
o
liver.zugmaier@kmlz.de
 
Stand: 12.01.2023