Umsatzsteuer Newsletter 01/2025
EuGH äußert sich erneut zum Begriff der Transportveranlassung im E-Commerce
Bei grenzüberschreitenden B2C-Lieferungen entscheidet die Beteiligung des Verkäufers am Warentransport darüber, ob die Umsatzsteuer im Abgangs- oder im Bestimmungsland geschuldet wird. Ähnliches gilt bei der Verbrauchsteuer. Hat bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren der Verkäufer den Transport veranlasst, ist er der Steuerschuldner der im Bestimmungsland entstandenen Verbrauchsteuer. Doch wann ist der Verkäufer am Transport beteiligt bzw. veranlasst er den Transport? Der EuGH hat mit seinem Urteil vom 19.12.2024 entschieden, dass auch eine sehr untergeordnete Beteiligung an der Organisation des Transports, sogar bereits die „Lenkung“ des Kunden, ausreicht. Es ist daher Vorsicht geboten bei der Ausgestaltung.
1 Hintergrund: Die Bedeutung der Transportveranlassung im E-Commerce
Gestaltet man die Steuerfindung im Unternehmen nicht rechtssicher, kann das zu einem unkalkulierbaren Risiko führen. Im E-Commerce ist das Risiko ohnehin besonders hoch. Dort finden vorwiegend B2C-Geschäfte statt. Die Preise verstehen sich brutto. Steuerzahlungen nimmt der Verkäufer quasi aus der eigenen Tasche vor. Umso wichtiger ist es für jeden Onlinehändler, bei grenzüberschreitenden Sachverhalten seine Umsatzsteuer- und ggf. Verbrauchsteuerpflichten korrekt zu definieren. Bei der Klärung dieser Frage spielt die Transportverantwortlichkeit eine bedeutende Rolle: 
 
  • Umsatzsteuer: Gemäß Art. 33 MwStSystRL wird eine innergemeinschaftliche B2C-Lieferung (innergemeinschaftlicher Fernverkauf) bis auf wenige Ausnahmen stets im Bestimmungsland besteuert. Ein solcher Fernverkauf liegt jedoch nur dann vor, wenn der Verkäufer am Transport direkt oder indirekt beteiligt ist. Dies galt laut EuGH auch schon vor der Klarstellung in Art. 5a EU-VO 282/2011 zum 01.07.2021 (EuGH C-278/18, KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 29 | 2020).
  • Verbrauchsteuer: Werden bereits in den steuerrechtlich freien Verkehr überführte verbrauchsteuerpflichtige Waren EU-grenzüberschreitend von einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Person erworben, die kein zugelassener Lagerinhaber oder registrierter (oder nach aktueller Rechtslage zertifizierter) Empfänger  ist und keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, so unterliegen diese Waren gemäß Art. 36 RL 2008/118 (alte Rechtslage) / Art. 44 RL 2020/262 (aktuelle Rechtslage) der Verbrauchsteuer im Bestimmungsland. Auch hier gilt das allerdings nur, wenn die Waren unter direkter oder indirekter Mitwirkung des Verkäufers/Versenders transportiert werden.
2 Sachverhalt
Ein Unternehmer betrieb einen Online-Shop, über welchen Kunden auch EU-grenzüberschreitend alkoholische Getränke erwarben. Dabei war der Unternehmer auf den ersten Blick nicht in den Transport der Waren involviert. Vielmehr erschien bei der Bestellung Werbung für unterschiedliche Transportdienstleister. Der Kunde konnte unter diesen frei wählen oder den Transport auf andere Weise organisieren. Wollte der Käufer das Angebot eines der beworbenen Dienstleister nutzen, so wurde er auf dessen Internetseite weitergeleitet. Hier gab der Käufer seine Kontaktdaten an und zahlte für den Transport. Jedoch musste der Käufer keine Angaben zu seiner Bestellung machen. Die Sendungsdaten wurden vielmehr automatisch an den Transportdienstleister übermittelt. Im vorliegenden Verfahren C-596/23 (Pohjanri) war fraglich, ob bei einer grenzüberschreitenden Sendung aus verbrauchsteuerlicher Sicht nach alter Rechtslage ein Fernverkauf gegeben ist. Von der Antwort darauf hängt es ab, wer die am Bestimmungsort entstandene Verbrauchsteuer schuldet. 
 
3 Entscheidung
Der EuGH war in seinem Urteil vom 19.12.2024 der Ansicht, dass ein Verkäufer, der den Käufer bei der Wahl des Transportunternehmens unterstützt, als indirekt am Transport der Waren beteiligt angesehen werden kann, auch wenn er den Kunden diesbezüglich nur lenkt, so dass er im Bestimmungsland verbrauchsteuerpflichtig ist. Relevantes Kriterium für die angenommene Unterstützung war vor allem, dass Sendungsdaten automatisiert an den Spediteur übermittelt wurden. 
 
4 Folgen für die Praxis
Um das Kind beim Namen zu nennen – wer sich im E-Commerce Gedanken macht, wie er aus der Transportorganisation herauskommt, tut das hauptsächlich aus steuerlichen Gründen. Dadurch möchte man Deklarations- und Steuerpflichten im EU-Ausland vermeiden. Im aktuellen Verfahren hatte der EuGH sein Urteil zwar in Sachen Verbrauchsteuer zu fällen. Darüber hinaus geht es auch um eine nicht mehr gültige Rechtsnorm. Diese existiert aber an anderer Stelle in nahezu gleicher Form weiterhin. Somit sind die Argumentation und die Entscheidung auf die aktuelle Rechtslage analog anwendbar. Und dies gilt nicht nur in Sachen Verbrauchsteuer, sondern auch in umsatzsteuerlicher Sicht. 
 
Bereits im Verfahren C-278/18 zur Umsatzsteuer (KrakVetKMLZ Umsatzsteuer Newsletter 29 | 2020) und im Verfahren C‑296/95 zur Verbrauchsteuer (EMU Tabac) hatte der EuGH deutlich gemacht, dass nicht allein die zivilrechtlichen Vereinbarungen zwischen den Parteien den Ausschlag geben. Der EuGH schaute vielmehr auf das tatsächliche Geschäftskonstrukt. Auch in diesem Urteil stellt der EuGH klar, dass die wirtschaftliche Realität und nicht die formale rechtliche Konstruktion die Steuerschuld bestimmt. Der EuGH betont dabei, dass Verkäufer auch dann verbrauchsteuerpflichtig sein können, wenn die Beförderung getrennt von der Ware bestellt und bezahlt wird. Dies gilt sogar dann, wenn der Verkäufer nur die Dienstleistung des Spediteurs unterstützt, indem er Daten zur Sendung an ihn weiterleitet. Die gleichen Maßstäbe werden wohl auch bei der Umsatzsteuer anzulegen sein. 
 
Im Ergebnis kann man festhalten, dass der Begriff der Transportveranlassung im grenzüberschreitenden B2C-Geschäft deutlich weiter als bei B2B zu fassen ist. Der Begriff einer unschädlichen Beteiligung in Sachen Transportveranlassung existiert nicht. Der Verkäufer müsste sich komplett aus der Transportorganisation heraushalten. In diesem Fall sind die Regelungen zum umsatzsteuerlichen und verbrauchsteuerlichen Fernverkauf nicht anwendbar. Allerdings ergibt diese Variante im grenzüberschreitenden E-Commerce wirtschaftlich wenig Sinn, da kaum ein Kunde eine Bestellung aufgeben würde, wenn er sich um den Transport, vor allem aus einem anderen EU-Land, eigenständig kümmern müsste. Ist der Verkäufer jedoch in irgendeiner Weise am Transport beteiligt, und sei es auch nur durch reine Informationsvermittlung, befindet sich der Besteuerungsort im Bestimmungsland. 
 

Ansprechpartner:

Dr. Atanas Mateev
Dipl.-Wirtschaftsjurist (Univ.), Steuerberater
Tel.: +49 89 217501253
atanas.mateev@kmlz.de

Stand: 09.01.2025