Umsatzsteuer Newsletter 01/2023
Weitere Übergangsregelung für juristische Personen des öffentlichen Rechts
Neun (!) Jahre Übergangsfrist bei § 2b UStG: ein Vorgang in der deutschen Steuergesetzgebung, der seinesgleichen sucht. Die Vertreter von Bund, Länder und Kommunen sowie anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts nehmen das Weihnachtsgeschenk aus Berlin gerne an. Nach der Bescherung aber sollte die öffentliche Hand sich nicht ausruhen. Die bereits begonnenen Arbeiten müssen zügig zu Ende geführt und die notwendigen Organisationsstrukturen geschaffen werden, damit eine Umsetzung nun in zwei Jahren möglich ist. Es gibt noch viel zu tun.
1 Ausdehnung Übergangsregelung § 2b UStG bis zum 31.12.2024
Seit inzwischen sieben Jahren mühen sich juristische Personen des öffentlichen Rechts (kurz: jPdöR) mit der Umstellung auf die Neuregelung des § 2b UStG. Einigen wenigen ist die Umstellung gut gelungen. Die meisten aber haben es nicht rechtzeitig geschafft. Sie haben in den letzten Monaten mit der Umstellung auf § 2b UStG „gekämpft“ und sich teilweise auch „verkämpft“. Eigentlich sollte die Umstellung auf das neue Besteuerungsregime der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand zum 31.12.2022 abgeschlossen sein. Nun – in letzter Minute – hat der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz eine weitere Übergangsregelung um noch einmal zwei Jahre vorgesehen. JPdöR haben damit insgesamt sage und schreibe neun Jahre Zeit, eine einzige Norm des Umsatzsteuerrechts umzusetzen. Dies ist ein beispielloser Vorgang in der deutschen Steuergesetzgebung. 
 
Die meisten Vertreter der jPdöR sind für den Aufschub um zwei weitere Jahre dankbar. Wir als Steuerberater sind es ebenso, da der Beratungsbedarf enorm ist. Denn in den meisten Fällen geht es nicht um materiell-rechtliche Fragen zu § 2b UStG, sondern um Fragen der Organisation des Rechnungswesens und der Einführung von Tax-Compliance-Strukturen.
 
Während die letzte Verlängerung noch mit der COVID-19-Pandemie begründet wurde, ist der Gesetzgeber nun etwas ehrlicher. Er legt sozusagen einen Offenbarungseid ab: Es gäbe „viele offene Fragen, die zu großer Verunsicherung führen und insgesamt Zweifel daran nähren, dass ab dem 1. Januar 2023 flächendeckend eine zutreffende Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand sichergestellt werden kann“. Darüber hinaus argumentiert der Gesetzgeber unter anderem, dass „eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch die erneute Verlängerung der Übergangsregelung unter Zugrundelegung der Erfahrungen der letzten zwei Jahre weiterhin nicht zu befürchten“ sei. Diese Erklärung verwundert. Denn sollte mit der Neuregelung des § 2b UStG vor sieben Jahren nicht ursprünglich der Wettbewerb geschützt werden? Es stellt sich damit die berechtigte Frage, ob die Neuregelung des § 2b UStG überhaupt noch erforderlich ist. Wir dürfen bereits heute auf die Überlegungen des Gesetzgebers in der Zukunft gespannt sein. 
 
2 Empfehlungen für die Praxis
In den allermeisten Fällen werden jPdöR gut daran tun, nicht vorzeitig auf § 2b UStG umzustellen. Etwas anderes gilt nur, wenn erhebliche Vorsteuervolumina im Raum stehen, die ansonsten verfallen würden. Ein Gremienbeschluss wird in den meisten Fällen für die Inanspruchnahme der Verlängerungsoption nicht erforderlich sein, da die jPdöR die ursprünglich geltend gemachte Option zur Alt-Regelung des § 2 Abs. 3 UStG lediglich weiter in Anspruch nehmen. 
 
Sollten bereits umfangreiche Vorkehrungen zur Umstellung zum 1.1.2023 getroffen worden sein, so muss nun alles auf „on hold“ gestellt werden und erfolgte Anpassungen müssen im Lichte des § 2 Abs. 3 UStG a.F. betrachtet werden: 
  • Vertragsanpassungen sind ggf. nochmals vorzunehmen (Brutto-/ Nettopreisvereinbarung; § 14c UStG-Risiko),
  • Umstellungen bei Faktura-Systemen führen ggf. zu erneutem Korrekturbedarf und
  • beantragte Steuernummern (vor allem bei Organisationseinheiten von Bund und Ländern) sind wieder zu löschen.
 
Gleichwohl empfiehlt es sich, weiter mit Hochdruck am Thema Umstellung dranzubleiben. Die gewonnene Zeit muss genutzt werden, um vorrangig folgende Arbeiten zügig weiter voranzutreiben: 
  • Abschluss der sog. Einnahmenanalyse mit einer sauberen Dokumentation aller Einzelheiten und fortlaufende Weiterentwicklung in Form einer „Testphase“ für die Zeit ab § 2b UStG, 
  • Entwicklung eines funktionierenden Faktura-Systems mit ausreichend (sicheren) Schnittstellen,
  • Abschluss der Vertragsanalyse und fortlaufende Weiterentwicklung („Testphase“) für die Zeit ab § 2b UStG,
  • Lösung von Kooperationssachverhalten mit den Mitteln des Aufwandspools, der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft (vgl. KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 50│2022) oder der Ausgestaltung als Kostengemeinschaft nach § 4 Nr. 29 UStG,
  • Einholung von verbindlichen Auskünften (Antrag auf Erlass der Gebühren nicht vergessen!),
  • Einführung von Tax-Compliance-Strukturen und Schaffung einer steuerrechtlichen Organisation,
  • Ermittlung der Vorsteuervolumina und ggf. Bildung von Vorsteuerschlüsseln (vgl. dazu auch den Entwurf des BMF vom 25.10.2022).
 
In vielen Umstellungsprojekten hat sich gezeigt, dass mögliche Fehler in der Vergangenheit geschehen sind bzw. eine steuerrechtliche Einschätzung falsch vorgenommen wurde. In diesen Fällen sind unabhängig von § 2b UStG zeitnah die notwendigen Berichtigungen unter Berücksichtigung abgabenordnungsrechtlicher Aspekte vorzunehmen. 
 
3 Einführung der sog. Ist-Besteuerung
Das JStG 2022 ermöglicht es jPdöR – unabhängig von Umsatzgrenzen –, auf Antrag die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten vorzunehmen. Voraussetzung dafür ist, dass die betreffende jPdöR nicht freiwillig Bücher führt und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen nicht regelmäßig Abschlüsse macht oder hierzu gesetzlich verpflichtet ist. Dem Vernehmen nach soll das Wörtchen „soweit“ nicht zu eng ausgelegt werden. Die Buchführungspflicht für einen einzelnen BgA oder aber einen Eigenbetrieb wird wohl noch nicht die gesamte Kommune infizieren. Die Änderung war längst überfällig, da viele jPdöR wie z.B. Kirchen, Bund und Länder ausschließlich kameral buchen. 
 

Ansprechpartner:
 
 
Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht,
Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: +49 89 217501230
 
Stand: 09.01.2023