Umsatzsteuer Newsletter 30/2018
Vorsteuerabzug aus der Übernahme von Umzugskosten
Das Hessische FG hat sich in einem erst im Juli 2018 veröffentlichten Urteil (6 K 2033/15 v. 22.02.2018) mit der Übernahme von Umzugskosten durch den Arbeitgeber für seine Angestellten befasst. Im konkreten Fall stand nach Auffassung des Gerichts das unternehmerische Interesse des Arbeitgebers am Umzug im Vordergrund. Daher liegt hier keine unentgeltliche Wertabgabe vor. Folglich kann die Übernahme der Umzugskosten durch den Arbeitgeber einen Anspruch auf Vorsteuerabzug des Unternehmens begründen. Die Annahme eines tauschähnlichen Umsatzes hält das Gericht darüber hinaus für lebensfremd.

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1. Einführung

Die umsatzsteuerliche Behandlung der Übernahme von Umzugskosten durch einen Arbeitgeber für seine Arbeit-nehmer wird seit Langem kontrovers diskutiert. Streitpunkt ist vor allem der Vorsteuerabzug durch den Arbeitgeber. Bis Ende 2006 sah § 15 Abs. 1a Nr. 3 UStG a. F. ein Vorsteuerabzugsverbot für Umzugskosten vor. Das FG Hamburg (Urt. v. 04.04.2006, Az. III 105/05) hielt diese Regelung für unionsrechtswidrig. Ende 2006 hob der Gesetzgeber die Vorschrift auf. Die Finanzverwaltung prüft seitdem das Vorsteuerabzugsrecht nach den allgemeinen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG. In der Regel wird der Vorsteuerabzug versagt, da ein betrieblich veranlasster Umzug stets auch eine private Angelegenheit sei. Diese überlagere das betriebliche Interesse. Der BFH musste sich zu diesem Thema bisher nicht äußern.

2. Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Konzerngesellschaft, die zentral Beratungsleistungen an andere Gesellschaften der Konzerngruppe erbringen sollte. Zu diesem Zweck wurden bestimmte Zuständigkeiten und Funktionen vom Hauptsitz und von anderen Standorten auf die Klägerin verlagert. Damit die Klägerin ihre Tätigkeit aufnehmen konnte, mussten erfahrene Mitarbeiter an den Standort der Klägerin versetzt werden. In diesem Zusammenhang wurde Mitarbeitern, die bislang im Ausland tätig waren, die Übernahme der Umzugskosten zugesagt. Diese Vereinbarung wurde arbeitsvertraglich festgehalten. Im Jahr 2013 bekam die Klägerin Rechnungen über Leistungen von Immobilienmaklern für die Vermittlung von Wohnungen. Die Klägerin machte den Vorsteuerabzug daraus geltend.

Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung behandelte das Finanzamt die Übernahme der Umzugskosten als steuerbaren tauschähnlichen Umsatz. Die Kostenübernahme sei arbeitsvertraglich vereinbart. Bemessungsgrundlage sei der gemeine Wert der Gegenleistung als Anteil der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Zusätzlich versagte das Finanzamt den Vorsteuerabzug der Klägerin aus den Umzugskosten.

3. Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts

Nach Ansicht des Hessischen FG erfolgt die Übernahme von Umzugskosten durch die Klägerin nicht im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes. Sie ist somit nicht steuer-bar. Die Übernahme von Umzugskosten steht nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Arbeitsleistung der Arbeitnehmer. Die Übernahme soll die betroffenen Arbeit-nehmer mit dazu motivieren, unter Inkaufnahme von erheblichen persönlichen Veränderungen, wie insbesondere dem erforderlichen Umzug der Familie in ein „fremdes“ Land, die für sie vorgesehenen Aufgaben zu erfüllen. Damit ist die Kostenübernahme der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung aber vorgelagert. Die Übernahme der Kosten soll erst die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Arbeitsleistungen der Arbeitnehmer überhaupt erbracht werden können. Sie ist kein Entgelt für die Arbeitsleistung. Es handelt sich nur um eine einmalige Vergünstigung, welche allenfalls kurzfristig neben den Barlohn treten würde. Bei lebensnaher Auslegung ist auszuschließen, dass der Arbeit-nehmer im Anschluss seine Arbeitskraft teilweise unentgeltlich zur Verfügung stellen würde.

Die Übernahme der Umzugskosten ist auch keine einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellte unentgeltliche Wertabgabe (§ 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG). Der private Bedarf der Arbeitnehmer, durch die Wahl ihres Wohnsitzes sicherzustellen, dass sie rechtzeitig am Arbeitsplatz erscheinen können, wird im konkreten Fall durch unternehmerische Erfordernisse überlagert. Dabei hat das FG berücksichtigt, dass ein erhebliches unternehmerisches Interesse der Klägerin bestand, ihre Beratungstätigkeit so schnell wie möglich aufzunehmen. Hierzu waren auch erfahrene Angestellte erforderlich, welche von der Klägerin gezielt angefordert wurden und aus dem Ausland umziehen sollten. 

Konsequenterweise gewährte das FG der Klägerin auch den Vorsteuerabzug aus den Umzugskosten. Die Umzugsleistungen sind im konkreten Fall für das Unternehmen bezogen. Im Einzelfall kann die Umzugskostenübernahme – ebenso wie andere vergleichbare Aufwendungen des Unternehmers, so z. B. Verpflegung und Beförderung seines Personals – durch vorrangige unternehmerische Interessen veranlasst sein. Ein vorhandener, aber hinter den Bedürfnissen des Unternehmens zurücktretender persönlicher Vorteil steht dabei einem Vorsteuerabzug nicht entgegen. Das Hessische FG schließt sich somit ausdrücklich dem FG Hamburg an und widerspricht einem grundsätzlichen Vorsteuerabzugsverbot.

4. Praxishinweise

Das Urteil bringt wertvolle Argumente für die Diskussion mit der Finanzverwaltung. Es muss allerdings auch im Lichte des konkreten Sachverhalts betrachtet werden. Insbesondere ist fraglich, ob das Gericht auch bei Übernahme der Umzugskosten bei Neuanstellungen oder bei Umzügen innerhalb Deutschlands gleichermaßen entscheiden würde. In allen Fällen ist zu empfehlen, den Leistungsbezug durch das Unternehmen hinreichend zu dokumentieren. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber die Verträge mit den Leistenden abschließt und die Aufwendungen im eigenen Namen tätigt (Rechnungsadressat ist). Das Finanzamt hat Revision gegen das Urteil eingelegt (BFH V R 18/18). Somit wird die Entscheidung des BFH hoffentlich die Rechtslage klären. Betroffene Unternehmen sollten daher in noch offenen Fällen das Ruhen des Einspruchs- oder Klageverfahrens beantragen und die Entscheidung des BFH abwarten.

Ansprechpartner:

Dr. Christian Salder
Rechtsanwalt, Steuerberater
Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: +49 89 217501285
christian.salder@kmlz.de

Stand: 26.07.2018