Umsatzsteuer Newsletter 25/2022
Steuerfreie Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr bei „Stadion-Zahlungskarten“
Im Stadion können Besucher die Bratwurst und das Getränk zum Teil nicht mit Bargeld, sondern nur mit einer „Stadion-Zahlungskarte“ bezahlen. Wie aber ist das vom Besucher für die Zahlungskarte zu entrichtende Pfand umsatzsteuerrechtlich zu behandeln? In einer aktuellen Entscheidung hat der BFH jetzt grundlegende Überlegungen zum Leistungsaustausch und der Steuerbefreiung von Umsätzen im Zahlungs- und Überweisungsverkehr im Zusammenhang mit derartigen Pfandbeträgen angestellt.

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1 Sachverhalt
Die Klägerin betrieb ein System zur Zahlung mittels elektronischer Zahlungskarten durch Stadion-Besucher. Gegen Zahlung eines Geldbetrags erhielt ein Stadion-Besucher von der Klägerin eine Zahlungskarte, auf welcher der gezahlte Geldbetrag abzüglich EUR 2 Kartenpfand aufgeladen war (bei Zahlung von EUR 50 erhielt der Besucher bei der Kartenausgabe also eine Zahlungskarte mit einem Karten-Guthaben von EUR 48). Zahlte der Besucher im Stadion mit der Zahlungskarte bei einem Caterer, minderte sich das Guthaben auf der Karte jeweils um den an den Verkäufer zu bezahlenden Preis. Der Besucher konnte die Karte gegen Rückzahlung des Restguthabens und des Pfandbetrags an die Klägerin zurückgeben.
 
Die Klägerin stellte Kartenlesegeräte zur Verfügung und organisierte im Stadion den Vertrieb, die Aufladung sowie die Rücknahme der Karten mit eigenem Personal. Sie erhielt dafür vom Stadionbetreiber und den Caterern eine Provision, welche sie (unstrittig) als umsatzsteuerpflichtig behandelte. Strittig war zwischen den Beteiligten nur, ob die Erlöse aus dem Kartenpfand (abzüglich zurückgezahlter Pfandbeträge) zu versteuern sind.
 
2 Entscheidung des BFH
Der BFH stellt in seinem Urteil vom 26.01.2022 (XI R 19/19) zunächst fest, dass das Kartenpfand Entgelt und kein pauschalierter Schadensersatz ist. Zwischen der Pfandzahlung und der Kartenüberlassung besteht, vermittelt durch den Vertrag zwischen Klägerin und Besucher, ein unmittelbarer Zusammenhang. Außerdem fehlt es an einem schädigenden Ereignis, da der Karteninhaber nicht zur Rückgabe der Karte verpflichtet war. Anders als das vorgehende FG meint, ist die Überlassung der Karte allerdings keine selbständige Leistung, sondern Teil einer Gesamtleistung in Form des Zugangs zur bargeldlosen Zahlungsmöglichkeit. Grund hierfür ist, dass sich das Interesse des Stadionbesuchers gerade auf diesen Zugang richtet. Die Überlassung der Karte und die Zahlungsmöglichkeit sind so eng verbunden, dass sie einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang darstellen.
 
Diese einheitliche Leistung ist aber als Umsatz im Zahlungsverkehr steuerfrei (§ 4 Nr. 8 Buchst. d UStG). In Anlehnung an die EuGH-Rechtsprechung muss die Leistung dafür ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes bilden. Dieses Ganze muss spezifische und wesentliche Funktionen einer Zahlung erfüllen. Die Leistung muss bewirken, dass eine Geldsumme übertragen wird sowie rechtliche und finanzielle Änderungen herbeigeführt werden. Die Klägerin prüfte bei einer Zahlung mit der Karte zunächst das Guthaben und gab die Zahlung sodann frei. Nach der Freigabe minderte sich bei jedem Zahlungsvorgang unmittelbar das Kartenguthaben und der Caterer erhielt von der Klägerin die Zusage der Ausreichung des Betrags. Durch die Abbuchung beim Besucher und die Zubuchung beim Caterer kam es somit zu finanziellen Änderungen. Insoweit verweist der BFH auf das EuGH-Urteil Cardpoint (C-42/18). Der EuGH sah darin Genehmigung, Kontobelastung und unmittelbare Geldzahlung bei Bargeldabhebungen an Bankautomaten als für die Steuerfreiheit wesentlich an.
 
3 Praxisfolgen
Zunächst zeigt das Urteil erneut die Wichtigkeit und zugleich die Schwierigkeit der Abgrenzung einheitlicher Leistungen von zwei separaten Leistungen. In der Praxis sollte diese Unterscheidung möglichst sorgfältig vorgenommen werden. Nur wenn diese Abgrenzung korrekt gelingt, können die richtigen umsatzsteuerrechtlichen Folgerungen gezogen werden. So wäre die alleinige Überlassung der Zahlungskarte als Leistungsgegenstand nach Auffassung des vorgehenden FG nicht steuerfrei gewesen. Die Problematik dabei ist, dass es sich bei dieser Abgrenzung immer auch um eine Wertung des Betrachters handelt. Rechtssicherheit – und die ist zumeist entscheidend für den Unternehmer – lässt sich dadurch oftmals nicht erlangen. Durch die vertragliche Ausgestaltung und die Heranziehung von Vergleichsfällen lassen sich aber zumeist Argumente in die eine oder die andere Richtung finden.
 
Dass es sich bei der Zahlung des Pfandes um Entgelt und nicht um einen echten Schadensersatz handelt, überrascht nicht. Ein Vertrag (hier zwischen der Kl. und dem Stadionbesucher) begründet zwischen einer Leistung und der Zahlung (des Pfandbetrags) einen unmittelbaren Zusammenhang. Das Urteil bestätigt damit Abschn. 3.10 Abs. 5a UStAE, der das Pfand für Warenumschließungen als Leistungsentgelt sieht. Selbst im Fall einer Rückgabepflicht des Pfandgegenstands führt eine Verletzung dieser Pflicht und ein damit einhergehender Schaden daher voraussichtlich zu keinem anderen Ergebnis.
 
Bei seinen Ausführungen zur Steuerbefreiung der Zahlungsleistung hält der BFH sich eng an die Vorgaben des EuGH. Nachdem BFH und EuGH das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuerbefreiungsnorm zuletzt in vielen Fällen verneint haben, ist erfreulich, dass nunmehr einmal positiv feststeht, wie die Voraussetzungen erfüllbar sind. Insbesondere die Genehmigung einer Zahlung sowie die Belastung im Rahmen der Leistung spielen dabei eine wesentliche Rolle.
 

Ansprechpartner:

Dr. Michael Rust
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: +49 89 217501274
michael.rust@kmlz.de

Stand: 17.06.2022